Die Sprinter der 111. Tour de France

Verteidigt Philipsen als erster Fahrer seit Sagan das Grüne Trikot?

Von Kevin Kempf

Foto zu dem Text "Verteidigt Philipsen als erster Fahrer seit Sagan das Grüne Trikot?"
Kann Jasper Philipsen (Alpecin - Deceuninck) bei der Tour de France sein Grünes Trikot verteidigen? | Foto: Cor Vos

28.06.2024  |  (rsn) – Seit Rekordmann Peter Sagan 2019 sein siebtes und letztes Grünes Trikot mit nach Hause nahm, konnte kein Fahrer bei der Frankreich-Rundfahrt den Sieg in der Punktewertung wiederholen. Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) allerdings könnte dieses Kunststück bei der am 29. Juni in Florenz beginnenden 111. Tour de France gelingen.

Obwohl der Grand Départ in Italien über anspruchsvolles Terrain führt und nach der 16. Etappe kein Massenspurt mehr zu erwarten ist, bleiben für die Männer mit den schnellen Beinen genügend Chancen, um sich zu profilieren. Genau genommen derer sieben: Auf den Etappen 3, 5, 6, 10, 12, 13 und 16 ist jeweils mit einem Sprint Royal zu rechnen.

Philipsen setzte sich letztes Jahr mit 119 Punkten Vorsprung auf Mads Pedersen (Lidl – Trek) durch und ist auch diesmal der Favorit. Der Belgier ist neben Tour-Debütant Arnaud De Lie (Lotto – Dstny) nicht nur der endschnellste Profi im Feld, er ist außerdem erfahren im Kampf um Grün, solide am Berg und wie sein Landsmann potenziell stark auf der Schotteretappe von Troyes. Bei bisher sechs Grand-Tour-Starts kam Philipsen nur zweimal nicht ins Ziel. Insgesamt feierte er neun Etappensiege bei der Tour (sechs) und der Vuelta a Espana (drei).

Von solchen Zahlen kann der 22-jährige De Lie zwar nur träumen, allerdings verfügt der Grand-Tour-Debütant über ähnliche Stärken wie der vier Jahre ältere Philipsen. Seine Saison lief lange nicht nach Plan, bei einem “Scheißrennen“ machte er wohl vor allem seiner Frustration über mangelnde Form, deren Ursache vermutlich ein Zecken biss war, lautstark Luft. Nach der frühzeitig beendeten Klassikerkampagne hat De Lie inzwischen immerhin vier Saisonsiege auf dem Konto, bei der Belgischen Meisterschaft holte er zuletzt vor Philipsen sogar den Titel. Ein fünfter Saisonsieg ist ihm bei der Tour zuzutrauen, aber im Kampf um Grün sollten andere die Nase vorn haben.

Die hügelfesten Sprinter:

An erster Stelle zu nennen wäre da Pedersen, der nicht nur Vorjahreszweiter in der Punktewertung wurde, sondern diese bei der Spanien-Rundfahrt 2022 auch überlegen gewann. Über die 119 Punkte Vorsprung von Philipsen bei der Tour 2023 kann der Däne nur müde lächeln, denn er hatte in Spanien mehr als doppelt so viele Zähler wie sein erster Verfolger und verwies Fred Wright (Bahrain Victorious) mit 223 Punkten Vorsprung auf den zweiten Rang.

Auch bei der Grande Boucle wird der 28-Jährige im Ziel und bei den Zwischensprints voll reinhalten, doch ihm fehlt es wie Pedersen vermutlich an Endgeschwindigkeit, um den beiden Belgiern gefährlich werden zu können – zumal die potenziellen Sprintetappen so gestaltet sind, dass der hügelfeste Pedersen seine Konkurrenten kaum wird abschütteln können.

Noch deutlich besser als der Weltmeister von Harrogate 2019 klettert Wout van Aert (Visma – Lease a Bike). Der Belgier kam 2022 im Grünen Trikot in Paris an, damals – man ahnt es bereits – mit einem riesigen Vorsprung. 194 Punkte mehr als Philipsen hatte der Visma-Profi auf dem Konto; dabei gewann van Aert drei Etappen, eine mit einer Soloattacke im Finale, eine im Hügelsprint und eine im Zeitfahren. Ein Jahr zuvor hatte er bereits eine Etappe, auf der der Mont Ventoux zweimal überquert wurde, und den Sprint Royal auf den Champs Élysées für sich entschieden. Kurz: Van Aert kann potenziell jede Etappe der Tour de France gewinnen.

