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03.01.2024 | (rsn) – Schon 2022 hat Ricarda Bauernfeind mit einigen sehr starken Auftritten im Development-Team Canyon – SRAM Generation Aufsehen erregt. Sie wurde Dritte der Ruta del Sol, Fünfte der Lotto Thüringen Ladies Tour sowie Dritte der Pyrenäen-Rundfahrt und sorgte für einen Paukenschlag, als sie bei den Deutschen Zeitfahrmeisterschaften die U23-Kategorie gewann und mit ihrer Zeit auch den Titel in der Elite vor Lisa Brennauer gewonnen hätte, wäre sie da genannt gewesen. Doch den großen Durchbruch feierte die Eichstätterin nun 2023.
"Es war mehr, als ich mir jemals erträumt hätte", blickte Bauernfeind nun im Gespräch mit radsport-news.com auf ihre Saison zurück. "Es ist so viel passiert! Damit hätte ich nie gerechnet und damit hätte glaube ich auch niemand anderes gerechnet. Klar wusste man, dass ich letztes Jahr teilweise gute Ergebnisse hatte. Aber das waren halt noch keine WorldTour-Rennen und man musste erstmal schauen, wie ich damit jetzt klarkomme und wie meine Entwicklung weitergeht. Ich denke: Sie ist gut weitergegangen", sagte sie und lachte beim letzten Gedanken.
Das Highlight war zweifelsfrei der Etappensieg bei der Tour de France Femmes als Solistin in Albi. Doch schon knapp drei Monate zuvor durfte man über Bauernfeind staunen. Denn bei der Vuelta Femenina Anfang Mai fuhr die 23-jährige Studentin des Berufsschul-Lehramts für Sport und Ernährungs- und Hauswirtschaft mit der Weltspitze mit. ___STEADY_PAYWALL___
Sie wurde in Spanien Fünfte in der Gesamtwertung, musste sich bei der ersten Bergankunft nur Demi Vollering (SD Worx) und Annemiek van Vleuten (Movistar) geschlagen geben und bei der zweiten Bergankunft an den berüchtigten Lagos de Covadonga zusätzlich nur noch Gaia Realini (Lidl - Trek) und Évita Muzic (FDJ - Suez).
Ihre Leistung in Spanien machte deutlich: Bauernfeind gehört am Berg nun zu den Allerbesten. Doch sie selbst war sich da noch nicht ganz sicher: "Ich bin generell ein Mensch, der gern viel zweifelt. Deshalb: Bei der Vuelta habe ich gesehen, dass ich vorne mitfahren kann und wo ich hin will, aber gleichzeitig auch, dass die Anderen schon auch nochmal eine Spur besser sind."
Sie kann es kaum glauben: Ricarda Bauernfeind hält sich im Etappenziel der Tour in Albi die Hand vor den Mund. | Foto: Cor Vos
Trotzdem war für Kenner der Szene da klar: Diese Frau kann auch bei der Tour de France Femmes Ende Juli in die Top 10 fahren – was mit Gesamtrang neun schließlich auch gelang, gekrönt durch besagten Etappenerfolg in Albi, als Bauernfeind am Ende eines sehr schweren Tages auf hügeligem Terrain im Solo zum Sieg fuhr.
"Der Tag hat damit angefangen, dass ich meiner Mama auf WhatsApp geschrieben habe, dass ich so kaputt bin vom langen Tag vorher und schon deutlich spüre, dass jetzt Tag 5 ist und sie nicht enttäuscht sein sollen, wenn ich ganz hinten und abgehängt ins Ziel komme. Meine Eltern waren ja vor Ort dabei auf jeder Etappe", erinnerte sich Bauernfeind nun zum Jahresausklang.
"Ich wäre selbst nie auf die Idee gekommen, dort zu attackieren, weil ich an dem Punkt schon echt kaputt war. Die Etappe wurde so hart gefahren und ich hätte nie dran geglaubt – und das habe ich auch bis zum Schluss nicht. Aber das Team stand so hinter mir und ich habe einfach gemacht, was sie gesagt haben", so Bauernfeind, die 36 Kilometer vor Etappenende der Konkurrenz davongestiefelt war, weil ihr Sportlicher Leiter Magnus Backstedt im Auto den Befehl dazu erteilt hatte.
Noch viel einprägsamer als die eigenen Gefühle über den großen Sieg waren für sie rückblickend aber all die Eindrücke außen herum – und auch das Feedback danach. "Nachher die Stimmung im Team und in die Gesichter von allen zu schauen und das alles – das war so schön! Wenn ich das Video aus dem Teamwagen von meinem Teamchef und meinem Trainer anschaue, bekomme ich immer noch Gänsehaut. Das sind die Momente, die einen so glücklich machen", erzählte Bauernfeind. "Wenn mir jetzt Leute erzählen, wo sie die Etappe gesehen und wie sie es erlebt haben und so weiter - für diese Momente lohnt es sich, so hart zu kämpfen!"
