Ausreißer Kretschy WM-Sechster

Laurance fährt mit Sternchen vor Augen zum U23-Titel

Von Sebastian Lindner

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Axel Laurance feiert seinen WM-Sieg. | Foto: Cor Vos

12.08.2023  |  (rsn) – Aus der Ausreißergruppe auf den WM-Thron: Axel Laurance ist neuer U23-Weltmeister im Straßenrennen. Der 22-Jährige Franzose, der seit dieser Saison im Development-Team von Alpecin - Deceuninck beschäftigt ist, setzte damit aber nicht die eigentliche Idee um, sondern nur Plan B. Am Ende wird es ihm egal sein. Nach 168 Kilometern vom Südufer des Loch Lomond bis nach Glasgow und sieben Runden auf dem kurvigen und rutschigen Stadtkurs rettete er 20 Meter auf seine ärgsten Verfolger.

Antonio Morgado (Portugal) sprintete hinter ihm aus einer vierköpfigen Gruppe heraus zu Silber, Bronze holte der Slowake Martin Svrcek. Moritz Kretschy verlor an der steilen Montrose Street anderthalb Kilometer vor dem Ende den Anschluss und wurde hinter Jack Rootkin-Gray (Großbritannien) und U23-Zeitfahr-Weltmeister Lorenzo Milesi (Italien) starker Sechster.

Der Sachse gehörte wie Rootkin-Gray, Milesi und Laurance zu einer Ausreißergruppe, die sich nach gut 20 Kilometern vom Feld abgesetzt hatte. Mehr als drei Minuten konnten sie sich aber nicht lösen, zwischenzeitlich waren nur noch 30 Sekunden auf die Hauptgruppe um Top-Favorit Thibau Nys (Belgien) und die anderen beiden Deutschen Henri Uhlig und Tim Torn Teutenberg übrig, die letztlich 14. und 17. wurden. Diese Phase, als der Abstand so klein war, hatten Morgado und Svrcek genutzt, um zur Spitze aufzuschließen. Die größere Frische gab für sie dann den Ausschlag im Sprint.

“Es war nicht der Plan, so früh in die Gruppe zu gehen, aber durch den Regen war das Rennen so nervös und jede Kurve war schwer. Darum bin ich den Ausreißern gefolgt“, schilderte der neue Weltmeister. “Und es war vielleicht sogar besser, unser eigenes Tempo zu fahren. Dann musste ich lange warten, denn es war noch sehr weit. Wir hatten die meiste Zeit nur 40 oder 50 Sekunden, mehr zu bekommen war unmöglich. Trotzdem konnte ich Kraft sparen.“

Das galt allerdings nicht für die Phase, in der Laurance technische Probleme hatte und nicht mehr schalten konnte. Bis er ein neues Rad bekam, vergingen mehrere Kilometer. Nur mithilfe von Landsmann Antoine Huby, der ebenfalls in der Gruppe war, kam er wieder zurück. In der Folge blieb die Situation lange konstant. Nur noch zwei Runden waren zu fahren, als Laurance dann kurz nach der Zieldurchfahrt in die Offensive ging, während sich aus dem Feld eine weitere Gruppe näherte. Das war 28 Kilometer vor dem Ziel. “Letztendlich wollte ich nicht, dass die vier oder fünf Fahrer von hinten wieder rankommen. Darum habe ich es versucht. Ich wusste, dass so etwas auf diesem Parcours möglich ist.“

Auch Laurance konnte sich nie mehr als 20 Sekunden von seinen Verfolgern absetzen. “Ich habe dann erst auf den letzten 500 Metern an den Sieg geglaubt. Ich war komplett im Tunnel. Ich dachte an nichts. In der letzten Runde habe ich nur noch Sternchen gesehen. Ich kann es einfach nicht glauben.“

So lief das WM-Straßenrennen der U23-Männer:

Bei Regen machten sich 177 Fahrer auf den Weg Richtung Glasgow. Die ersten Exoten waren früh abgehängt. Auch mehrere Defekte und Stürze prägten den Beginn. Nach knapp 20 Kilometern bildete sich die Gruppe des Tages, organisiert vom U23-Zeitfahr-Weltmeister Milesi. Auch einer der Mitfavoriten auf den Titel, Laurance, war dabei. Zu den acht Fahrern gehörte ebenfalls Kretschy aus dem BDR-Team.

Ohne einen Belgier oder Niederländer in der Spitze setzte sich die Gruppe auf bis zu drei Minuten ab. Erst dann bemühte sich die Mannschaft von Nys um die Nachführarbeit. Die Niederländer hielten sich weiter zurück, hatten aber zumindest einen Mann in der Verfolgergruppe.

Bei der Auffahrt auf den Rundkurs war es um die Verfolger geschehen, für die Spitze blieb eine knappe Minute übrig. Der Regen hörte zu diesem Zeitpunkt auf, die Straßen waren aber immer noch nass. Und so kam es zu weiteren Stürzen. Zudem zog das Tempo im Feld an, nachdem die Niederländer doch die Arbeit übernahmen. Als Kapitän Casper van Uden dann aber zum zweiten Mal stürzte, war es mit dem Engagement wieder vorbei.

Nachdem der Regen auf der dritten Runde erneut eingesetzt hatte, setzte sich das Crash-Festival fort. 65 Kilometer vor dem Ziel hatte Ivan Romeo (Spanien) jedoch als Solist zur Spitzengruppe aufgeschlossen. Kurz darauf setzte sich bei der U23 fort, was die Elite vorgemacht hatte. Die Favoriten testeten sich gegenseitig. Nys selbst zog das Tempo an. Es bildete sich ein Quartett, Pavel Bittner (Tschechien), Logan Currie (Neuseeland) und Pierre Gautherat (Frankreich) gesellten sich zu ihm. Doch etwa 48 Kilometer vor dem Ziel war der Ausflug wieder beendet.

Das Profil des U23-Straßenrennens. | Foto: Veranstalter

Etwas später tat sich etwas in der Spitze. Jack Rootkin-Gray attackierte, Kretschy war direkt bei ihm und auch Laurance und Milesi fuhren wieder nach vorne. Dahinter flog die Hauptgruppe weiter auseinander. 30 Kilometer vor dem Ziel waren bloß noch rund 20 Fahrer beieinander. Uhlig und Teutenberg waren dort die letzten verbliebenen Deutschen.

Zwei Runden vor dem Ende jagten Antonio Morgado (Portugal), Ivan Romeo (Spanien), Trym Brennesaeter (Norwegen) und Martin Svrcek (Slowakei) dem Spitzenquartett hinterher. Zehn Sekunden Rückstand waren es auf dem Zielstrich. Ein paar Kurven später attackierte Laurance und setzte sich ab.

20 Kilometer vor dem Ziel hat Laurance 20 Sekunden vor den ersten Verfolgern, zu denen jetzt auch Morgado und Svrcek gehörten. Das Feld um Nys, Uhlig, Teutenberg und Co. war da bereits anderthalb Minuten zurück.

Auf der vorletzten Passage der Montrose Street verlor Kretschy ein paar Meter auf die Gruppe, fuhr die Lücke bis zum Zielstrich aber wieder zu. Laurance nahm 25 Sekunden mit auf die letzte Runde. Und das sollte reichen. Der Bretone war immer wieder in Sichtweite seiner Jäger, doch die konnten die Lücke einfach nicht schließen. Im Sprint der Verfolger hatten die beiden Frischen die besten Beine. Morgado fuhr zu Silber, Svrcek holte Bronze.

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