RSNplusIm Gegenwind auf Plan B umgestellt

“Bora-Boys“ spielten numerische Überlegenheit clever aus

Von Kevin Kempf

Foto zu dem Text "“Bora-Boys“ spielten numerische Überlegenheit clever aus"
Giulio Pellizzari (Red Bull - Bora - hansgrohe) bejubelt seinen Sieg auf der 17. Vuelta-Etappe. | Foto: Cor Vos

10.09.2025  |  (rsn) – Der Gegenwind war im Ziel der 17. Etappe der Vuelta a Espana das große Gesprächsthema. Sechs der sieben Besten in der Gesamtwertung der Spanien-Rundfahrt blieben am Alto de El Morredero (1.Kat.) beisammen; nur Felix Gall (Decathlon – AG2R) hatte sich am 8,8 Kilometer langen und 9,5 Prozent steilen Schlussanstieg Rückstand eingehandelt. Trotz der Schwierigkeit des Berges konnten die besten Kletterer keine Unterschiede herausfahren, zu stark blies ihnen der Wind ins Gesicht.

Und wenn die Beine es nicht richten können, muss es der Kopf tun. Das geschah am Mittwoch. “Bis auf die Bora-Boys waren wir im Finale alle alleine. Das hat man dann auch gesehen. Das haben sie gut gemacht“, meinte der zweitplatzierte Tom Pidcock (Q36.5) im Gespräch mit Eurosport anerkennend. Als das Sextett den Berg hinauf kletterte, machte es keinen Sinn, Tempo zu fahren. Die Angriffe von Red-Bull-Kapitän Jai Hindley waren verpufft, weil die anderen Podiumsanwärter sofort reagiert hatten. ___STEADY_PAYWALL___

Dann schlug die Stunde von Giulio Pellizzari, der zuvor mehrfach Probleme hatte, seinem australischen Kapitän bei dessen Attacken zu folgen. “Sie haben versucht, mich abzuhängen und es war auch sehr hart im steilen Stück des Anstiegs. Als der dann ein wenig flacher wurde, hab ich es versucht und es war perfekt für mein Gewicht“, erklärte der Italiener im Ziel. Red Bull hatte seine numerische Überlegenheit ausgespielt. Nicht – wie in der Vergangenheit oft –, indem der zweite Mann als Helfer eingesetzt wurde, sondern in dem er in die Offensive ging, um den Rest unter Druck zu setzen.

Riccitello sucht keinen Sündenbock

Und wo eine Partei von guter Taktik profitiert, gibt es meistens auf der anderen Seite auch jemandem, der es besser hätte machen müssen. Das war in diesem Fall Matthew Riccitello (Israel – Premier Tech). Der US-Amerikaner ist im Klassement und im Kampf um das Weiße Trikot Pellizzaris erster Verfolger. Riccitello nahm als einziger die Verfolgung des Spitzenreiters auf und war sichtbar frustriert, dass er keine Unterstützung bekam.

Jai Hindley (Red Bull – Bora – hansgrohe, vorn) kontrollierte im Finale der 17. Vuelta-Etappe die Verfolgergruppe und hielt so seinem Teamkollegen Giulio Pellizzari den Rücken frei. | Foto: Cor Vos

 

Im Ziel suchte der 23-Jährige aber keinen Sündenbock. “Am Ende war es meine Schuld, dass ich nicht gleich an Pellizzari drangeblieben bin, aber ich dachte, die anderen wollen den Etappensieg. Ich bin ein wenig enttäuscht, dass sie mir nicht geholfen haben. Ich glaube, sie hatten eigentlich nicht viel zu verlieren, aber so sind eben Radrennen“, fasste er gegenüber Eurosport zusammen.

Kein “Gnadenloser“ bei den Verfolgern

Seine Aktion hatte nicht gereicht, um Pellizzari einzuholen. Der kam 16 Sekunden vor Pidcock ins Ziel und feierte seinen ersten Sieg als Berufsradfahrer, nachdem es letztes Jahr beim Giro d’Italia schon einmal fast so weit gewesen war. Damals war Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) noch wenige Meter vor dem Ziel gnadenlos am Italiener vorbeigefahren.