Topfavorit ist er aber wohl auf keiner, zumal die Form nach seinem schweren Sturz bei Dwars door Vlaanderen (1.UWT) vermutlich noch nicht ideal ist. Ob der 29-jährige Belgier, dem es im Vergleich mit seinen beiden Landsleuten an Endgeschwindigkeit fehlen dürfte, überhaupt in die Sprints reinhalten darf, bleibt abzuwarten. 2023 etwa stellte er sich in den Dienst seines Kapitäns Jonas Vingegaard.

Die weiteren Kandidaten:

Ebenfalls als hügelfest, aber deutlich weniger aussichtsreich im Kampf um Grün sind Biniam Girmay (Intermarché – Wanty) und Michael Matthews (Jayco – AlUla) einzuschätzen. In der Vergangenheit haben sich beide ebenfalls am Kampf um die Punktewertung beteiligt, diesmal dürften sie eher auf Etappenjagd gehen. Vor allem der 33-jährige Matthews verfügt nicht mehr über die Endschnelligkeit früherer Zeiten.

Eine Option für die Punktewertung ist auch Tadej Pogacar (UAE Emirates). Der Slowene ist alles andere als ein Sprinter und hat auch kein Interesse am Grünen Trikot. Quasi unbeabsichtigt landete Pogacar allerdings bei vier seiner sechs Grand-Tour-Teilnahmen allerdings unter den besten Fünf der Punktewertung. Das könnte ihm auch nun wieder gelingen, viel weiter nach vorn sollte es aber nicht gehen.

Die zahlreichen Flachetappen locken diesmal viele Sprinter an, die mit anspruchsvollen Hügeln eher auf Kriegsfuß stehen. Zu nennen sind da in erster Linie Fabio Jakobsen (dsm-firmenich - PostNL), Dylan Groenewegen (Jayco – AlUla), Sam Bennett (Decathlon – AG2R – La Mondiale), Fernando Gaviria (Movistar) und Gerben Thijssen (Intermarché – Wanty). 

Gleiches gilt für Mark Cavendish (Astana Qazaqstan), der 2011 und 2021 in Grün in Paris einfuhr und nun mit einem 35. Etappensieg nur zu gern Eddy Merckx hinter sich lassen würde. Dafür hat der mittlerweile 39-jährige seine Karriere um eine weitere Saison verlängert, doch scheint diese Mission trotz zwei Siegen bei kleineren Rundfahrten fast unerreichbar. Immer, wenn es gegen erstklassige Konkurrenz ging, zog Cavendish den Kürzeren, oft kam er gar nicht zum Zug und überquerte den Zielstrich in der Anonymität des Feldes.

Die Deutschen:

Auch Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) gehört zu jenen Sprintern, die Hügel lieber meiden. Doch der Kölner zeigte zuletzt mit seinem Etappensieg bei der Slowenien-Rundfahrt (2.Pro), dass er sich bergauf verbessert hat. Den Giro d’Italia verließ Bauhaus nach 13 Etappen und obwohl es dort nicht zu einem Tageserfolg gereicht hat, hat er mit mehreren Top-Platzierungen bewiesen, dass er sich vor den ganz Großen nicht verstecken muss. Dass er sie auch schlagen kann, zeigte der 29-Jährige beim ersten seiner beiden Saisonsiege, als er bei Tirreno-Adriatico (2.UWT) Jonathan Milan (Lidl – Trek) hinter sich ließ.

Auf einen vergleichbaren Erfolg wartet Pascal Ackermann (Israel – Premier Tech) schon seit geraumer Zeit. Der einstige deutsche Vorzeigesprinter ist inzwischen in die zweite Reihe zurückgefallen und gibt im Alter von 30 Jahren endlich sein Debüt bei der Frankreich-Rundfahrt. Seinen letzten Sieg feierte Ackermann fast genau vor einem Jahr bei der Österreich-Rundfahrt (2.1), sechs Wochen zuvor hatte er mit einem Etappenerfolg beim Giro d’Italia noch mal an frühere Glanzzeiten erinnert. 

