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20.09.2023 | (rsn) – Mit einem vollgepackten Tag beginnen die Straßen-Europameisterschaften in der niederländischen Provinz Drenthe: Am Mittwoch stehen gleich sechs Wettkämpfe auf dem Programm, nämlich die Einzelzeitfahren aller Alterskategorien, beginnend mit den Juniorinnen um 9:00 Uhr über die Junioren um 10:25 Uhr, die U23-Frauen um 12:00 Uhr und die U23-Männer um 13:05 Uhr bis hin zu den live im Fernsehen zu verfolgenden Rennen der Elite-Frauen (ab 14:30 Uhr) und Elite-Männer (ab 16:15 Uhr).
Ausgetragen werden die Zeitfahren auf einem tellerflachen Rundkurs mit Start und Ziel am Safari-Zoo von Emmen, genannt "Wildlands". Von dort geht es für die vier Nachwuchsklassen auf eine 20,6 Kilometer lange Runde im Westen der 100.000-Einwohner-Stadt. Die Elite-Klassen fahren dieselbe Runde, machen zwischendrin aber noch einen kleinen Abstecher zu einem Wendepunkt, der ihr Rennen auf 29,5 Kilometer verlängert.
Für alle sechs Kategorien gilt jedoch: Gebremst werden muss selten. Vier 90-Grad-Kurven sowie bei der Elite eben jener 180-Grad-Wendepunkt auf der N381 sind die einzigen wirklichen Richtungswechsel. Hinzu kommen ein paar Kreisverkehre, aber nichts, was großartige technische Fähigkeiten fordert. Eine Rolle könnte allerdings der Wind spielen, der am Dienstag sehr stark durch die Region blies, am Mittwoch aber etwas abnehmen soll.
Nachdem im vergangenen Jahr Justyna Czapla für den Bund Deutscher Radfahrer das Juniorinnen-Zeitfahren gewonnen hat, die Bayerin aber inzwischen zur U23 gehört, und dasselbe auch für den Rest des Vorjahrespodiums gilt, gibt es in Emmen eine klare Top-Favoritin: die Italienerin Federica Venturelli. Sie war schon 2022 in ihrem ersten Juniorinnen-Jahr Vierte und wurde bei der Juniorinnen-WM in Glasgow im August Dritte. Dort gewann die Australierin Felicity Wilson-Haffenden, die bei der EM aber natürlich fehlt. Und auch die Einzige, die Venturelli in Europa sonst gefährlich wurde in den vergangenen Monaten, die Britin Izzy Sharp, steht in Drenthe nicht auf der Startliste.
Zu den schärfsten Herausfordererinnen gehört daher neben der Irin Lucy Benezet Minns die Deutsche Hannah Kunz vom VfR Baumholder. Hochmotiviert dürften aber auch die niederländischen Lokalmatadorinnen Fee Knaven, Tochter von Servais Knaven, und Zoe van Velzen sein - und Österreich hat mit der WM-Elften Tabea Huys ebenfalls eine Medaillenkandidatin am Start. Stark einzuschätzen sind außerdem die Belgierin Luca Vierstraete und die Dänin Alberte Greve. Außerdem könnte die Schwedin Stina Kagevi überraschen, die für die nächsten zwei Jahre bereits einen Profi-Vertrag bei Coop - Hitec Products in der Tasche hat.
*** Venturelli
** Benezet Minns / Kunz
* Knaven / Huys / van Velzen
Sehr gute Medaillenchancen gibt es für das deutsche Team bei den männlichen Junioren. Dort nämlich gilt der WM-Dritte Louis Leidert als einer der Top-Favoriten. Wie bei den Juniorinnen fehlt der australische Weltmeister Oscar Chamberlain bei der EM genau wie der britische Vize-Weltmeister Ben Wiggins, so dass Leidert mit Startnummer 1 sogar als letztes von der Startrampe rollt. Und auch der Junioren-Vize-Weltmeister im Straßenrennen, Paul Fietzke, hat im Zeitfahren Medaillenchancen. "Im Zeitfahren erhoffen wir uns einiges", sagte Bundestrainer Wolfgang Ruser vor dem EM-Start.
