RSNplusInterview mit dem Sportdirektor von Red Bull

Aldag: “Wir haben alles gemacht, um die Tour zu gewinnen“

Von Joachim Logisch

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Rolf Aldag (Red Bull - Bora - hansgrohe) | Foto: Cor Vos

04.07.2025  |  (rsn) - Red Bull – Bora – hansgrohe nimmt den zweiten Anlauf, um mit Primoz Roglic die Tour de France zu gewinnen. Darauf hat sich das einzige deutsche WorldTour-Team vorbereitet. 

Was die Raublinger im Vergleich zum letzten Jahr, als ihr Kapitän angeschlagen an den Start gegangen und schließlich vorzeitig ausgeschieden war, verändert haben und welche Rolle Florian Lipowitz spielen soll, erklärte Sportdirektor Rolf Aldag im Interview mit radsport-news.com.

Wie geht Red Bull - Bora - hansgrohe in die Tour?
Rolf Aldag: Vorbereitet, wie wenn wir sie gewinnen wollten. Wir sind optimal vorbereitet. Was dann aber herauskommt, werden wir sehen und mit dem Resultat leben müssen. Wir haben alles gemacht, um die Tour zu gewinnen. Wenn die Konsequenz ist, dass wir am Ende Dritter werden, dann konnten wir nicht besser.

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Dritter wäre aber auch gut....
Aldag: Ja, in der Tat. Man kann nicht wirklich sagen, dieser Platz ist gut und der ist schlecht. Es geht immer darum, wie kommt man zu diesem Platz, wenn am Ende drei, vier oder fünf besser waren? War keiner besser, war es ideal. Du kannst hinterher nur zurückblicken und dir dann hoffentlich nichts vorwerfen. Das ist unser Anspruch.

Hat das Team etwas anderes im Vergleich zum Vorjahr gemacht, als es nicht funktionierte?
Aldag: Wir haben aus dem letzten Jahr gelernt, machen nicht mehr alles als Gruppe, als Team. Wir gehen auch nicht ein bisschen mental angeschlagen in die Tour, oder müde von der Dauphiné.

Sie meinen Roglics schweren Sturz bei der letztjährigen Baskenland-Rundfahrt, als während der 4. Etappe unter anderen auch Jonas Vingegaard und Remco Evenepoel zu Fall kamen?
Aldag: Ja! Wir haben auch viel geändert, schauen in den individuellen Sportler. So trainiert Florian Lipowitz heute am Berg, andere sind bei ihren Familien. Sie sollen sich trotzdem physisch bestmöglich vorbereiten. Das ist der Weg, den wir probieren wollen.

Red Bull – Bora – hansgrohe bei der Teampräsentation der 112. Tour de France in Lille. | Foto: Cor Vos

Roglic ist jetzt auf der Stufe, auf der er sein soll?
Aldag: Davon gehen wir jetzt aus. Rein zahlentechnisch ist das immer das Problem, dass du nur weißt, was du selbst machst, weil beispielsweise Pogacar seine Training-Pixel nicht mit uns teilt, damit wir sehen können, wo er jetzt steht. Die Erwartung ist natürlich, dass jeder besser ist als vorher. Da können wir uns anschließen. Wir können sagen, dass wir bestmöglich vorbereitet sind. Wofür das reicht, weiß halt keiner.

Sie haben Roglics Leistungswerte aus dem letzten Jahr. Ist er da, wo er sein soll?
Aldag: Genau! Ja, absolut.

Roglic fällt relativ oft hin, auch wenn er nicht jedes Mals etwas dafür kann. Hat das Team eine Idee, wie man das verhindern und ihn besser schützen kann?
Aldag: Ich glaube, das gilt für alle. Wir können aber nicht die Glaskugel lesen und vorher erkennen, was passieren wird. Wir wissen aber, dass gerade diese Tour super stressig und hektisch sein wird. Das heißt, man muss jetzt nicht nur sehen, dass Primoz nicht hinfällt, sondern auch, dass Lipowitz nicht hinfällt und auch, dass Jordi (Meeus) nicht hinfällt, weil einige Etappenankünfte sehr extrem sind. Ich hoffe beispielsweise, dass sie im Finale der 2. Etappe noch mal etwas Asphalt hinkippen, damit die Straße etwas breiter wird.

Aber wie kann man Stürze verhindern?
Aldag: Man muss eine Risikoabwägung treffen. Uns fragen, fahren wir jetzt bewusst immer als erstes und investieren brutal viel oder hoffen wir, dass nichts passiert? Oder halten wir uns auch mal zurück, womit wir dann natürlich schon ein größeres Risiko nehmen, falls das Feld auseinanderreißt. Die ersten Etappen sind brutal intensiv.

Läuft es für Primoz Roglic diesmal besser als im vergangenen Jahr? | Foto: Cor Vos

Roglic will um den Toursieg fahren, hat aber mit Jordi Meeus einen Sprinter dabei, was inzwischen bei Teams, die um einen Grand-Tour-Gesamtsieg kämpfen, nicht mehr so häufig vorkommt...
Aldag (lacht): Das ist zuletzt 2025 beim Giro vorgekommen. Bei dem Visma – Lease a Bike, sehr erfolgreich sogar, als Olaf Kooij zwei Sprintankünfte gewann,Wout van Aert auf der Strade-Bianche-Etappe seine Freiheiten bekam und Simon Yates trotzdem die Rundfahrt gewann. Die Frage ist halt immer, wovon man ausgeht. Wir gehen nicht davon aus, dass wir das Rennen von Lille bis Paris kontrollieren müssen, vor allem nicht im Hochgebirge.

