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25.03.2013 | (rsn) - Nach seinem Sieg bei Mailand-San Remo war Gerald Ciolek (MTN-Qhubeka p/b Samsung) nach einigen ruhigen Jahren plötzlich wieder der Held des deutschen Radsports und medial ein gefragter Mann. Eine Woche nach dem großen Triumph blickt er nun im Gespräch mit Radsport News zurück und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund - auch nicht in der Beurteilung eines früheren Teams.
Herr Ciolek, eine Woche nach dem San-Remo-Triumph: Wie haben Sie die Reaktionen wahrgenommen?
Ciolek: Sehr positiv. Ich habe viele schöne Rückmeldungen von Freunden und Bekannten bekommen.
Sogar das ARD-Morgenmagazin hat Sie eingeladen... Wie reagiert man da?
Ciolek: Das ist ein gutes Zeichen. Das Interesse an unserem Sport ist weiterhin da, und wenn sich die Öffentlich-Rechtlichen entschließen, auch mal wieder etwas über das Sportliche zu senden, dann ist das ein gutes Zeichen.
An den Reaktionen sah man auch, dass der Sieg für viele überraschend kam. Aber Erik Zabel hat Sie schon vor dem Rennen als Geheimfavorit genannt. Haben Sie das mitbekommen?
Ciolek: Ich habe das vorher gelesen. Man versucht natürlich, den Ball ein bisschen flach zu halten und sich selbst nicht in die Favoritenrolle hineinzureden. Grundsätzlich wusste ich aber, dass ich eine gute Form habe. Dass es dann zum Sieg reicht, kam allerdings mit Sicherheit überraschend. Die Top Ten waren das ausgegebene Ziel - aber man weiß ja nie, was einen in so einem Rennen erwartet.
Gerade bei dem Wetter...
Ciolek: Ja, eben.
Im Finale haben Sie sich sehr geschickt zurückgehalten, keine eigene Attacke gesetzt und auch kein großes Loch selbst geschlossen, sondern sind immer direkt am Hinterrad eines Kontrahenten geblieben. Hatten Sie das Gefühl, dass die anderen Sie etwas unterschätzen, dass sie sich nur gegenseitig angeschaut haben?
Ciolek: Ich denke, der einzige, der mich unterschätzt hat, war Peter Sagan. Auf der anderen Seite wusste ich aber auch, dass man auf Fabian Cancellara und Sagan achten muss. Und Sagan hat einfach versucht, die Favoritenrolle auszufüllen. Dann war noch Ian Stannard dabei, der am Ende einfach nur noch ein gutes Ergebnis liefern wollte und daher auch nicht viel gemacht hat. Das kam mir alles so ein bisschen entgegen.
Mit 18 Jahren die deutsche Meisterschaft, ein Jahr später U23-Weltmeister - die Leute haben schon früh gesagt: Das ist der neue Zabel. Aber der ganz große Durchbruch hat auf sich warten lassen...
Ciolek: Es ist einfach nicht so weitergegangen, wie sich die Leute das erhofft haben. Frühe Erfolge wecken immer große Erwartungen. Aber ich denke, es ist einfach nur menschlich und normal, dass nicht alles immer so geradlinig verläuft - nach den vorgegebenen Maßstäben, wie sich das einige Leute vorstellen. Die denken: ‚U23-Weltmeister, nächstes Jahr Profi und übernächstes Jahr gewinnt er einen großen Klassiker.‘ So einfach funktioniert das nicht! Das ist immer noch Sport, und der ist eben nicht vorhersehbar.
Hing das auch mit dem großen Druck zusammen, der durch die frühen Erfolge aufkam?
Ciolek: Die Meinung, die viele Leute vertreten, dass es vier, fünf Jahre ziemlich still um mich war, die resultiert aus der Erwartungshaltung, dass sich die Leute denken: Der hätte viel mehr gewinnen müssen. Aber eigentlich bin ich die ganzen Jahre auf einem guten Niveau weitergefahren und hatte auch meine Erfolge.
Den größten Erfolg und den von diesen Leuten erwarteten Durchbruch gab es jetzt beim recht kleinen Team MTN Qhubeka p/b Samsung, nachdem es vorher bei Top-Teams nicht geklappt hat. Liegt das auch daran, dass Sie jetzt der alleinige Kapitän sind?
Ciolek: Ich war auch bei Milram zeitweise Kapitän und da hat es nicht so gut funktioniert. Ich denke, das ist ein Zusammenspiel von vielen Sachen. Bei Milram zum Beispiel gewinnt man eine Etappe auf Mallorca früh im Jahr und die Reaktion ist etwa so: ‚Das war bitter nötig. Endlich. Das war schon lange überfällig.‘ Und bei MTN wird man Fünfter im ersten Rennen und das ist schon ein Riesenerfolg für die Mannschaft. Das tut einfach gut.
Also geht es auch viel um Anerkennung?