Der durfte 16 Monate später endlich jubelnd über den Zielstrich fahren. “Es ist der beste Moment in meiner bisher kurzen Karriere. Heute hatte ich ein komisches Gefühl, ich dachte mir, dass es mein Tag werden könnte“, sagte der 21-Jährige im Ziel-Interview. Dabei sah der Plan für den Tag anders aus, denn eigentlich war die Taktik auf Hindley zugeschnitten. “Wir wollten heute fürs Podium fahren. Das hat nicht geklappt, aber der Kampf ist noch nicht vorbei. Wir sind im Tal Vollgas gefahren, um Pidcock müde zu machen“, berichtete Pellizzari

Hindley raubte Riccitello den Nerv

Hindley hat letztendlich als Dritter zwar inklusive Boni vier Sekunden auf Pidcock verloren, dafür hat er aber derer sechs auf Spitzenreiter Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) und sogar zwei mehr auf den Gesamtzweiten Joao Almeida (UAE – Emirates – XRG) gutgemacht. Außerdem hatte sich der Giro-Sieger 2022 auch für seinen Kollegen an der Spitze eingesetzt.

Giulio Pellizzari konnte im Ziel der 17. Vuelta-Etappe den bisher größten Erfolg seiner Karriere feiern. | Foto: Cor Vos

 

“Riccitello hat probiert, ihn zurückzuholen, aber Jai konnte immer auf ihn reagieren. Sie sind zu zweit sehr stark gefahren“, urteilte der Sportliche Leiter Patxi Vila im Gespräch mit Eurosport. Und tatsächlich war es mehrmals Hindley, der Pellizzari den Rücken und damit den Weg zum Etappensieg freihielt, als er Riccitello bei dessen Vorstößen immer direkt folgte und den dann im Wind verhungern ließ.

Und so wurde bei Red Bull mühelos von Plan A auf Plan B umgeschaltet – und das taktische Geschick wurde mit dem zweiten Tagessieg bei einer Grand Tour in diesem Jahr belohnt, nachdem schon Nico Denz’ Himmelfahrtskommando beim Giro zum emotionalen Triumph geworden war.

Mehr Informationen zu diesem Thema

29.10.2025Pidcock: “Ich war in der besten Form meines Lebens“

(rsn) – Fünf Siege feierte Tom Pidcock in seiner ersten Saison beim Schweizer Zweitdivisionär Q36.5 Pro Cycling Team. Zwar ging er bei WorldTour-Rennen leer aus, dennoch erklärte der Brite gegenÃ

18.09.2025Anti-Gewalt-Kommission fordert Strafen gegen Vuelta-Protestierer

(rsn) – Die Meinungen zu den pro-palästinensischen Protesten, bei denen gewalttätige Demonstranten den Abbruch der 80. Vuelta a Espana (2.UWT) erzwangen, gehen in Spanien nach wie vor weit ausein

16.09.2025UCI will in Ruanda Proteste wie bei der Vuelta verhindern

(rsn – Nach den Massenprotesten am letzten Tag der Vuelta a Espana, in deren Folge die 21. Etappe in Madrid nicht ausgetragen werden konnte, hat der Radsportweltverband UCI angekündigt, dass es in

15.09.2025UCI äußert “völlige Ablehnung und tiefe Besorgnis“ nach Vuelta-Chaos

(rsn) – Lange Zeit war während der Vuelta nichts von der UCI zu hören. Der Weltverband berief sich auf seine politische Neutralität und hielt sich raus, während bei einem der wichtigsten Wettbew

15.09.2025“Das war organisiertes Verbrechen“ - “Sie waren fast wie wilde Tiere“

(rsn) – Die Vuelta Espana 2025 wird als besonders in die Geschichte eingehen. Nicht unbedingt aufgrund der sportlichen Auffälligkeit, wenngleich Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) unter ande

15.09.2025Vuelta-Chef Guillén spricht von “absolut inakzeptablen“ Verhältnissen

(rsn) – Dass Sport und Politik selten harmonieren, ist keine neue Erkenntnis. In der Dimension der auftretenden Probleme hat die Vuelta a Espana aber zumindest in Radsport-Verhältnissen gemessen ne

15.09.2025Pidcock strahlt neben Vingegaard: Wo geht die Reise hin?

(rsn) – Thomas Pidcock (Q36.5 Pro Cycling Team) hat bei der 80. Ausgabe der Vuelta a España Geschichte geschrieben. Sein dritter Gesamtrang in Spanien bescherte zum zweiten Mal in diesem Jahrtausen

15.09.2025Vingegaard & Co. am Hotelparkplatz auf Kühlboxen geehrt

(rsn) - Die pro-palästinensischen Proteste, die am Sonntag für ein vorzeitiges Ende der Vuelta 2025 sorgten, hatten nicht nur die letzte Etappe auf dem Gewissen, sondern auch die offizielle Siegereh

