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22.07.2011 | (rsn) - Die meisten Franzosen lieben ihre Tour de France bedingungslos, aber diese Liebe war zuletzt auch ein gespanntes Verhältnis. Seit dem Festina-Skandal 1998 hatten es Profis aus dem Gastgeberland schwer, sich in den vorderen Positionen des Gesamtklassements zu behaupten, sobald es in die Berge ging.
In diesem Jahr ist alles anders. Während der 9. Etappe eroberte Thomas Voeckler (Europcar) das Gelbe Trikot. Und er hat es bis zum dritten Tag in den Alpen nicht ausgezogen. Anders als 2004, als der Franzose bereits einmal zehn Tage in Gelb fuhr, erwächst der zähe Kämpfer drei Tage vor Schluss zu einem ernsthaften Podiumskandidaten. Auch wenn ihm die verbliebenen 15 Sekunden Vorsprung kaum mehr zum Toursieg reichen dürften: Ein Franzose in Gelb hält bei den Besten im Hochgebirge mit. Und hängt sogar Alberto Contador (Saxo Bank-SunGard) ab.
Voeckler ist aber nur die halbe Wahrheit. Der 34-jährige ehemalige Crosser Jean-Christophe Peraud (Ag2r) behauptet sich bei seiner ersten Tour nach der Galibier-Etappe auf Rang zehn des Gesamtklassements. Zwei Franzosen in den Top 10 – sollte dies so bleiben, wäre es eine Premiere seit der ebenfalls von Skandalen geschüttelten Tour 2006, als Cyril Dessel (6.) und Christophe Moreau ( 7.) unter den besten Zehn landeten.
Aber ein Franzose in Podestnähe? Das hat Frankreich sogar seit 2000 nicht erlebt, als Moreau lange in aussichtsreicher Position lag. Und vom Gesamtsieg eines Landsmanns durften die Fans im Gastgeberland seit den Zeiten Richard Virenques nicht mehr träumen, der 1996 Dritter und 1997 Zweiter wurde sowie 1998 hochambitioniert startete. Dann wurde der Dopingskandal in seinem Team aufgedeckt, und die Franzosen fielen in ein Leistungsloch, wie es schien.
Sicher Männer wie Jackie Durand, Sylvain Chavanel (Quick Step), Pierrick Fedrigo, Sandy Casar (FDJ) und etliche andere prägten zahlreiche Etappen als Dauer-Ausreißer. Virenque, Jalabert und Anthony Charteau (Europcar) gewannen das Bergtrikot, es gab zahlreiche Etappensiege zu feiern und dazu Episoden in Gelb wie die von Francois Simon in 2001, die von Dessel 2006 und von Chavanel im vergangenen Jahr.
Dennoch dürften die Franzosen seit der Ära Virenque nie so zufrieden mit einer Tour de France gewesen sein wie jetzt. Obwohl in 2011 bislang kein Einheimischer einen Tageserfolg landen konnte. Voeckler ist am Berg bärenstark, kann die beste Platzierung eines Franzosen seit 2000 schaffen.
Dazu ist Peraud drauf und dran, sich in den Top 10 festzufressen. Und wenn es auch noch Voecklers bester Helfer Pierre Rolland (Europcar) dorthin schaffen sollte, wäre das beste Ergebnis nach 1991 perfekt, als Charly Mottet, Laurent Fignon, Luc Leblanc und Gerard Rué in die ersten Zehn fuhren. Das ist 20 Jahre her, Voeckler war damals zwölf.
Es geht aber noch weiter: Rolland ist Jahrgang 1986. Das trifft auch auf die Arnold Jeanneson (FdJ) und Jerome Coppel (Saur Sojasun) zu, die momentan auf den Plätzen 17 und 18 rangieren. Da wächst eine ganz neue, schlagkräftige Generation an Klassementfahrern heran.
Und von Perauds 34 Jahren darf sich niemand täuschen lassen – der wechselte erst spät auf die Straße, dürfte zwar kaum noch zehn Profijahre vor sich haben, aber gemeinsam mit den anderen „frischen Franzosen“ noch für einige Musik bei der Tour sorgen. Es wäre den Fans im Nachbarland zu wünschen. Schließlich liegt der letzte Toursieg eines Franzosen 26 Jahre zurück. Zuvor reichten sich Fignon und Hinault das Gelbe Trikot in Paris quasi hin und her.
Franzosen in den Top 10 der Tour seit 1985:
2010: -
2009: LeMevel (9.)
2008: -
2007: -
2006: Dessel (6.), Moreau (7.)
2005: -
2004: -
2003: Moreau (8.)
2002: -
2001: F. Simon (6.)
2000: Moreau (4.), Virenque (6.)
1999: Virenque (8.)
1998: Rinero (4.), Robin (6.)
1997: Virenque (2.)
1996: Virenque (3.) Leblanc (6.)
1995: Jalabert (4.), Virenque (9.)
1994: Leblanc (4.), Virenque (5.)
1993: -
1992 : Lino (5.)
1991 : Mottet (4.), Leblanc (5.), Fignon (6.), Rué (10.)
1990 : -
1989 : Fignon (2.), Mottet (6.)
1988 : Boyer (5.), Pensec (7.). D. Roux (10.)
1987 : Bernard (3.), Mottet (4.), Fignon (7.)
1986 : Hinault (2.), Pensec (6.), Yvon Madiot (10.)
1985 : Hinault (1.)
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