Abschreiben sollte man Ackermann bei seiner fünften Grand Tour also nicht – und wenn er tatsächlich einen Tagesabschnitt gewinnen sollte, steigt er in den illustren Club jener Fahrer auf, die bei allen drei großen Landesrundfahrten Tagessiege feiern konnten.

Die Sterne für das Grüne Trikot:

***** Jasper Philipsen
**** Mads Pedersen, Arnaud De Lie
*** Wout van Aert, Biniam Girmay, Tadej Pogacar
** Sam Bennett, Alexander Kristoff, Phil Bauhaus, Dylan Groenewegen,
* Fabio Jakobsen, Gerben Thijssen, Mark Cavendish, Bryan Coquard, Pascal Ackermann

Mehr Informationen zu diesem Thema

24.07.2024Geschke würde “gerne nochmal zur WM fahren“

(rsn) – Simon Geschke hat seine letzte Tour de France beendet. Bei zwölf Teilnahmen gelang ihm 2015 in Pra-Loup einer seiner drei Profisiege der Karriere, die zum im Oktober ihr Ende finden wird. V

24.07.2024Wirbelfraktur bei Roglic

(rsn) – Die 12. Etappe der Tour de France 2024 wird Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) noch länger in Erinnerung bleiben. Nicht nur, dass sein Sturz weniger Kilometer vor dem Ziel in V

23.07.2024Nach Tour-Aus noch Fragezeichen hinter Roglics Vuelta-Start

(rsn) – Nachdem er die Tour de France in Folge von zwei Stürzen binnen 24 Stunden vorzeitig verlassen musste, befindet sich Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) noch in der Erholungsphas

23.07.2024Tour-Dritter Evenepoel: “Noch etwas größer als der Vuelta-Sieg“

(rsn) – Nach seinem erfolgreichen Tour-de-France-Debüt blickt Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) zuversichtlich nach vorn. “Ich denke, dieser Podestplatz bedeutet für meine Zukunftspläne,

22.07.2024Titelverteidiger bezwungen, zwei Topteams gehen leer aus

(rsn) – In Nizza endete am Sonntag die 111. Austragung der Tour de France. Das Rennen rund um Frankreich, welches heuer erstmals in Italien begann, sorgte für viel Action, Dramatik, Freude und Trä

22.07.2024Pogacar: “Superdumm, etwas zu nehmen, was Dich gefährdet“

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat nicht nur den Giro d’Italia, sondern auch die Tour de France fast nach Belieben dominiert. Der Slowene gewann beide Rundfahrten dank jeweils sechs Et

22.07.2024Pogacar und UAE auch im Preisgeld-Ranking der Tour Nummer 1

(rsn) – UAE Team Emirates hat bei der 111. Tour de France dank Tadej Pogacar auch beim Preisgeld groß abgesahnt. Dagegen ist das deutsche Team Red Bull – Bora – hansgrohe das Schlusslicht des

22.07.2024Pogacar kehrt auf den Thron zurück, Girmay Afrikas Radsportheld

(rsn) – Drei Wochen Tour de France sind am Sonntagabend in Nizza zu Ende gegangen. Erstmals fand das Finale des größten Radrennens der Welt nicht in der französischen Hauptstadt Paris statt, son

21.07.2024Auch ohne Etappensieg eine Tour-Bilanz mit Erfolgen

(rsn) – Acht deutsche Fahrer starteten vor drei Wochen in Florenz in die 111. Tour de France und sieben davon erreichten das Ziel in Nizza. Zwar müssen die deutschen Fans weiter auf den ersten Eta

21.07.2024Tadej, der Gnadenlose: Pogacar unterwirft sich die Tour

(rsn) - Die Geschichte kennt Iwan, den Schrecklichen, Vlad, den Pfähler und Eddy, den Kannibalen. Mit ersterem ist nicht der frühere Giro-Sieger Ivan Basso gemeint, sondern der grausame Zar, der sei