Insgesamt fuhr Bauernfeind 2023 ein konstant starkes Jahr. Obwohl ihr plötzliche Tempoverschärfungen und Rhythmuswechsel – also das Fahren an kurzen Anstiegen – nicht wirklich entgegenkommen, erzielte sie bei ihren ersten WorldTour-Rennen Strade Bianche (16.), Trofeo Binda (14.), Amstel Gold Race (21.), Fleche Wallonne (13.) und Lüttich-Bastogne-Lüttich (21.) bereits gute Ergebnisse.
Dann kam die überragende Vuelta und anschließend ging es als Mitfavoritin zur Lotto Thüringen Ladies Tour. Dort aber musste Bauernfeind wegen eines Magen-Darm-Infekts nach der 2. Etappe aussteigen und es folgte ein verkorkster Juni. Denn als das Team Canyon – SRAM in Frankreich die Strecken der Tour de France besichtigte, verletzte sich die Deutsche am Knie: "Ich habe mich morgens beim Frühstück ganz dumm an der Ecke eines Tischbeins gestoßen", erzählte sie.
Bei der DM in Bad Dürrheim kämpfte Bauernfeind noch mit ihrem Knie. | Foto: Cor Vos
Die Folgen dieses Fauxpas' beschäftigten Bauernfeind den gesamten restlichen Monat: Sie stieg mit Knieschmerzen aus der Tour de Suisse aus und war sich bis zum Schluss auch nicht sicher, ob sie die Deutschen Meisterschaften bestreiten würde. Platz 5 im Zeitfahren und Platz 4 im Straßenrennen von Bad Dürrheim sprangen dort heraus. "Für mich war es ein Erfolg, dass ich überhaupt starten konnte", so Bauernfeind.
Dann aber erholte sie sich gut und die Tour war Ende Juli der Beweis, dass von ihrer Form nicht allzu viel verloren gegangen war. Es folgten die Weltmeisterschaften in Glasgow, wo Bauernfeind mit der deutschen Mixed Staffel zu Bronze fuhr. Anschließend belegte die 23-Jährige Platz sieben bei der WorldTour-Rundfahrt Tour of Scandinavia und Rang sechs bei der Tour de Romandie, dem letzten WorldTour-Rennen in Europa.
Was dabei auffiel: Nachdem Bauernfeind 2022 mit ihrem bärenstarken Zeitfahren bei den Deutschen Meisterschaften für Furore gesorgt hatte, sprangen abgesehen von der WM-Staffel 2023 keine Sensationsergebnisse auf dem Zeitfahrrad mehr heraus. Drei Einzelzeitfahren bestritt sie, allerdings störte dabei zweimal das Knie im Juni bei der Tour de Suisse und der DM. Und beim dritten Kampf gegen die Uhr in Skandinavien spielte der topfebene Parcours ihr nicht in die Karten.
"Ich bin dort meine besten 20-Minuten-Werte überhaupt auf dem Zeitfahrrad gefahren, aber ich bin einfach nicht vorangekommen. Da bin ich auch ins Grübeln gekommen – vielleicht hat auch die Position noch nicht gepasst", erklärte Bauernfeind. Kleine Veränderungen sind nun im Winter vorgenommen worden. "Mal gucken, was im nächsten Jahr jetzt geht."
Das Zeitfahren könnte auch mit Blick auf einen möglichen Start bei den Olympischen Spielen im Sommer eine wichtige Rolle spielen. Denn natürlich hat auch Bauernfeind Paris 2024 im Hinterkopf. Angesichts des kleinen Teams mit nur drei deutschen Starterinnen im Straßenrennen will sie allerdings nicht zu viel erwarten. "Man muss schauen, wie sich die Mannschaft dann zusammenstellt und was der Bundestrainer für eine Idee hat. Ich werde schauen, dass ich so gut es geht Ergebnisse abliefere, aber ich will mich auch nicht zu sehr reinsteigern, weil es auch die Tour noch als Highlight gibt", erklärte sie.
Bei der WM in Glasgow fuhr Bauernfeind (rechts) mit der Mixed Staffel zu Bronze. | Foto: Cor Vos
Die Tour de France und auch die Vuelta im Mai sind erneut die großen Ziele in ihrer Saisonplanung. Und gerade in Spanien hofft sie, den fünften Gesamtrang von 2023 bestätigten zu können. Bei der Tour, die diesmal erst Mitte August nach Olympia stattfindet, dürfte wieder die Polin Kasia Niewiadoma die Kapitänsrolle bekommen – und das ist für Bauernfeind auch gar kein Problem, ganz im Gegenteil.
"Da bin ich froh drum! Es war das Beste, was hätte passieren können in diesem Jahr auch bei dem Etappensieg. Ich wusste in dem Moment: Ich habe nichts zu verlieren. Auch wenn ich eingeholt und abgehängt werde, ist es egal, denn unsere Leaderin ist sie", so die zurückhaltende Bayerin, die 2023 durch ihre konstant starken Leistungen zwar Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein gesammelt hat, dennoch bescheiden bleibt: "Ich glaube ich werde niemals in ein Rennen gehen und morgens sagen: Heute fühle ich mich gut, heute will ich Teamkapitänin sein. Das wird es, glaube ich, niemals so geben", meinte sie.
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