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04.06.2016 | (rsn) - Mein letzter Eintrag ist nun knappe zwei Monate her und glücklicherweise hat sich in der Zeit einiges getan. Nach fast viereinhalb Monaten konnte ich die Reha nun beenden und trainiere inzwischen wieder - fast - normal auf der Straße sowie im Kraftraum. Auf dem Rad läuft es zunehmend besser, gerade die Belgien-Rundfahrt (dazu später mehr) hat mich deutlich nach vorne gebracht. Beim Krafttraining merke ich allerdings noch erhebliche Defizite im Vergleich zur "normalen“ Form.
Auch wenn ich immer noch Schmerzen im Bein habe und es auch noch geschwollen ist, so ließen sich die Probleme mit Hilfe von Physiotherapie und gezieltem Training deutlich lindern oder sogar ganz beheben. Es wird noch einige Wochen dauern, bis ich hoffentlich keine funktionalen Einschränkungen durch den Unfall mehr merke. Ich bin optimistisch.
Mit der oben erwähnten Belgien-Rundfahrt konnte ich glücklicherweise deutlich früher ins Renngeschehen einsteigen als zuvor geplant. Nachdem es unmittelbar nach der OP fraglich war, ob ich überhaupt wieder würde Rennen fahren können, wurden die Prognosen schrittweise angepasst: Erst hoffte ich, überhaupt dieses Jahr wieder zu fahren, später wurde die DM das Ziel, dann konnte ich rund einen Monat vorher in Belgien beginnen.
Das Rennen selber war gut für einen Wiedereinstieg geeignet. Mir liegen Klassiker ähnliche Strecken und auch mit der Hektik im Peloton komme ich gut zurecht. Nachdem das Positionsfahren auf den ersten Kilometern natürlich noch nicht wie gewohnt klappte, konnte ich hinsichtlich meines allgemeinen Verhaltens im Rennen und der Fahrweise von Tag zu Tag steigern. Wahrscheinlich bewege ich mich noch nicht so flüssig wie vorher, allerdings sind mir zumindest keine größeren Probleme bewusst.
Physisch fehlt natürlich noch einiges, ich bin grundsätzlich erstmal super zufrieden die Rundfahrt beendet zu haben. Damit hätte ich nicht gerechnet. Sowohl im Prolog als auch auf jeder Etappe merkte ich den Rückstand zur normalen Rennform, was aber völlig normal ist. Vor der Rundfahrt konnte ich zwei Wochen lang schmerzfrei und mehr oder weniger in vollem – der Form entsprechendem – Volumen trainieren. Vorher waren neben dem normalen Reha-Training immer nur lockere zwei bis drei Stunden möglich. Mehr erlaubten die Schmerzen nicht.
Der Massensturz auf der Ardennen Etappe, der zum Abbruch selbiger führte, kam mir - ohne zynisch klingen zu wollen - sogar entgegen. Die Etappe wurde nach einem Drittel beendet, vermutlich hätten noch einige sehr schnelle Kilometer auf uns gewartet. Ich wäre die Etappe allerdings liebend gerne zu Ende gefahren - stattdessen erlebten wir eine solche Tragödie. Die Bestürzung im Feld war sehr groß und ich selber auch ziemlich geschockt. Ähnlich wie bei unserem Trainings-Unfall in Spanien waren die beteiligten Fahrer vollkommen unschuldig.
Leider ist unser Sport nicht nur an sich sehr gefährlich, sondern wird auch durch ein unkalkulierbares Risiko von außen begleitet. Ich möchte nicht noch einmal alle – zweifellos richtigen – Kommentare anderer Fahrer wiederholen, allerdings ist es wirklich unfassbar, dass es Schwerverletzte und Tote geben muss, ehe die Umstände geändert werden. Es hätte jeden im Feld treffen können. Man kann immer selber etwas durch seine Fahrweise zur Minimierung des Risikos beitragen. Es gab in Belgien einige Stürze, von denen viele durch weniger aggressive Fahrweise hätten vermieden werden können. Bei dem Motorrad-Unfall waren die Fahrer allerdings ohne jede Schuld.
Was mich auch wundert und ärgert, ist das Verhalten, das manches Team oder mancher Fahrer nach dem Unfall bezüglich der Konsequenzen zeigte. Viele Fahrer hätten nichts dagegen gehabt, die letzte Etappe neutralisiert zu fahren oder ein wie auch immer geartetes starkes Zeichen zu setzen. Letztlich sind wir allerdings nur ein paar Kilometer mehr neutralisiert gefahren als ursprünglich gedacht und es dauerte länger, bis das Rennen richtig losging und die ersten wirklichen Attacken gestartet wurden.
Ich schätze von diesem Fahrer-Protest haben nicht allzu viele Menschen etwas mitbekommen. Die Etappe wurde letztendlich als normales Rennen ausgetragen und gewertet. Für uns persönlich ohne Frage schön: Zico Waeytens konnte einen wunderbaren Sieg einfahren, über den wir uns alle sehr freuten. Ich denke allerdings, dass man in solchen Sachen über den Tellerrand des eigenen Ergebnisses und des eigenen Rennens hinaus schauen sollte. Natürlich möchte man auch nicht den Rennveranstalter, die Sponsoren und Teams schädigen, die Fans nicht enttäuschen und eigentlich auch selber Rennen fahren, aber so geht es nicht. Es reicht.
Wir Fahrer wurden genug geschädigt und ich begrüße es sehr, dass die UCI nun offensichtlich nun entsprechende Maßnahmen eingeleitet hat. Hoffentlich sind diese auch tatsächlich gewinnbringend. Leider kommen sie für alle Sturzopfer zu spät und sie wurden ja auch schon vor längerer Zeit durch verschiedene stimmgewichtige Top-Fahrer gefordert.
Bitter nur, dass der eine oder andere Fahrer selbst in Belgien in Bezug auf die letzte Etappe keine Veranlassung sah, auf das "eigene Rennen" zu verzichten. Die Kapitäne der Teams sprachen sich im Vorfeld der Etappe ab, für uns drehte Johannes Fröhlinger eine Runde durch die Busse der anderen Mannschaften. Ich denke, als Peloton sollte man zusammen halten. So versiegte unsere Aktion leider zu weiten Teilen, da die Fernseh-Übertragung letztendlich doch ein mehr oder minder normales Rennen zeigte.
Für mich geht es nun mit Rund um Köln und der ZLM-Tour weiter auf dem Weg zu den Deutschen Meisterschaften. Ich trainiere hart und versuche, in Erfurt ein Top-Rennen zeigen zu können. Ich freue mich auf die weiteren Wochen und wie schon in meinem Blog aus dem Winter-Trainingslager kann ich nun endlich wieder sagen: Die Wattzahl steigt, der Puls fällt.
Es ist noch ein langer Weg, aber er führt zumindest bergauf.
Viele Grüße,
euer Max
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