RSNplusProfis klagen, Publikum frohlockt

Montmartre wirklich einmalig? Prudhomme zieht Tourmalet-Vergleiche

Von Sebastian Lindner

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An den Hängen der Basilika Sacré-Cœur versammelten sich wie schon zu den Olympischen Spielen tausende Fans, um die letzte Etappe der Tour de France über die Butte Montmartre zu verfolgen. | Foto: Cor Vos

28.07.2025  |  (rsn) – Es sollte etwas Besonderes werden. Immerhin gab es ja auch einen runden Geburtstag zu feiern. Vor 50 Jahren endete die Tour de France erstmals in Paris auf den Champs-Élysées, Ex-Telekom-Teamchef Walter Godefroot war seinerzeit der Premierensieger. Zum Jubiläum sollte alles anderes werden. Die wohlbekannte Runde durch Paris, in der Regel sieben Mal zu fahren, wurde erweitert, in den letzten drei Umläufen musste der Butte Montmartre erklommen werden. Sprintfinale adé!

Offensichtlich geriet bei den Planungen dabei in Vergessenheit, dass es aber schon 2024 keinen Sprint Royale auf dem Pariser Prachtboulevard gab und durch das Zeitfahren in Nizza ebenfalls schon andere Fahrergattungen in den Vordergrund gestellt wurden. Nicht, dass es darum geht, dass der letzte Tag zwingend den Sprintern zu gehören hätte, weil das ja schon immer so war. ___STEADY_PAYWALL___

Doch vielleicht täte sich die ASO auch einen Gefallen, künftig wieder ein wenig mehr das Ohr an der Basis zu haben, in dem Fall an den Profis, die das Rennen dann auch absolvieren müssen. Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step), der das Finale nach seinem frühzeitigen Aussstieg aus der Tour gar nicht mehr miterlebte, hatte schon kurz nach Bekanntwerden der Streckenänderung Kritik geübt, obwohl gerade er als Bezwinger des Pariser Hausbergs bei den Olympischen Spielen von Paris eigentlich gute Erinnerungen daran haben müsste. "Man sollte es nicht zu komplex machen und einfach auf der lokalen Runde bleiben. Ich denke, dass es in der ersten Tour-Woche genug Kampf um die Positionierungen geben wird. Die Aufnahme der Überquerung des Montmartre würde bedeuten, dass wir das Gleiche am letzten Tag nochmals tun müssten. Bis dahin werden aber alle sehr müde sein“, hatte er gesagt.

Profis beklagen sich, können Stürze aber vermeiden

Und dabei wusste er noch gar nichts von dem Regen, der Paris zum Tag des Tour-Finals nach etlichen Jahren Sonnenscheins ereilte – weil jede Serie irgendwann reißt. Der Regen macht nicht nur das Pflaster im Anstieg rutschig, sondern auch die Abfahrt mit reichlich Kurven und Straßenmarkierungen unglaublich glatt. Dort einen herausgefahrenen Vorsprung zu halten oder einen rauszufahren, war wenn überhaupt nur mit reichlich Risiko möglich.

"Ich hätte mich beinahe umgebracht“, sagte etwa Warren Barguil (Picnic – PostNL) über die Verhältnisse unterwegs. “Der Regen hat es ziemlich schwierig gemacht. Ich habe es aber geschafft, auf Rad zu bleiben“, erklärte auch Tagessieger Wout van Aert (Visma – Lease a Bike). Einer der begnadetsten Abfahrer im Peloton, Matej Mohoric (Bahrain Victorious), wählte diese Worte am Eurosport-Mikrofon: “Ich habe gehofft, dass ich am Anstieg mitfahren und in der Abfahrt alles geben kann, weil es mir heute egal gewesen wäre, ob ich ins Krankenhaus fahre oder zum Abendessen.“ Wenn die Profis so etwas für sich selbst einpreisen, um erfolgreich zu sein, ist das eine Sache. Dass es der Veranstalter tut, eine ganz andere.