Allerdings wird das mit dem Edelmetall für den BDR alles andere als ein Selbstläufer, denn die Konkurrenz ist stark und eng beisammen. Der Italiener Luca Giaimi, der Belgier Sente Sentjens und vor allem auch der Norweger Jörgen Nordhagen waren in diesem Jahr alle bereits in Zeitfahren schneller als Leidert und Fietzke. Außerdem werden der Belgier Duarte Marivoet vom deutschen Team Auto Eder und der Ire Adam Rafferty hoch gehandelt.
Spannend wird, wie sich der Straßen-Weltmeister Albert Withen Philipsen aus Dänemark schlägt. Der 17-Jährige rollt früh von der Rampe, weil er in Zeitfahren bislang kaum am Start stand, und dürfte eine erste Richtzeit vorlegen.
*** Leidert
** Nordhagen / Giaimi
** Sentjens / Marivoet / Rafferty
Wie bei den Juniorinnen, so gibt es auch bei den U23-Frauen auf dem Papier eine Top-Favoritin – und das ist die Weltmeisterin aus Deutschland, Antonia Niedermaier. Allerdings bekommt es die 20-Jährige im Gegensatz zur WM von Glasgow mit einer extrem starken Kontrahentin zu tun, die seit einigen Wochen ihre Teamkollegin bei Canyon – SRAM ist: Zoe Bäckstedt. Die 18-jährige Britin, im vergangenen Jahr bei den Juniorinnen Weltmeisterin im Cross, auf der Bahn, auf der Straße und im Zeitfahren, dürfte sogar noch höher einzuschätzen sein, als die Deutsche. Immerhin war sie vor zwei Wochen Dritte im im Kampf gegen die Uhr der Simac Ladies Tour und wurde dort nur von Lotte Kopecky und Riejanne Markus geschlagen.
Interessant ist, dass sowohl Bäckstedt als auch Niedermaier nicht zum Schluss starten, sondern sich mitten im Starterinnenfeld befinden: Sie gehen als 17. (Bäckstedt) und 18. (Niedermaier) der 35 U23-Fahrerinnen auf die Strecke.
Zu den Herausfordererinnen der Beiden gehören vor allem die Französin Cedrine Kerbaol und die Belgierin Julie De Wilde, da viele andere starke U23-Fahrerinnen nicht in Drenthe dabei sind oder wie Shirin van Anrooij später in der Elite-Kategorie starten. Um die Medaillen kämpfen könnten daher beispielsweise auch die Polin Dominika Wlodarczyk, die Schweizerin Noemi Rüegg, Maud Rijnbeek und Ilse Pluimers aus den Niederlanden oder die zweite deutsche Starterin Linda Riedmann.
*** Bäckstedt
** Niedermaier / Kerbaol
** De Wilde / Rijnbeek / Riedmann
Das erste EM-Rennen, bei dem sich das deutsche Team keine Medaille ausrechnet, ist das Zeitfahren der U23-Männer. Tobias Buck-Gramcko und Tim Torn Teutenberg stehen am Start, doch gerade letzterer hat wohl eher das Straßenrennen am Freitag bereits im Kopf. "Ein Top-Ten-Ergebnis wäre für uns schon ganz gut, damit wäre ich zufrieden", sagte Bundestrainer Ralf Grabsch radsport-news.com mit Blick aufs Zeitfahren.
Die Favoriten aber sind ganz klar andere – allen voran der Belgier Alec Segaert vom Team Lotto – Dstny. Bei der WM in Glasgow musste er sich dem Italiener Lorenzo Milesi geschlagen geben, der fehlt nun in Drenthe allerdings. So ist der Titelverteidiger, Segaert gewann vor einem Jahr in Portugal bereits Gold, auch diesmal der Mann, den es zu besiegen gilt.
Herausgefordert wird er unter anderem vom Iren Darren Rafferty und dem Spanier Raul Garcia Pierna oder dem Franzosen Eddy Le Huitouze sowies dem Schweden Jakob Söderqvist oder dem Dänen Carl-Frederik Bévort. Eine frühe Bestzeit dürfte der Däne Gustav Wang setzen - und vielleicht hat die auch sehr lange Bestand.