Ciolek: Ja, genau. Die Wertschätzung von kleineren Erfolgen, die ist einfach ganz anders. Es ist natürlich auch eine ganz andere Situation als in den letzten beiden Jahren bei Quick-Step - das kann man gar nicht vergleichen.“
Haben Sie in der Saisonvorbereitung in diesem Jahr etwas anders gemacht?
Ciolek: Ja, ich bin viel später in die Saison gestartet als in den letzten drei Jahren. Da bin ich schon Anfang oder Mitte Januar in Australien Rennen gefahren und anschließend auf Mallorca. Oder mit Milram habe ich in Katar begonnen. Und in diesem Jahr hatte ich erst Mitte Februar das erste Eintagesrennen. Dadurch konnte ich den gesamten Januar und auch die ersten Februar-Wochen zur Vorbereitung nutzen.
Mit welchen Trainingsinhalten haben Sie sich da beschäftigt?
Ciolek: Im Januar war ich auf Mallorca, da ging es meist um Grundlagentraining. Aber dazu kommt natürlich auch Krafttraining, und in den ersten beiden Februar-Wochen waren wir im Trainingslager. Da sind wir natürlich auch schon mal in den roten Bereich gegangen. Gerade weil alle anderen Mannschaften da schon auf irgendwelchen Rennen unterwegs sind und man das ja irgendwie kompensieren muss.
Der Wechsel von Omega Pharma - Quick-Step zu MTN Qhubeka p/b Samsung bedeutete im Winter auch den Schritt aus der sogenannten „ersten“ in die „zweite Liga“. Gab es auch andere Optionen?
Ciolek: Ja, die gab es.
Auch in der World-Tour?
Ciolek: Ja.
Und wieso dann der Schritt zu MTN Qhubeka p/b Samsung? Was war ausschlaggebend für Sie?
Ciolek: Es ist zwar ein kleineres, aber eben doch ein gut aufgestelltes Team mit einer professionellen Struktur. Sie haben mir die Möglichkeit gegeben, der Kapitän für die Sprints und die Frühjahrsrennen zu sein, was natürlich eine Riesenchance bedeutet. Und mir persönlich war auch wichtig, dass ich weiterhin auf Super-Material unterwegs bin.
Für das Team geht es in erster Linie auch darum, den Radsport in Afrika voranzutreiben. Am Freitag hat fünf Tage nach ihrem San-Remo-Sieg Tsgabu Gebremariam bei der Tour de Taiwan den ersten äthiopischen Profi-Sieg der Geschichte eingefahren. Wie wichtig ist das für das Team - verglichen zum Beispiel mit dem San-Remo-Triumph?
Ciolek: Das ist extrem wichtig und ein Riesenerfolg. Ich habe es morgens gleich gelesen. Unser Ziel ist es, wie gesagt, den Radsport in Afrika voranzutreiben. Da ist es natürlich wichtig, dass wir hier in Europa Erfolge feiern, aber das würde nichts bringen, wenn sich die afrikanischen Fahrer nicht weiterentwickeln würden. Es ist Wahnsinn, dass es in Europa so gut läuft und sich das auf die ganze Mannschaft überträgt und die Jungs so motiviert.
Bei den großen Nord-Klassikern in Flandern und bei Paris-Roubaix sind Sie mit dem neuen Team nicht dabei. Schmerzt das nicht sehr, wenn man sich wie Sie jetzt in einer so tollen Form befindet?
Ciolek: Das gesamte Klassiker-Programm zu fahren, das wäre vielleicht etwas zu viel für uns gewesen - auch weil die Mannschaft dafür noch nicht gut genug aufgestellt ist. Eins, zwei weitere Highlights wären schon wünschenswert gewesen. Aber das ist natürlich das Risiko, das man eingeht, wenn man den Schritt zu einer GS-2- beziehungsweise Pro-Continental-Mannschaft macht.
Gibt es denn Feedback von Veranstaltern, dass Wildcards für die zweite Saisonhälfte jetzt nach San Remo vielleicht doch etwas leichter kommen könnten?
Ciolek: Ich bin in die Rennplanung nicht involviert, von daher weiß ich das nicht. Aber ich denke schon, dass es das einfacher macht. Allerdings weiß ich natürlich auch nicht, wonach die Veranstalter bei ihren Einladungen wirklich gehen.
Ab Dienstag stehen Sie bei Driedaagse van De Panne am Start - genau wie viele andere Top-Sprinter: Peter Sagan, Mark Cavendish, André Greipel und Marcel Kittel zum Beispiel. Wie sehen die Ziele dort aus?
Ciolek: Wir werden die Rennen weiter so angehen wie vorher auch. Es hat sich nichts grundlegend geändert. Die erste Etappe dort ist relativ schwer. Das könnte etwas für mich sein. Aber in den Sprints ist es ja nicht unbedingt einfacher geworden als vorher.
Mit Gerald Ciolek sprach Felix Mattis.
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