77. Gent-Wevelgem: Nur 39 Fahrer im Ziel

Paolini lässt sich von Regen, Kälte und Wind nicht zermürben

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Erster beim 77. Gent-Wevelgem: Luca Paolini (Katusha) | Foto: Cor Vos

29.03.2015  |  (rsn) – An die 77. Auflage von Gent-Wevelgem werden alle noch lange zurückdenken. Nicht nur, dass mit dem 38 Jahre alte Italiener Luca Paolini (Katusha) ein Außenseiter nach 240 Kilometern von Deinze nach Wevelgem als Solist triumphierte und die Sprinter im Feld schon früh aussichtslos zurückgefallen waren. Viele gaben das Rennen schließlich auf, darunter auch Titelverteidiger John Degenkolb (Giant-Alpecin). Insgesamt kamen sogar nur 39 der 200 Starter am Nachmittag im Ziel an.

Es waren die extremen Bedingungen, die den flämischen Klassiker nicht nur wieder zu einer kräfteraubenden, sondern zu einer teilweise gefährlichen Angelegenheit machten. Bei Regen, Kälte und Windgeschwindigkeiten bis zu 80 km/h hatten die Fahrer vor allem in der ersten Rennhälfte Mühe, sich auf ihren Rädern zu halten. Einem schweren Sturz fielen unter anderem Gert Steegmans (Trek Factory Racing), Lars Bak (Lotto-Soudal) und Martin Velits (Etixx-QuickStep) zum Opfer. Der Slowake zog sich dabei einen Schlüsselbeinbruch zu. Auch Velits‘ Teamkollege Mark Cavendish ging zu Boden, konnte das Rennen aber fortsetzen.

Der Norweger Edvald Boasson-Hagen (MTN-Qhubeka) wurde in Cassel von einer Windböe regelrecht in die Streckenabsperrung geblasen und brach sich wie Velits auch das Schlüsselbein -. was für den Teamkollegen von Gerald Ciolek das Aus für die beiden Frühjahrsklassier Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix bedeutet..

Paolini, der sich auf den letzten fünf Kilometern aus einer siebenköpfigen Spitzengruppe löste, weil er im Sprint auf der Zielgarden chancenlos geblieben wäre, stürzte gleich zweimal. „Es war ein sehr schwerer Tag. Ich bin zweimal gestürzt und musste mein Rad wechseln“, berichtete der Routinier im Ziel, wo er vor Erschöpfung kaum Worte fand. „Aber ich kannte die Strecke und wusste, an welchen Stellen ich vorne sein musste. Und dann hatte ich nach meinem Pech auch Glück. Die Bedingungen waren so schlecht, dass wir nicht wussten, ob wir weiterfahren sollten. Aber wir waren hier im Norden und das hier ist richtiger Radsport.“

Der Katusha-Profi, ursprünglich als Helfer für den Norweger Alexander Kristoff vorgesehen - der mit fast sieben Minuten Rückstand auf seinen Teamkollegen den Sprint der Verfolger für sich entschied und Neunter wurde – kam mit immerhin elf Sekunden Vorsprung auf den Niederländer Niki Terpstra (Etixx-Quick-Step) und den Briten Geraint Thomas (Sky) an, denen nur noch blieb, die Plätze zwei und drei auszufahren.

„Das ist eine Überraschung, ich bin so glücklich“, kommentierte Paolini seinen ersten Sieg nach fast zwei Jahren, als er die 3. Etappe des Giro d’Italia gewonnen hatte. „Ich denke nicht, dass ich der Stärkste war, aber ich habe meine Karten gespielt. Ich habe gewusst, dass sie auf den Sprint setzen würden, also habe ich es auf den letzten fünf Kilometern versucht.“

Die beiden stärksten Fahrer an diesem Sonntag waren wohl Terpstra und Thomas, denen am Ende aber die Kraft fehlte, nachdem sie aus unterschiedlichen Gründen Aufholjagden hatten starten müssen - der Niederländer sogar deren zwei. Zunächst hatte Terpstra den Moment verpasst, als Thomas gemeinsam mit Paolini, seinem Teamkollegen Stijn Vandenbergh (Etixx-Quick-Step), Jens Debusschere (Lotto Soudal), Sep Vanmarcke (LottoNL-Jumbo), Jürgen Roelandts (Lotto Soudal) und Daniel Oss (BMC) sich auf den letzten 80 Kilometern abgesetzt hatten und schaffte dann doch nach einer Art Solo-Zeitfahren den Anschluss. Dann wurde der Paris-Roubaix-Gewinner im Finale durch einen Defekt gestoppt – um sich nach einem Radwechsel auf den letzten 13 Kilometern ein zweites Mal an die Spitze zurückzukämpfen.

Thomas, der nach seinem Sieg beim E3 Harelbeke am Freitag auf bestem Weg schien, binnen 48 Stunden einen weiteren flämischen Klassiker zu gewinnen, kam rund 60 Kilometer vom Ziel vond er Straße ab und landete im Graben. Der Waliser schwang sich aber wieder auf sein Rad und schaffte es wieder zurück in die Gruppe, die mittlerweile Jagd auf Roelandts machte, der in der in der Abfahrt der ersten Passage des Kemmelbergs davongezogen war und trotz eines Vorsprungs von zeitweise knapp drei Minuten 18 Kilometer vor dem Ziel wieder eingefangen wurde.

Zuvor hatte auch Paolini noch mächtig zu kämpfen, war er doch wie auch Oss bei der zweiten Überfahrt über den Kemmelberg knapp 40 Kilometer vor dem Ziel zurückgefallen. Doch im Gegensatz zu seinem Landsmann gelang ihm das Comeback. Danach hielt er sich noch einige Kilometer im Windschatten auf, ehe er gemeinsam mit Terpstra auf den letzten zwlöf Kilometer attackierte. Kurzzeitig bildeten sich drei Duos: Paolini/Terpstra, Thomas/Vandenbergh und Vanmarcke/Debusschere. Als zumindest Thomas die Lücke wieder geschlossen – Vandenbergh war ebenfalls mit Defekt zurückgefallen - hatte und auch Debusschere und Vanmarcke herankamen, sammelte Paolini seine letzten Kräfte und zog davon.

Terpstra und Thomas gaben alles, um Kristoffs Edelhelfer auf den letzten Kilometern noch zu stellen, doch Paolini hielt sein Tempo durch und sich den Sieg sichern. Im Sprinter konnte sich Terpstra vor Thomas durchsetzen. „Am Ende konnte ich nicht mehr tun, als mein bestes für Platz zwei zu geben und ich muss sagen, dass ich mit meinem Sprint zufrieden bin“, kommentierte der 30-jährige Terpstra sein Ergebnis. „Ich denke, ich habe das Beste aus meiner Situation gemacht.“

„Paolini hat eine gute Attacke hingelegt. Wir haben uns alle angeschaut und ich hätte erwartet, dass Quick-Step ein bisschen mehr tut“, sagte Thomas. „Zum Glück kam ich dann am Ende weg und Niki fuhr mit mir, so dass ich schließlich auf dem Podium landete. Ich hatte im Finale nicht mehr viel Kraft, besonders für den Sprint“, gestand der 28-Jährige ein.

Hinter dem Spitzentrio kamen mit Sekundenabständen Vandenbergh, Debusschere und Vanmarcke an. Roelandts hatte als Siebter - dieselbe Platzierung übrigens wie beim E3 Harelbeke - bereits 1:51 Minuten Rückstand, Oss wurde gut vier Minuten hinter Paolini schließlich Achter.

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