Das Graue Trikot 2011 – Teil 5

Soziales Netzwerk auf zwei Rädern

Von Guido Scholl

Foto zu dem Text "Soziales Netzwerk auf zwei Rädern"
Das Graue Trikot | Foto: ROTH

22.07.2011  |  (rsn) - Revolution in den Alpen! Christian Vande Velde hat im Ü 35-Klassement mit Levi Leipheimer die Plätze getauscht und das Graue Trikot des besten Tour-Seniors übernommen. Garmins Tour wird immer besser. Teamzeitfahren gewonnen, zwei Etappen geholt, in der Mannschaftswertung ganz vorn, zwischendrin das Gelbe Trikot auf Thor Hushovds Schultern – und jetzt die aus sozialem Winkel betrachtet wichtigste Trophäe gesichert: das Graue Trikot.

Denn ausreißen und kämpferischster Fahrer werden, das ist reiner Eigennutz. Die Tour, das Grüne Trikot oder die Bergwertung gewinnen sowieso. Auch im Mannschaftsklassement geht es letztlich um Ehre und den schnöden Mammon. Aber das Graue Trikot ist weder mit einem Preisgeld noch mit einem Eintrag in die Tour-Geschichtsbücher verbunden. Die Senioren-Wertung gibt es schließlich exklusiv auf Radsport News.

Wer da ganz vorn liegt, der hat sich einfach als Bester der Alten durchgesetzt. Basta. Keine Taktik, keine Teamhelfer – ganz im Gegenteil: Oft müssen sich die Greise im Peloton noch für irgendwelche junge Hüpfer aufopfern, weil die nach Ruhm und Prämien gieren. Das Graue Klassement ist deshalb umso sozialer, alle haben ihr Päckchen zu tragen. Ein Soziales Netzwerk auf zwei Rädern sozusagen.

Und ganz vorbildlich gehen Danilo Hondo und Alessandro Petacchi zu Werke. Die helfen sich sogar gegenseitig. Nicht nur in den Etappenfinals, wo Danilo dem Ale-Jet die Spurts anzieht. Abends im Hotel trägt der eine dem anderen auch schon mal das Tablett hinterher, wenn der es vergessen haben sollte. Und das kommt im Alter ja häufiger vor.

Leider hat Petacchi seinen Angriff aufs Graue Trikot etwas zu spät gestartet. Nach dem Mannschaftszeitfahren lag er noch auf Position 13, schob sich ausgerechnet in den Pyrenäen auf den 11. Platz vor. Jetzt hat er nur um den Hauch einer Viertelstunde den Sprung auf Rang acht verpasst. Aber 9. ist doch ein tolles Resultat. Top 10! Und 2:23:12 zum Grauen Trikot sind ja auch nicht die Welt.

Allerdings haben die schweren Alpenpässe der 98. Tour de France bei den Senioren schon ein wenig die Spreu vom Weizen getrennt. Der Weizen, das ist eigentlich nur Vande Velde. Der hat rund 34 Minuten auf Leipheimer gut. Ob der Radio Shack-Profi das im Zeitfahren noch aufholen kann? Wird eng. Wenn Levi dem Chrischi nicht das Fahrrad klaut, dann war’s das wohl für Radio Shack mit dem Grauen Trikot, auf das es gleich drei Starter der US-Equipe abgesehen hatten: Levi, Klödi und Horni, die berühmte Senioren-WG.

Aber deshalb ist jetzt für die Grauen noch längst nicht Tour d’Honeur angesagt. Es geht darum, eine Blamage zu verhindern: Noch hat kein Tour-Senior eine Etappe der 98. Frankreichrundfahrt gewonnen. Petacchi war als Zweiter nah dran, genau so David Moncoutié. Aber ganz nach vorn schaffte es bisher keiner aus der Kukident-Fraktion.

Im Zeitfahren auf Leipheimer setzen? Da kann man die Kohle auch gleich in den Ofen schmeißen. Der fährt für Radio Shack. Hat das Team bei dieser Tour überhaupt schon irgendwas geholt außer Knochenbrüchen, Prellungen und Schürfwunden? Eben. Also muss es Petacchi auf dem Champs Elysées richten.

Aber mit Taktik: Er erzählt dem Cavendish einfach, dass das Feld diesmal ein Runde mehr fährt als geplant, weil die Franzosen die Euro-Rettung feiern. Der schnelle Brite glaubt das garantiert, weil er „Politik“ nicht bei Twitter geaddet hat und es auf der Insel ja noch das Pfund gibt (die Währung, nicht das Mett). Und Schwups, sprintet ihm der Ale-Jet den Sieg vor der Nase weg. Hätte Greipel ja auch mal drauf kommen können.

