RSNplusAls Überraschungsgast in Modena

Auch ohne Soudal-Sieg: Radsport-Rentner Lefevere gefällt der Giro

Von Tom Mustroph aus Modena

Foto zu dem Text "Auch ohne Soudal-Sieg: Radsport-Rentner Lefevere gefällt der Giro"
Patrick Lefevere | Foto: Cor Vos

22.05.2025  |  (rsn) - Radsport-Rentner Patrick Lefevere machte dem 108. Giro d’Italia seine Aufwartung – und sparte nicht mit scharfzüngigen Meinungsäußerungen und berührenden Erinnerungen. Der Belgier hat seinen Haushalt geordnet. Bei Team Soudal – Quick-Step hat er Jurgen Foré als seinen Nachfolger installiert.

Ganz vom Radsport lassen kann der schlohweiße Leitwolf des einst dominierenden Klassikerteams aber nicht. Beim Giro d’Italia kreuzte er als Besucher auf. “Hey, was willst du von mir? Ich bin längst pensioniert“, rief Lefevere RSN zu, war dann aber doch zu einem Gespräch aus der Perspektive eines elder statesman bereit.

“Der Giro war schön bisher, er hat mir gefallen. Klar, wir hatten Pech, mit Landa, der früh ausschied. Aber vielleicht kann heute Paul Magnier im Sprint etwas holen“, meinte der langjährige Chef von Soudal – Quick-Step. Der junge Franzose wurde am Ende der 12. Etappe Achter, womit Soudal immer noch auf einen Sieg beim Giro wartet.

___STEADY_PAYWALL___

Die Lust an starken Meinungsäußerungen hat den mittlerweile 70-Jährigen aber nicht verlassen. “Das einzige, was mich bisher störte, war die Gravel-Etappe. Ich bin immer noch gegen Schotterstraßen bei den Grand Tours. Man kann genau hier den Giro verlieren“, spielte er auf Sturz, Defekt und Zeitverlust von Red-Bull-Kapitän Primoz Roglic an. “Ich habe mit den Leuten vom Giro gesprochen, aber wir leben in einer Demokratie. Wer das Geld hat, kann die Show kaufen“, meinte Lefevere sarkastisch.

In Modena startete die 12. Etappe des 108. Giro d‘Italia. | Foto: Cor Vos

Den Giro verfolgt er natürlich, auch von zu Hause. “Ich esse und trinke und schaue mir Rennen im Fernsehen an“, beschrieb er lachend seinen neuen Alltag. Die Konstellation für UAE mit zwei potenziellen Siegern kennt Lefevere aus eigener Erfahrung. “Ich hatte einige Jahre lang das beste Klassikerteam der Welt. Da habe ich gemerkt: Ganz oft macht der Parcours die Taktik. Er sorgt auch für eine natürliche Selektion. Du hast nicht alles in deiner Hand. So kann man auf die natürliche Entscheidung warten“, riet er der Konkurrenz vom Pogacar-Team.

Prinzipiell findet Lefevere solche Luxussituationen alles andere als schädlich. “Es ist immer besser, zwei oder mehr Leute für einen Sieg im Kader zu haben. Es kann so viel schief gehen, ein schwacher Moment, ein Sturz. Und dann übernimmt der andere“, meinte er. Lefevere erinnerte auch an die Vuelta 2023, als Jumbo – Visma mit gleich drei Mann vorn war. “Klar, einer war nicht sonderlich glücklich“, spielte er erneut auf Roglic an, der damals seinen vierten Vuelta-Sieg klarmachen wollte, aber vom Team gebremst wurde zugunsten des Überraschungssiegers Sepp Kuss.

