Robert Müllers Ghana-Tagebuch

Die Tour hat es geschafft, mich zu brechen

Von Robert Müller und Arthur Lenné

Foto zu dem Text "Die Tour hat es geschafft, mich zu brechen"
Tradition trifft Radsport: Die Siegerehrung in Anwesenheit des regionalen Monarchen. | Foto: Robert Müller

24.11.2025  |  (rsn) - Robert Müller ist wieder auf Achse. Wer seine Berichte aus den unterschiedlichsten Ecken der Radsport-Welt – von Südamerika bis Asien – kennt, weiß: Wenn "Radbert" unterwegs ist, wird es selten langweilig. Diesmal hat es ihn nach Westafrika zur Tour du Ghana verschlagen. In seinem Tagebuch lässt Müller die RSN-Leserinnen und -Leser an seiner Reise teilhaben.

Hier ist sein Bericht vom achten Tag, der von einer Audienz beim König, dem alltäglichen Chaos und einer persönlichen Entscheidung handelt.


Tag 8: Warten auf den König und das endgültige Chaos

Hallo aus Accra von Tag 8 der Tour du Ghana, an dem erst die 4.  Etappe anstand. Die üblichen Probleme begannen schon am Morgen, als wir aus den Hotels auschecken wollten, denn die Rechnungen waren nicht bezahlt worden. Einige Holländer wurden in dem Hotel, in dem wir immer Frühstück gegessen hatten, festgehalten, um die Organisation dazu zu zwingen, die Rechnungen zu bezahlen.

Auch Teamfahrzeuge standen im Hof hinter verschlossenen Toren. Das war eine völlig verständliche Reaktion des Hotels, denn bei der gesamten Rundfahrt stellte sich immer wieder heraus, dass fast nichts bezahlt wurde und auch die Fahrer der Teamfahrzeuge bekamen oft kein Spritgeld. In unserem Hotel war als Druckmittel schon am Abend zuvor das Wasser abgestellt worden, weshalb wir nach der Wanderung nicht duschen konnten.

Der Start war eigentlich für 11 Uhr angesetzt gewesen, aber natürlich verzögerte sich alles wieder um Stunden. Wir lungerten erst im Hotel herum und warteten dann ewig am Start. Dort gab es auch wieder viele Diskussionen, da einige Teams hier von der Organisation sehr schlecht behandelt werden. Allgemein liegen die Nerven bei vielen schon ziemlich blank. Nachdem ein erster Startversuch gescheitert war, fuhren wir dann mit dreieinhalb Stunden Verspätung endlich los.

Die Etappe ging diesmal von A nach B über nur relativ flache 70 Kilometer. Ich hatte von der Bergwanderung Muskelkater und weil ich am Ruhetag kein Rad gefahren bin, keine guten Beine. Trotzdem versuchte ich am Anfang, das Feld zu kontrollieren und das Tempo auf einen soliden Niveau zu halten. Es konnte sich recht schnell eine Spitzengruppe mit meinem Teamkollegen Daniel absetzen, aus der jedoch der Holländer wegen Defekt wieder herausfiel.

Danach machte sein Team das Tempo und da Seitenwind herrschte, riss das Feld an einer leichten Bergaufpassage. Ich war gerade im hinteren Teil, ergab mich sofort meinem Schicksal und machte keinerlei Anstalten, noch in den ersten Teil des Feldes zu fahren. Es war mir einfach egal und die restliche Etappe verbrachte ich dann in diesem abgehängten zweiten Teil, in dem das Tempo immer wieder komplett einschlief.

In den Ortschaften hatten wir neben den sehr zahlreichen Schlaglöchern mit starkem Verkehr aus allen Richtungen zu kämpfen. Völlig gleichgültig rollte ich über den Zielstrich am Ende einer Brücke und erfuhr, dass Basti sein Gelbes Trikot souverän verteidigt hatte. Nun mussten wir zur Audienz beim König der Region fahren und dort erstmal wieder auf seine Ankunft warten.

Dann gab es eine skurrile Zeremonie mit eigenartigen Regeln, die von einem Mann mit Umhang, der sich als "voice of the king" vorstellte, erklärt wurden. Man durfte zum Beispiel keine Mütze oder Brille auf dem Kopf tragen, die Beine nicht verschränken, keine Uhr tragen, den König nicht direkt ansprechen, nur ohne Schuhe vor ihn treten usw. Die Siegerehrung wurde dann mit einigen pathetischen und völlig übertriebenen Ansprachen eingeläutet.

Der König saß dabei die meiste Zeit teilnahmslos auf seinem Thron und schaute ab und zu gelangweilt auf sein Handy. Am Ende überreichte er allerdings Basti persönlich das Gelbe Trikot und richtete noch einige Worte an den versammelten Rundfahrttross. Nach dem für meinen Geschmack viel zu langem Prozedere wollten wir möglichst schnell den langen Transfer nach Accra antreten.

Es stellte sich jedoch sofort heraus, dass nur ein Bus für alle Fahrer, Räder und das Gepäck bereit stand. Der zweite Bus und der LKW waren verschwunden und so hieß es wieder einmal warten. Immerhin gab es etwas zu essen, sonst wäre wahrscheinlich eine Meuterei ausgebrochen. Irgendwann wurde es uns zu bunt und wir organisierten selbst einen Kleinbus mit Fahrer, den wir aus eigener Tasche zahlten.

Als wir endlich im Hotel ankamen hieß es dort, es seien keine Zimmer gebucht und die von vor einer Woche noch nicht bezahlt worden. Von irgendwoher bekamen wir die vage Information, dass wir zu einem anderen Hotel fahren sollen. Das taten wir dann, einigten uns nach Besichtigung der Zimmer aber darauf, wieder ins erste Hotel zurück zu fahren, in dem außerdem noch unsere Radkoffer und weiteres Gepäck standen.

Ins Bett kamen wir dann kurz nach Mitternacht, was im Vergleich zu anderen Teams noch sehr gut war. Team Togo beschwerte sich nämlich um 2:30 Uhr darüber, dass sie immer noch kein Hotel hatten. Im Konvoi war es übrigens in der Nacht noch zu einem Unfall mit einem Begleitmotorrad und einem Tuk Tuk gekommen und ein Teamfahrzeug war in den Graben gefahren. Es sind einfach alle genervt und am Limit und dann passieren auch Unfälle.

Mit wurde im Verlauf des Tages klar, dass dies meine letzte Rundfahrt in Afrika gewesen sein wird, denn ich habe den Spaß daran verloren. Man kann man sagen, dass die Tour du Ghana es geschafft hat, mich zu brechen. So ein Chaos wie hier täglich herrscht, haben sogar die afrikanischen Teams noch nicht erlebt.

Bis bald
Gez. Sportfreund Radbert

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