15.09.2025Zwischen Stolz und Unvollendung: Vingegaards seltsamer Triumph

(rsn) – Jonas Vingegaard (Team Visma – Lease a Bike) hat die 80. Ausgabe der Vuelta a España und damit die dritte Grand Tour seiner Karriere gewonnen. Vor João Almeida (UAE - Emirates – XRG/+1

14.09.2025Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 21. Etappe

(rsn) - 184 Profis aus 23 Teams sind am 23. August in Turin in Norditalien zur 80. Vuelta a Espana (2.UWT) angetreten. 3151 Kilometer ist die Spanien-Rundfahrt in diesem Jahr lang, nicht weniger als

14.09.2025Madrids Bürgermeister übt scharfe Kritik nicht nur an Demonstranten

(rsn) – Madrids Bürgermeister José Luis Martinez-Almeida hat nach dem Abbruch der Schlussetappe der 80. Vuelta a Espana mit scharfer Kritik an den Demonstranten reagiert und auch Spaniens Minister

14.09.2025Vuelta-Schlussetappe wegen erneuter Proteste vorzeitig beendet

(rsn) - Von wegen Champagnerfahrt nach Madrid: Die 80. Vuelta a Espana ist 55 Kilometer früher als geplant beendet worden. Pro-palästinensische Demonstranten stoppten zunächst das Peloton noch auf

Weitere Radsportnachrichten

03.12.2025Gibt Nys 2026 sein Giro-Debüt?

(rsn) – Nach seinem Debüt bei der Tour de France 2025 wird Thibau Nys (Lidl – Trek) laut einer Meldung der italienischen Gazzetta dello Sport im kommenden Jahr auch erstmals am Start des Giro dâ€

03.12.2025RED-S-Syndrom stoppt Ewers‘ Profikarriere

(rsn) - Veronica Ewers hat sich mit ihrem Team EF Education – Oatly auf eine Vertragsauflösung geeinigt und wird im Alter von 31 Jahren ihre Profikarriere beenden. Wie das US-Team mitteilte, leide

03.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2025

(rsn) – Seit dem Jahr 2013 blicken wir am Ende der Straßenradsaison neben der Jahresrangliste der Männer auch auf das Jahr der Frauen mit entsprechendem RSN-Ranking zurück. Berücksichtigt werden

03.12.2025Neben dem Hauptberuf die belgische Szene aufgemischt

(rsn) – Nach sechs Jahren bei Maxx-Solar – Rose beziehungsweise dessen Vorgängerteams Gießen – Biehler und Maxx-Solar – Lindig hat sich Helena Bieber 2025 dem belgischen Club-Team Carbonbike

02.12.2025Trinca Colonel bleibt bei Liv - AlUla – Jayco

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

02.12.2025“Kaum Luft zum Ausruhen“: Eschborn-Frankfurt verschärft Profil

(rsn) – Ein neuer Anstieg, der gleich drei Mal bewältigt werden muss, und eine stark veränderte Taunus-Passage sollen den Profis das Leben bei Eschborn-Frankfurt (1.UWT) noch schwerer machen. Das

02.12.2025Tausch von Giro und Vuelta? RCS Sport lehnt Pogacars Idee ab

(rsn) – Giro-Veranstalter RCS Sport hält nichts von Tadej Pogacars jüngstem Vorschlag, die Termine von Italien- und Spanien-Rundfahrt zu tauschen. “Der Giro hat seinen traditionellen Termin, und

02.12.2025Kehren Strade und Sanremo in van Aerts Programm zurück?

(rsn) – Erstmals seit mehreren Jahren könnten die italienischen Klassiker Strade Bianche und Mailand-Sanremo wieder in Wout van Aerts Frühjahrsprogramm auftauchen. Der spektakuläre Rennen über d

02.12.2025Ganna bringt die Olympische Fackel nach Italien

(rsn) – Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) wird zu den Fackelträgern der Olympischen Winterspielen 2026 in Mailand-Cortina gehören. Der zweimalige Zeitfahrweltmeister wird gemeinsam mit der Tennissp

02.12.2025Extrem gut entwickelt und die Nische im Team gefunden

(rsn) – Wenige Monate vor seinem Profidebüt bei Bora – hansgrohe bestritt Ben Zwiehoff im Juli 2020 bei der polnischen Rundfahrt Dookola Mazowsza (2.2) sein erstes UCI-Rennen auf der Straße. F

02.12.2025Simon Yates würde gern Giro-Titelverteidigung in Angriff nehmen

(rsn) – Zwar steht auch bei Visma – Lease a Bike die Rollenverteilung für die drei großen Rundfahrten des kommenden Jahres noch nicht fest. Nach der Streckenpräsentation des Giro d’Italia 202

02.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)