“Manchmal musst du jemanden opfern“

Aus eigener Erfahrung weiß Lefevere, wie hart es ist, Fahrern aus Gründen der Teamtaktik nicht den Freifahrtschein zu geben. “Mit einem starken Team gewinnst du mehr als andere. Aber manchmal musst du jemanden auch opfern. Und wenn du dann jemandem sagst: ‘Heute wirst du nicht gewinnen‘, und danach kommt der Fahrer nicht einmal mehr in die Reichweite eines Siegs, dann ist das hart.“

Die Konstellation bei UAE mit Isaac del Toro (li.) und Juan Ayuso auf den Gesamtplätzen eins und zwei sieht Patrick Lefevere eher als Chance denn als Problem. | Foto: Cor Vos

Die derzeitige Entwicklung des Radsports sieht Lefevere eher kritisch. Vor allem die großen Veranstalter machte er als Hindernis aus. “Die ASO blockiert, die UCI blockiert, RCS will nur die Eintagesrennen einbringen“, beschrieb er den aktuellen Stand beim mit saudischem Geld finanzierten One Cycling-Projekt. Aber auch bei One Cycling selbst sieht er Korrekturbedarf. “Ich war bei den ersten Treffen dabei. Aber sie machen immer die gleichen Fehler. Sie sollten sich mit den vier größten Teams treffen, mit denen die Entscheidungen treffen und die anderen ziehen dann schon nach. Wenn du aber 20 Leute am Tisch hast, hast du 20 verschiedene Meinungen und Ratschläge. Das kostet einfach viel zu viel Zeit.“

Auch von den bisher bekannt gewordenen Strukturen von One Cycling zeigte sich der große alte Mann des Straßenradsports nicht komplett überzeugt: “Die Saudis nehmen viel Geld in die Hand. Für die Teams sind aber nur jeweils eine Million Euro pro Jahr vorgesehen. Eine Million haben oder nicht haben ist schon relevant. Aber es ist weiterhin nur kleines Geld. Man muss mehr mit den Teams teilen. Denn das Geld, das zu den Teams kommt, landet am Ende wieder bei den Fahrern.“

RSN wollte dann noch wissen, was für Lefevere die drei schönsten, die drei am meisten mit Emotionen aufgeladenen Siege in seiner Zeit als Manager waren. “Puh, was für eine gemeine Frage“, meinte er. “Wir haben inzwischen ja fast tausend Siege geholt. Meiner Rechnung nach fehlen nur noch drei. Hoffentlich machen wir das Tausend dann bei der Tour voll“, lautete sein Jubiläumswunsch.

Bei der Tour de France 2021 feierte Mark Cavendish im damaligen Deceuninck-Trikot gleich vier Etappensiege. An das grandiose Comeback des Briten denkt Lefevere heute noch gerne zurück. | Foto: Cor Vos

Aber dann nannte er doch drei Schlüsselereignisse. An erster Stelle steht für Lefevere der Dreifach-Sieg bei Paris – Roubaix 1996, damals als Mapei-Team, mit dem großen Johan Musseeuw vor den Italienern Gianluca Bortolami und Andrea Tafi. “Dann kommt sicherlich der emotionale WM-Sieg von Julian Alaphilippe hier in Italien“, ging Lefeveres Reise in die Vergangenheit weiter. Der ereignete sich 2020 in Imola, keine 100 Kilometer entfernt übrigens vom Etappenstartort Modena, an dem Lefevere am Donnerstag auftauchte.

Cavendishs vier Tour-Etappensiege: “Einfach wundervoll“

“Und dann ist da natürlich die Rückkehr von Cav (Mark Cavendish), als er gleich vier Etappen bei der Tour gewann. Niemals habe ich so viele erwachsene Männer weinen sehen wie damals. Es war einfach wundervoll. Niemand wollte ihn zur Tour mitnehmen. Ich aber sagte, ich bin der Boss. Ich übernahm auch die Verantwortung dafür, wenn er nach zwei Tagen aussteigen sollte. Dann gewann er aber vier Etappen. Und wenn er nicht den Kettenschaden auf den Champs Elysees gehabt hätte, wer weiß, vielleicht wären es fünf geworden“, sprudelte es aus Lefevere heraus.

Er habe so viel erlebt, er könne ein Buch darüber schreiben, sagte er noch. Macht er das auch? “Nein, nein. Ich würde zu viele Leute aufregen, denn ich kann meine Meinung ja nicht zurückhalten“, sagte er lachend. Das ist schon schade. Ein paar hübsche Kontroversen könnte der moderne Radsport durchaus vertragen. “Ach, lest einfach meine Kolumnen“, empfahl er dann noch.

Neben Radsport im Fernsehen schauen, Essen und Trinken und Ehrengast bei vielen Rennen zu sein ist das die Hauptbeschäftigung des wohl agilsten Radsport-Rentners.

Mehr Informationen zu diesem Thema

20.06.2025Beim Giro Carapaz geholfen: UCI ermittelt gegen De Bondt

(rsn) – Der Radsportweltverband UCI hat gegen Dries De Bondt (Decathlon – AG2R La Mondiale) eine Untersuchung wegen eines möglichen Regelverstoßes eingeleitet. Die UCI bezieht sich dabei auf die

04.06.2025Kanter: “Das war mein bisher erfolgreichster Giro“

(rsn) – Nach seinem vierten Giro d’Italia gönnte sich Max Kanter noch einen Tag “Sightseeing“ in der “Ewigen Stadt“. Am Sonntag hatte der XDS-Astana-Sprinter in Rom auf der abschließende

03.06.2025Gee: “Toll, dass es noch viel Verbesserungspotential gibt“

(rsn) – Zwei Jahre nachdem er als Ausreißerkönig mit vier zweiten Etappenplätzen zum Shootingstar des Giro d´Italia 2023 geworden ist, hat Derek Gee (Israel – Premier Tech) bei seiner zweiten

03.06.2025Groves in Philipsens Leadout zur Tour de France?

(rsn) – Ein Etappensieg sowie zwei zweite und zwei fünfte Plätze: Die Ausbeute von Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck) in den Massensprints des Giro d´Italia hätte natürlich noch besser sein

02.06.2025EF trauert dem entgangenen Maglia Rosa nicht hinterher

(rsn) – Zwei Etappensiege und ein dritter Platz in der Gesamtwertung: Der Giro d’Italia 2025 dürfte als eine der erfolgreichsten Grand Tours in die Geschichte von EF Education – EasyPost eingeh

02.06.2025Giro-Debütant van Aert mit Trofeo Bonacossa ausgezeichnet

(rsn) - Wout van Aert (Visma – Lease a Bike) kann auf ein erfolgreiches Giro-Debüt zurückblicken. Nicht nur gewann der Belgier die Schotter-Etappe nach Siena und komplettierte damit seine Sammlung

02.06.2025Reef: “Wir haben in den letzten Wochen alles perfekt umgesetzt“

(rsn) – Der achte Gesamtsieg bei einer Grand Tour kam für Visma – Lease a Bike eher unerwartet. Zwar hatte Simon Yates bereits im Jahr 2018 die Vuelta a Espana für sich entscheiden können, dana

02.06.2025Das große Ziel verfehlt, Denz und Pellizzari retteten die Bilanz

(rsn) – Heinrich Haussler sprach von einer "emotionalen Achterbahnfahrt“. Der Sportliche Leiter von Red Bull – Bora – hansgrohe sprach im Ziel der 18. Etappe des Giro d’Italia über den Tage

02.06.2025Hollmann nach Giro-Sturz zum zweiten Mal operiert

(rsn) – Juri Hollmann ist seit seinem Ausscheiden auf der 6. Etappe des Giro d´Italia in Neapel bereits zwei Mal operiert worden. Das teilte sein Team Alpecin – Deceuninck mit und gab ein Update

01.06.2025Adam Yates zwischen den Stühlen – und doch zufrieden

(rsn) – Allzu oft kam es noch nicht vor, dass Simon und Adam Yates in ihren Karrieren, die sich näher an der Zielgeraden als an Kilometer 0 befinden, in Grand Tours gegeneinander antreten mussten.