In dem Sinne: Locker bleiben!

Ü35-Gesamtwertung

1. (2.) Chrischi Vande Velde (GRM)
2. (1.) Levi Leipheimer (RSH) +34:08
3. (3.) David Moncoutie (COF) +45:15
4. (4.) Schorse Hincapie (BMC) +1:16:15
5. (6.) Voigte (LEO) +1:27:07
6. (5.) Grischa Niermann (RAB) +1:37:47
7. (7.) Stu O'Grady (LEO) +1:59:02
8. (8.) Nicki Sörensen (SAX) +2:08:13
9. (11.) Alessandro Petacchi (LAM) +2:23:12
10. (10.) Danilo Hondo (LAM) +2:28:09
11. (9.) Sébastien Hinault (ALM) +2:30:04
12. (12.) Matteo Tosatto (SAX) +2:38:08
13. (13.) Julian Dean (GRM) +3:06:26
DNF: Klödi, Horner, Wino, Garate

Weitere Radsportnachrichten

14.12.2025Highlight-Video des Cross-Weltcups von Namur

(rsn) – Er kam, kämpfte und siegte: In einem packenden Duell hat Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) zu seinem Saisoneinstieg den Weltcup von Namur gewonnen. An der berühmten Zitadelle v

14.12.2025Von Krämpfen geplagt: Überrundeter Fahrer sorgt für Durcheinander

(rsn) – Ein Krampf fühlt sich nie sehr angenehm an. Kaum besser dürfte es für Vilmar Aastrup gemacht haben, dass sein Malheur beim Weltcup in Namur vom belgischen Fernsehen live und in aller Ausf

14.12.2025Trotz “vieler Fehler“: Van der Poel triumphiert in Namur

(rsn) – Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) steht im Cross für Perfektion – deshalb aber auch für Langeweile. Von beidem konnte bei seinem Saisoneinstand beim Weltcup in Namur allerdin

14.12.2025Brand auch beim Weltcup in Namur eine uneinnehmbare Festung

(rsn) – Die Niederländerin Lucinda Brand (Baloise – Glowi Lions) hat auch beim Weltcup in Namur zugeschlagen. Mit ihrem zehnten Sieg im zwölften Saisoneinsatz baute die Weltranglistenerste ihre

14.12.2025Der DM-Titel überstrahlte den Tour-Rückschlag

(rsn) – Seine sechste Saison als Berufsradfahrer war für Georg Zimmermann eine mit Höhen und Tiefen. Ein unerwarteter Sieg, ein Sturz und das frühe Aus beim Saisonhöhepunkt, der größte Erfolg

14.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

14.12.2025Ein Weltcupsieg, sechs Titel und “beschissene Monate“

(rsn) – Im niederländischen Hulst finden vom 30. Januar bis zum 1. Februar die Cross-Weltmeisterschaften statt. Der Parcours auf der Festungsanlage ist technisch und schwer – und er liegt Marie S

14.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2025

(rsn) – Seit dem Jahr 2013 blicken wir am Ende der Straßenradsaison neben der Jahresrangliste der Männer auch auf das Jahr der Frauen mit entsprechendem RSN-Ranking zurück. Berücksichtigt werden

14.12.2025Almeida: “Pogacar braucht mich nicht, um eine GT zu gewinnen“

(rsn) – Joao Almeida wird im kommenden Jahr voraussichtlich kein einziges Rennen an der Seite von Tadej Pogacar bestreiten, sondern stattdessen durchgängig der zweite Leader des Teams UAE – Emira

13.12.2025Pogacar greift 2026 wieder die Klassiker und die Tour an

(rsn) – Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix – das sind die ganz großen Meilensteine, die im Trophäenschrank von Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) noch fehlen. Auf beide Monumente des Radsp

13.12.2025Vandeputte nutzt im Finale seine Chance beim Exact Cross

(rsn) – Niels Vandeputte (Alpecin – Deceuninck) konnte nach einem spannenden Rennen beim Exact Cross in Kortrijk seinen zweiten Saisonsieg feiern. Der Belgier war im Finale der Beste einer Dreierg

13.12.2025Nach der Tour irgendwie gegen die Wand gefahren

(rsn) – Erst einmal vor dieser Saison wagte sich die Tiroler Mountainbikerin Mona Mitterwallner auf die Straße, 2021 bei den Europameisterschaften im U23-Rennen der Frauen, bei dem sie Elfte wurde.

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)