Florian Lipowitz ist zum ersten Mal dabei. Sein Saisonhöhepunkt war die Dauphiné, das heißt also, er fährt nicht auf Gesamtwertung. Soll er jetzt mal in die Tour reinschnuppern und Roglic unterstützen?
Aldag: Bei Lipowitz müssen wir sehen, wie es weitergeht. Ich würde ihn in keine Kategorie packen wollen. Er geht in seine erste Tour-Woche, wobei er ja schon eine Grand Tour gefahren ist und die auch nicht unerfolgreich (Platz sieben bei der Vuelta 2024, d. Red.). Es gibt jetzt sicherlich keinen Grund, Lipo in der ersten Woche im Flachen in den Sprintzug einzubauen. Er hat irgendwann mal gesagt, dass er in Paris ankommen will. Doch was braucht es, um in Paris anzukommen? Da braucht es halt schon sehr viel Fingerspitzengefühl, damit man nicht überinvestiert, nicht punktuell sagt: Okay, heute alles und morgen vielleicht nichts mehr.

Lipowitz startet also nicht als ausschließlicher Helfer?
Aldag: Ich glaube, unsere Formulierung war sehr bewusst gewählt, zu sagen, wir wollen ihn an der Seite von Primoz halten. Wenn du an der Seite vom Primoz in der Tour bist, bist du im Hochgebirge für gewöhnlich sehr weit vorne und kannst lernen und kannst dir das angucken. Wir haben nicht gesagt, dass er jeden Meter vor Roglic fahren muss. Und wir sehen ihn auch nicht nur an dessen Hinterrad. Ich glaube, dieses "an der Seite vom Primoz" beschreibt es einfach ganz gut, um zu sagen, wir machen die nächsten Schritte. Aber ich warne noch mal vor den ersten neun Etappen. Vielleicht haben einige Teams danach ganz andere Probleme.

Florian Lipowitz könnte bei seinem Tour-Debüt in die Jokerrolle schlüpfen | Foto: Cor Vos

Welche sind die Schlüsseletappen dieser Tour?
Aldag: Nach hinten raus ist es immer schwer, wir haben die 17. Etappe mit über 5000 Höhenmetern und einer Bergankunft. Wie immer wird sich am Ende der Tour die Spreu vom Weizen trennen. Es gibt heute viele Ernährungskonzepte. Aber irgendwann wird der eine oder andere Fahrer nichts mehr von dem verarbeiten können, was er zu sich nimmt. Dann fährt der eine dem anderen weg. Das werden die entscheidenden Etappen sein.

Pogacar kann wohl alles am besten verarbeiten, was ist mit Vingegaard?
Aldag: Mir ist der Fahrstil von Visma nicht ganz klar. Aber bei der Dauphiné haben sie schon punktuell Sachen ausprobiert und beispielsweise in der Abfahrt attackiert. Versuchen sie da vielleicht, Pogacar von seinen Berghelfern zu isolieren? Ich wäre gar nicht überrascht, wenn man das aus Visma-Sicht realisiert. Pogacar am Berg abzuhängen, ist schwer. Was wäre die Alternative? Ihn ständig unter Druck zu setzen? Falls ja, kann jede Etappe die entscheidende sein, durchaus auch schon die zweite.

Fragen wir mal von der anderen Seite her. Wenn Roglic um den Toursieg fährt, wer sind seine größten Konkurrenten?
Aldag: Vingegaard und Pogacar, das ist halt klar. Und Joao Almeida. Er ist jetzt drei volle Rundfahrten gefahren. Der wird als Helfer für Pogacar antreten. Letztes Jahr war er trotzdem Vierter. Und natürlich Remco Evenepoel. Letztes Jahr hat er uns ein bisschen in trügerischer Sicherheit wiegen lassen. Den Fehler machen wir nicht nochmal. Bei der Dauphiné hatte Primoz ihn komplett im Griff und wir dachten, das wird bei der Tour ja gar nichts. Am Ende war er sehr, sehr gut und ist sehr intelligent gefahren, weil er sich die Tour sehr gut eingeteilt hatte.

Gibt es noch mehr Anwärter?
Aldag: Top-Favoriten sind halt die, die sowieso schon immer auf dem Podium standen. Danach gibt es eine Grauzone. Kriegt Almeida trotzdem die Chance, weil man sagt, sie brauchen nicht alle Helfer auf und Almeida ist immer noch da und kann das Ding gemütlich nach Hause fahren, was jetzt nicht unbedingt so cool wäre. Nicht, weil ich es ihm nicht gönne, sondern weil es für eine extreme Dominanz von UAE sprechen würde. Wir wünschen es uns alle nicht, dass sie die Plätze 1 bis 3 unter sich ausmachen.

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