01.06.2025Krieger kommt als Giro-Letzter in Rom an

(rsn) – Die Gemeinsamkeit zwischen Alexander Krieger (Tudor) und Giovanni Pinarello ist nicht unbedingt offensichtlich, aber es gibt sie. Den Sprintanfahrer und den Begründer der italienischen Edel

01.06.2025Yates: “Es ist noch nicht ganz bei mir angekommen“

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike) hat seinem Team einen perfekten Abschluss des 108. Giro d´Italia beschert. Der Niederländer setzte sich auf der 21. Etappe nach 143 weitgehend ruhig ge

Weitere Radsportnachrichten

26.07.2025UCI bestraft eigenen Fahrzeugführer mit Gelber Karte

(rsn) – Was an Spannung um den Tour-Sieg in den vergangenen Wochen etwas fehlte, ersetzten die Organisatoren der Tour de France (2.UWT) mehr oder weniger unfreiwillig. Jedem Zuschauer dürfte noch

26.07.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

26.07.2025Müssen Pogacar, Lipowitz und Co. den Montmartre fürchten?

(rsn) - Die Anfahrt auf die Schlussrunden über den Champs Elysees waren bei der Tour de France der versöhnliche Abschluss eines über drei Wochen bitterhart ausgefochten Kampfes um das Gelbe Trikot!

26.07.2025Reusser raus, Lippert gestürzt: Tour für Movistar fast schon gelaufen

(rsn) - Viel schlechter hätte die 1. Etappe der Tour de France Femmes für das Team Movistar kaum laufen können. Zuerst wird schon vor dem Start bekannt, dass die Kapitänin Marlen Reusser sich ein

26.07.2025Montmartre statt Sprintboulevard

(rsn) – Nach 20 harten Tagen bricht die Tour de France auf ihrer letzten Etappe mit einer langen Tradition. Zum 50-jährigen Jubiläum der Zieleinfahrt auf der Champs-Élysées führt die 132 Kilome

26.07.2025Jegat nutzt vorletzte Chance für den Sprung in die Top 10 der Tour

Was vorgestern noch mit Ben O’Connors (Jayco - AlUla) großem Triumph am Col de la Loze nach einer sehr versöhnlichen Tour de France aussah, bekam auf der 20. Etappe einen bitteren Beigeschmack. De

26.07.2025Vos gewinnt Auftakt der Tour de France Femmes im Bergaufsprint

(rsn) – Marianne Vos (Visma – Lease a Bike) hat den Auftakt der 4. Tour de France Femmes (2.WWT) in einem Zweiersprint für sich entschieden. Im Stile einer wahren Finisseurin ließ sie dabei auf

26.07.2025Strong sprintet in Wallonien am Hügel allen davon

(rsn) – Corbin Strong (Israel – Premier Tech) hat den Auftakt zur 46. Tour de Wallonie gewonnen (2.Pro). Der Neuseeländer war nach 182 Kilometern rund um Nassogne im Hügelsprint der mit Abstand

26.07.2025Kaden Groves: Regenkönig und Montmartre-Vorbeuger

(rsn) - Wer braucht einen Wetterfrosch, wenn er Kaden Groves kennt? Gewinnt der Australier, muss es geregnet haben. So war es auf der 6. Etappe des Giro d’Italia in diesem Jahr, als Groves im extre

26.07.2025Van den Broek: “‘Glückwunsch, hier verschenkst du die Etappe‘“

(rsn) – Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck) hat die 20. Etappe der Tour de France 2025 gewonnen und damit sein Grand-Tour-Triple komplettiert. Er löste sich aus der Spitzengruppe, die mit noch 16

26.07.2025Sprinter Groves feiert Solo-Sieg in Pontarlier

(rsn) – Der Sprinter Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck) hat seinen Mitstreitern in der Ausreißergruppe ein Schnippchen geschlagen und die 20. Etappe der Tour de France von Nantua nach Pontarlie

26.07.2025Zwei Millionen Euro Ablöse für Evenepoel? Nächstes Kapitel im Wechselpoker

(rsn) – Ob Remco Evenepoel diesen Winter von Soudal – Quick-Step zu Red Bull - Bora – hansgrohe wechseln wird, beschäftigt seit Wochen die Gemüter. Verschiedene Journalisten melden verschieden

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de France (2.UWT, FRA)
  • Radrennen Männer

  • Puchar MON (1.2, POL)
  • Grand Prix de Pérenchies (1.2, FRA)
  • Vuelta a Castilla y Leon (1.1, ESP)
  • Ethias-Tour de Wallonie (2.Pro, BEL)
  • Radrennen Frauen

  • Kriterium Gießen (BLF, GER)