Dass aber Niederschlag keinesfalls ausgeschlossen ist, hätte allen Verantwortlichen klar sein müssen. Mit der Zeitnahme für das Gesamtklassement vor den drei Montmartre-Runden sorgte die ASO dann doch noch dafür, dass es kein absolutes Chaos gab und das Tour-Finale so nur im Regen unterging, nicht aber auch in einer Katastrophe. Dennoch war es auch eine Art Eingeständnis dafür, dass es die Streckenänderung vielleicht nicht zwingend gebraucht hätte. Zwar gab es am Schlusstag – zumindest keine von TV-Kameras aufgezeichneten – Stürze, auch nicht im gefährlichen Finale. Das kann aber auch darauf zurückzuführen sein, dass sich ein Großteil des Pelotons ohnehin frühzeitig aus dem Kampf um den Tagessieg verabschiedete.

Ackermann: "Für die Zuschauer war es geil"

Das zog letztlich auch nach sich, dass mehr als 15 Minuten zwischen den Siegerposen Van Aerts und dem letzten Profi, der die Ziellinie überquerte, Thibau Nys (Lidl – Trek), vergingen. Im Vergleich zum Zeitfahren des Vorjahres ist das zwar nichts, doch für den Kollektivgedanken ist das nicht optimal. Und vor allem ist es zuschauerunfreundlich, zumal es im Extremfall auch dazu hätte führen können, dass sich Podiumsprozeduren verzögern.

Dabei geht es bei der Hinzunahme von Montmartre in erster Linie um die Zuschauer und die Vermarktung. “Ich glaube für die Zuschauer, war es ganz geil, aber für die Fahrer gerade, wenn es regnet, macht das keinen Spaß“, sagte so etwa Pascal Ackermann (Israel – PremierTech) in der ARD nach der Etappe. Letztlich gab das Tour-Direktor Christian Prudhomme aber auch schon umunwunden zu, als er die Integration von Montmartre präsentierte: “Das wird das Prestige der Tour in der ganzen Welt erhöhen. Es ermöglicht dem Radsport, seine Legende weiter auszubauen“, hatte er im Mai gesagt. “Sie wird dafür sorgen, dass die glorreiche Ungewissheit des Sports zurückkehrt.“

Die Fans nahmen das Spektakel ohne Frage an. Abertausende säumten die Straßen der Pariser Innenstadt, vor allem im Anstieg. Die Hänge vor der Basilika Sacré-Cœur glichen einem Stadion. Nur der “verrückte Traum“, den Prudhomme hatte, der ließ sich nicht verwirklichen. Er hatte die Hoffnung, dass Bernard Hinault nicht mehr der einzige Profi sein würde, der auf den Champs-Élysées im Gelben Trikot siegte. 1979 war das gewesen. Gemeinsam mit Joop Zoetemelk, letztlich Zweiter der Rundfahrt, hatte er sich mehr als zwei Minuten Vorsprung auf die von Dietrich Thurau angeführten Sprinter herausgefahren. Diesbezüglich enttäuschte Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG), auch wenn er es zumindest versucht hatte, den Tour-Chef und die ganze Welt glücklich zu machen.

Prudhomme vergleicht Montmarte mit dem Tourmalet und den Pyrenäen

Spektakel am Hügel: Tadej Pogacar (UAE - Emirates - XRG) fährt an der Basilika Sache-Coeur vorbei. | Foto: Cor Vos

Generell ist Prudhomme für seinen Fortschrittsgedanken bekannt. Unter seiner Ägide führte die Tour Etappen mit Gravelsektoren ein, auch Kopfsteinpflaster wurde wieder salonfähig. Auch das dient in erster Linie dem Spektakel, wenngleich gerne auch angeführt wird, dass ein Tour-Sieger vielseitig und in allen Künsten des Radsports abliefern kann. Als Prudhomme im Mai die neue Strecke mit Montmartre vorstellte, verglich er sich auch in gewisser Weise mit dem Gründer der Tour de France. “Als Henri Desgrange 1910 zum ersten Mal den Tourmalet und die Pyrenäen in die Strecke einbezog, waren auch nicht alle begeistert. Jetzt sind sie Teil der Legende. An diese Legende müssen wir anknüpfen.“

Worte, die nicht so klingen, als sei Montmartre tatsächlich nur eine einmalige Angelegenheit gewesen. Das Publikum wird dem beipflichten. Ob sich die Sportler auch überzeugen lassen? Ungewiss. Aber es wird auch wieder große Tour-Finals geben, an denen es nicht regnet.

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