*** Segaert
** Garcia Pierna / Rafferty
* Le Huitouze / Bévort / Wang
Mit nur 30 Fahrerinnen ist das Einzelzeitfahren der Frauen das mit dem kleinsten Starterfeld – und gleich als erstes rollt eine Deutsche von der Rampe. Die nationale Vizemeisterin Katharina Fox eröffnet die Elite-EM und man darf gespannt sein, wie sich die 27-Jährige schlägt beziehungsweise, was ihre Zeit später wert ist. Der völlig flache Parcours ist nicht ganz ideal für sie, aber da es ihr Debüt bei einer internationalen Meisterschaft ist, wird Fox hochmotiviert und bestens vorbereitet sein. Als 17. Starterin rollt später auch Lisa Klein von der Startrampe, die Deutsche Meisterin Mieke Kröger, für die der Kurs optimal wäre, ist nicht dabei. Sie fährt am Mittwoch nur die Staffel. Insgesamt darf man von Fox und Klein keine absolute Spitzenplatzierung erwarten – ein Top-10-Ergebnis sollte zufriedenstellen.
Die große Top-Favoritin auf den Titelgewinn ist Marlen Reusser. Sie will zum dritten Mal in Folge Europameisterin werden. Nach ihrer Aufgabe im WM-Zeitfahren schwebt aber ein kleines Fragezeichen über der Schweizerin, die auch vor der EM betonte, dass sie in erster Linie den Spaß an dieser Disziplin wiederfinden müsse.
Auch wenn Reusser daher auf dem Papier die klare Favoritin ist, so könnte es doch spannend werden: Die Niederländerin Riejanne Markus und die Belgierin Lotte Kopecky bewiesen vor zwei Wochen im Zeitfahren der Simac Ladies Tour Top-Form und dürften sehr nah an Reusser dran sein. Für Edelmetall kommen, sollte eine der drei Genannten schwächeln, aber auch die Österreicherinnen Anna Kiesenhofer und Christina Schweinberger, die Britin Anna Henderson oder die Niederländerin Shirin van Anrooij, die Französin Juliette Labous und die Italienerin Vittoria Guazzini in Frage.
*** Reusser
** Kopecky / Markus
* Schweinberger / Henderson / van Anrooij
Wie bei den Frauen, so sollte man auch bei den Männern keine Spitzenplatzierung vom deutschen Duo erwarten: Max Walscheid und Miguel Heidemann sind beide keine Medaillenkandidaten in Drenthe. Bundestrainer André Greipel will aber auch nicht zu arg tiefstapeln: "Max hat bewiesen, dass er sehr gute Leistungen auf solchen Distanzen abrufen kann", sagte er und glaubt, "dass auch Miguel Heidemann als Deutscher Vizemeister das Vertrauen nicht enttäuschen wird." Dennoch: Mit einer Top-Ten-Platzierung im 32-köpfigen Starterfeld muss man wohl zufrieden sein.
Die Favoriten sind andere, wobei ein klarer Top-Favorit wohl nicht besteht: Nach dem Titelgewinn von Stefan Bissegger im Vorjahr in München gehört er genau wie Landsmann Stefan Küng auch auf dem flachen Kurs von Drenthe zum engsten Kreis. Angeführt wird die Favoritenliste aber trotzdem vom WM-Dritten Joshua Tarling (Großbritannien) und Wout van Aert (Belgien).
Medaillenkandidaten sind außerdem der zuletzt in der Slowakei bärenstarke Remi Cavagna (Frankreich), der mehrfache U23-Zeitfahrweltmeister Mikkel Bjerg aus Dänemark, der Portugiese Nelson Oliveira und auch der Belgier Yves Lampaert sowie der Italiener Mattia Cattaneo und der Franzose Bruno Armirail. Nicht unbedingt für eine Spitzenplatzierung, aber aufgrund seiner Karriere beachten sollte man außerdem den Polen Maciej Bodnar, der noch keinen Vertrag für 2024 hat. Für den 38-Jährigen könnte das EM-Zeitfahren die Abschiedsgala werden.
*** Tarling
** Van Aert / Küng
** Bissegger / Cavagna / Bjerg
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