21.07.2024Vingegaard: “Unter normalen Umständen wäre ich enttäuscht“

(rsn) - Mit seinem sechsten Etappensieg vollendete Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) nicht nur das Double aus Giro d´Italia und der Tour de France, sondern stellte auch seine Anzahl an Tageserfolgen

21.07.2024Pogacar macht mit Zeitfahr-Triumph das Giro-Tour-Double klar

(rsn) –Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat nach 2020 und 2021 zum dritten Mal die Tour de France gewonnen. Im Abschlusszeitfahren über 33,7 Kilometer von Monaco nach Nizza holte sich der Slowene

Weitere Radsportnachrichten

22.10.2024Zigart wechselt von Liv AlUla zu AG Insurance - Soudal

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

22.10.2024Corratec - Vini Fantini hat keine Chance auf Giro-Wildcard

(rsn) – Corratec - Vini Fantini hat keine Chance auf eine Teilnahme am Giro d´Italia 2025. In der aktuellen UCI-Team-Weltrangliste wird der italienische Zweitdivisionär nur auf Rang 41 geführt. N

22.10.2024Schnapka: “Sind sportlich wieder da, wo unser Anspruch liegt“

(rsn) – Bike Aid gehört auch international zu den dominierenden Kontinental-Mannschaften und war in der abgelaufenen Saison das im UCI-Ranking bestplatzierte deutsche Team. Im Interview mit RSN bl

21.10.2024Pogacar: “Grand-Tour-Triple ist machbar“

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) blickt auf eine denkwürdige Saison zurück. Der 26-jährige Slowene gewann als erster Fahrer seit Marco Pantani 1998 – Pogacars Geburtsjahr – die Gesam

21.10.2024Im Überblick: Die Transfers der Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.c

21.10.2024An der Sprachbarriere gescheitert: Cavagna verlässt Movistar

(rsn) - Trotz eines noch bis Ende 2026 gültigen Vertrags wird Rémi Cavagna das spanische Movistar-Team bereits zum Saisonende verlassen. Dies bestätigte der 29-jährige Franzose in einem Interview

21.10.2024Red Bull: Neues U23-Team mit elf Rookies und Konti-Lizenz

(rsn) – Angeführt von Juniorenweltmeister Lorenzo Finn und dem letztjährigen Silbermedaillengewinner Paul Fietzke wird das U23 Development Team von Red Bull – Bora – hansgrohe seine erste Sais

21.10.2024Aleotti nutzte zum Saisonfinale seine Chance in Guangxi

(rsn) – Ohne einen Etappensieg, aber mit einer Spitzenplatzierung im Gesamtklassement kehrt Red Bull – Bora – hansgrohe vom letzten WorldTour-Rennen der Saison zurück. Giovanni Aleotti beendete

21.10.2024Das Power-Ranking der deutschen KT-Teams 2024

(rsn) – Gleich neun deutsche Kontinental-Mannschaften starteten in die Saison 2024. RSN blickt auf das Jahr der Drittdivisionäre zurück und hat anhand der Ergebnisse auf nationaler und internation

21.10.2024Auch ohne P&S Metalltechnik: Wackernagel kann für 2025 planen

(rsn) - Nach dem Rückzug des bisherigen Hauptsponsors P&S Metalltechnik stand das gleichnamige deutsche Kontinental-Team kurzzeitig auf der Kippe. Nun ist klar: Der Fortbestand des von Lars Wackernag

20.10.2024Kluge/Teutenberg stürmen im Madison zum WM-Titel

(rsn) – Routinier Roger Kluge und Youngster Tim Torn Teutenberg haben zum Abschluss der Bahn-Weltmeisterschaften von Kopenhagen sensationell die Goldmedaille im Madison gewonnen und dem Bund Deutsch

20.10.2024Wyseure wird in Ruddervoorde vor Glück fast schwarz vor Augen

(rsn) - Joran Wyseure (Crelan – Corendon) hat in Ruddervoorde überraschend den Auftakt zur Superprestige-Serie gewonnen. Der 23-jährige Belgier konnte bis dato nur einen Sieg in Bad Salzdetfurth

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine