RSNplusWie fahren die Großen Drei?

Die taktische Ausgangslage vor der Flandern-Rundfahrt

Von Kevin Kempf

Foto zu dem Text "Die taktische Ausgangslage vor der Flandern-Rundfahrt"
Die Großen Drei bei der E3 Classic. | Foto: Cor Vos

02.04.2023  |  (rsn) – Ein Rennen, 273 Kilometer, 19 Hellingen, sechs Kopfsteinpflastersektoren – und drei Topfavoriten. Nach der Demonstration bei der E3 Saxo Classic (1.UWT) geht fast niemand davon aus, dass es am Sonntag bei der 107. Ausgabe der Flandern-Rundfahrt (1.UWT) nicht zum Triell zwischen Wout Van Aert (Jumbo – Visma), Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) und Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) kommen wird. Doch gerade durch das Kräftemessen in Harelbeke scheint klar, wo die Stärken und Schwächen der Großen Drei liegen und wie ihre jeweilige Herangehensweise aussehen muss.

Die einfachste Ausgangslage und zugleich schwierigste Aufgabe hat Pogacar vor sich. Der zweifache Toursieger gilt unter den Rundfahrern als sehr endschnell, doch gegen die beiden explosiven Crossexperten hat er auf der Zielgeraden wohl keine Chance. Um zum ersten Mal ein Rennen in Flandern gewinnen zu können, muss der Slowene darum mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit solo ankommen – oder zumindest ohne Van Aert und van der Poel.

___STEADY_PAYWALL___

In einem Interview mit dem belgischen Sportportal Sporza war er sich seiner Situation bewusst: “Ich muss meine besten Beine haben und ich werde wohl allein ankommen müssen.“ Diese Position ist nicht neu für ihn und auch bei der E3 Classic setzte er alles daran, seine Widersacher abzuschütteln. Während er den späteren Sieger Van Aert am Paterberg und Oude Kwaremont gleich mehrmals in Verlegenheit brachte, blieb van der Poel allerdings immer am Hinterrad des 24-Jährigen.

Die Großen Drei bei der E3 Saxo Classic. | Foto: Cor Vos

Van Aert mit Selbstvertrauen zur Ronde

Den besten Sprint in Harelbeke zeigte Van Aert, der van der Poel schlug und gemeinsam mit dem Niederländer Pogacar weit hinter sich ließ. Da der Belgier an den Hellingen vom UAE-Profi drei Mal und vom fünffachen Cross-Weltmeister ein Mal in Probleme gebracht wurde, wird dem Jumbo-Kapitän viel daran gelegen sein, es zum Sprint kommen zu lassen. Doch auch auf der Zielgeraden muss der 28-Jährige sich schlau anstellen, denn ein Sieg dort gegen van der Poel ist kein Selbstläufer, wie die Cross-WM in Hoogerheide bewies.

Dort überraschte der Alpecin-Profi seinen Widersacher und sprang fast aus dem Stillstand von dessen Hinterrad weg. In Sachen Explosivität hat Van Aert deutliche Nachteile. Er würde darum einen langen Sprint bevorzugen, bei dem er seine Kraft optimal auf die Straße bringen kann. Mit seinem Sieg bei der E3 Classic und dem Geschenk nach beeindruckender Leistung an seinen Teamkollegen Christophe Laporte bei Gent-Wevelgem (1.UWT) geht Van Aert vielleicht als der größte Favorit in die Ronde.

In Harelbeke war van Aert der beste im Sprint. | Foto: Cor Vos

Van der Poel muss nichts und niemanden fürchten

Manchmal ist die einfachste taktische Situation die schwerste. Van der Poel hat bei Mailand-Sanremo (1.UWT) bewiesen, dass er sowohl Pogacar als auch Van Aert am Berg wegfahren kann. So kann er solo gewinnen – oder im Sprint. Denn auch im Sprint muss sich der Niederländer vor niemandem fürchten. Gleichzeitig weiß er aber, dass Van Aert auf der Zielgeraden mindestens gleichstark ist – wenn nicht sogar besser.

Darum gilt es für den Alpecin-Profi seinen flämischen Konkurrenten abzuschütteln. Bei der E3 Classic gelang das früh im Rennen mehrmals – wenn auch nur für kurze Zeit. Am Taaienberg auch durch van der Poels eigene Attacke, der nur Pogacar direkt folgen konnte. Trotzdem sollte van der Poel seine Angriffslust zügeln, denn in der Vergangenheit gingen seine frühen Angriffe gern mal nach hinten los, so verlor er 2021 in Oudenaarde nach langer Duoflucht völlig überraschend den Sprint gegen Kasper Asgreen (Soudal Quick-Step). Je länger das Finale dauert, desto schwächer wird van der Poel scheinbar.

Ein möglicher Grund dafür ist die großzügige Führungsarbeit, die er in Gruppen verrichtet. Nach dem Zieleinlauf in Harelbeke zeigte er sich am Mikrofon des niederländischen Radsportportals wielerflits.nl auch selbstkritisch: “Im Sprint konnte ich nichts besser machen, aber unterwegs wollte ich etwas zu viel.“ Für den 28-Jährigen wäre das ideale Szenario also ein kurzes Finale ohne Van Aert, durch seine eigene Fahrweise scheint aber schon der erste Punkt dieses Falles sehr unwahrscheinlich.

Schon bei Mailand-Sanremo spielten die Großen Drei die Hauptrolle. | Foto: Cor Vos

Welche Rolle spielen die Teams?

Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Mannschaften der drei Favoriten. Zwar wollen die drei Kapitäne Vlaanderens Mooiste sicherlich nur ungern “wegschenken“, doch sowohl Jumbo – Visma als auch Alpecin – Deceuninck und UAE Team Emirates haben mindestens einen Schattenfavoriten im Aufgebot. Am breitesten aufgestellt ist dabei die Mannschaft von Van Aert.

Mit Dylan van Baarle, Van Aert selbst und Laporte haben sie vier von fünf flämischen WordTour-Rennen gewonnen. Der Sieg von Tiesj Benoot bei Kuurne-Brüssel-Kuurne kommt obendrein. Während van Baarle bei der Ronde gesundheitsbedingt fehlen wird, sind sowohl Laporte als auch Benoot in Topform unterwegs. Dem Belgier konnte bei Dwars door Vlaanderen (1.UWT) am Knokteberg niemand folgen, sein französischer Teamkollege fuhr im flachen Finale allen Konkurrenten mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit davon. Wenn sich die Großen Drei auch nur kurz angucken, können die Jumbo-Co-Kapitäne davon profitieren und Pogacar und van der Poel in einen taktischen Würgegriff nehmen, den diese fast unmöglich lösen können.

Doch auch die Formationen von UAE und Alpecin sollte man nicht unterschätzen. Sören Kragh Andersen (Alpecin – Deceuninck) fuhr bei der E3 Classic und bei Mailand-Sanremo unter die besten zehn und machte beide Mal Eindruck. Sein Teamkollege Quinten Hermans war bei Dwars door Vlaanderen der Fahrer, der am Knokteberg am längsten mit Benoot mithalten konnte. UAE hat Tim Wellens in der Hinterhand. Der Belgier hatte einen sehr starken Saisonauftakt, konnte allerdings zuletzt nicht mehr groß auftrumpfen.

Mehr Informationen zu diesem Thema

27.03.2024Van Aert erleidet beim Dwars-Crash multiple Brüche

(rsn) – Die Ronde van Vlaanderen wird am Sonntag ohne ihren großen Lokalmatador Wout Van Aert (Visma – Lease a Bike) über die Bühne gehen. Der 29-jährige Belgier war am Mittwoch bei Dwars doo

26.07.202330-Tage-Sperre für Maciejuk für Sturz bei Flandern-Rundfahrt

(rsn) – Bis zum 23. August sperrte der Radsportweltverband UCI nun den Polen Filip Maciejuk (Bahrain – Victorious). Der Grund dafür ist der vom 23-Jährigen ausgelöste Massensturz bei der Flande

04.04.2023Nach Massensturz bei Flandern-Rundfahrt: UCI will “Exempel statuieren“

(rsn) – Die direkte Disqualifikation noch während des Rennens wird nicht die einzige Strafe für Filip Maciejuk bleiben. Dem Bahrain-Victorious-Profi, der den Massensturz bei der Flandern-Rundfahrt

03.04.2023Bjergs und Trentins Leadouts ebneten Pogacar den Weg

(rsn) – Mit seinem imponierenden Soloritt zum Ronde-Triumph zeigte Tadej Pogacar (UEA Team Emirates) ein weiteres Mal, dass er der kompletteste Fahrer im Feld ist. Doch sein erster Sieg bei der Flan

03.04.2023Politt konnte seinen Plan nur mit Verspätung umsetzen

(rsn) – Als Nils Politt (Bora – hansgrohe) bereits 75 Kilometer vor dem Ziel der Flandern-Rundfahrt (1.UWT) aus dem Feld heraus angriff, war das zwar keine Panikreaktion, um doch noch die deutlich

03.04.2023Gogl: “....und dann war Bowling angesagt“

(rsn) – Für den Aufreger bei der 107. Flandern-Rundfahrt sorgte Filip Maciejuk (Bahrain – Victorious) als Auslöser eines Massensturzes im Männerrennen rund 140 Kilometer vor dem Ziel. Beim Vers

03.04.2023Wellens brach sich bei Maciejuks Ronde-Manöver das Schlüsselbein

(rsn) – Beim vom Polen Filip Maciejuk (Bahrain Victorious) verursachten Massensturz zur Hälfte der Flandern-Rundfahrt hat sich Tim Wellens (UAE Team Emirates) das Schlüsselbein gebrochen. Der Belg

03.04.2023Neun Antworten von der Flandern-Rundfahrt

(rsn) – Viel Spannung von Anfang an bot die 107. Flandern-Rundfahrt (1.UWT) – und die Ronde beantwortete ganz brav auch alle Fragen, die radsport-news.com vor dem Start aufgeworfen hatte. Unter a

02.04.2023Reusser: “Hat man schon einmal so ein Teamplay gesehen?“

(rsn) – Bei fünf der sieben letzten Rennen der Women’s WorldTour stellte SD Worx die Siegerin. Auch bei der Ronde van Vlaanderen (1. WWT) waren die Fahrerinnen des niederländischen Teams wieder

02.04.2023Kopecky verteidigt ihren Titel bei der Flandern-Rundfahrt

(rsn) – Lotte Kopecky (SD Worx) hat als erste Frau seit Mirjam Melchers im Jahr 2006 erfolgreich den Titel bei der Flandern-Rundfahrt (1.WWT) verteidigt. Die Belgierin setzte sich in Oudenaarde bei

02.04.2023Rutsch wird Zweiter der “Großen Flandern-Rundfahrt“

(rsn) – Als einer von vier Marathon-Männern absolvierte und beendete Jonas Rutsch (EF Education - EasyPost) alle fünf Klassiker der letzten zwölf Tage in Flandern. In der inoffiziellen Addierung

02.04.2023Highlight-Video der 107. Flandern-Rundfahrt

(rsn) - Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat mit einem denkwürdigen Auftritt die 107. Flandern-Rundfahrt (1.UWT) gewonnen. Der 24-jährige Slowene triumphierte nach 273,4 Kilometern von Brügge nach

Weitere Radsportnachrichten

07.07.2025Sorgen um Girmays Knie nach Schlag gegen den Vorbau

(rsn) – Das Team Intermarché – Wanty hat auf der 2. Etappe der Tour de France lange Zeit gemeinsam mit Alpecin – Deceuninck die Führungsarbeit im Hauptfeld übernommen. Der Grund lag auf der H

06.07.2025Pogacar freut sich nach Auftakt-Wochenende auf das Bergtrikot

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) hat den Etappensieg in Boulogne-sur-Mer am zweiten Tag der Tour de France 2025 im Sprint gegen Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) verpasst

06.07.2025Das Geheimnis hinter den Siegen von Philipsen und van der Poel

(rsn) - Zwei Siege, zwei Gelbe Trikots, zwei Männer, die das, teils auch mit gemeinsamer Unterstützung erreicht haben – besser konnte der Auftakt dieser Tour de France für Alpecin - Deceuninck ka

06.07.2025Windkante oder Massensprint?

Wie am Tag zuvor führt auch die 3. Etappe vom Landesinneren nach Westen an die Küste. Das Profil ist dieses Mal aber sehr flach und es sieht auf dem Papier nach einer klassischen Sprintetappe aus, a

06.07.2025Buchmann beeindruckt an ungeliebten kurzen Rampen

(rsn) – Emanuel Buchmann vom Team Cofidis ist hinsichtlich seiner Qualitäten nun wirklich kein Puncheur an kurzen, knackigen Anstiegen. Und die gab es am zweiten Tag der 112. Tour de France (2.UWT)

06.07.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die w

06.07.2025Bei der Tour findet van der Poel seine Sprinterbeine wieder

(rsn) - Dass das Critérium du Dauphiné (2.UWT) der Tour de Suisse (2.UWT) als Vorbereitungsrennen Nummer eins auf die Frankreich-Rundfahrt den Rang abgelaufen hat, ist nichts Neues. Die Veranstalter

06.07.2025Lipowitz attackierte im Finale “einfach nach Gefühl“

(rsn) – Als der Sportliche Leiter von Red Bull – Bora – hansgrohe, Rolf Aldag, im Zielinterview der 2. Etappe der 112. Tour de France von Lauwin-Planque nach Boulogne-sur-Mer auf den Rennverlauf

06.07.2025Reusser holt sich das Auftaktzeitfahren beim Giro d’Italia

(rsn) - Marlen Reusser (Movistar) hat das Auftaktzeitfahren des Giro d´Italia Women gewonnen und sich das erste Rosa Trikot des Rennens gesichert. Die Schweizerin war auf dem 14,2 Kilometer langen Ku

06.07.2025Bahn-DM nach einem schweren Unfall abgebrochen

(rsn) - Die 138. Deutschen Meisterschaften im Bahnradsport in Dudenhofen (Rhein-Pfalz-Kreis) sind am Sonntag nach einem schweren Unfall im Keirin-Halbfinale abgebrochen worden. Wie der Veranstalter au

06.07.2025Pogacar: “Ich habe mich die letzen 200 Meter schon gefürchtet“

(rsn) – Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) hat die 2. Etappe der 112. Tour de France über 209 Kilometer von Lauwin-Planque nach Boulogne-sur-Mer gewonnen und das Gelbe Trikot von seinem

06.07.2025Van der Poel bezwingt Pogacar und übernimmt Gelb von Philipsen

(rsn) - Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) hat sich auf der 2. Etappe der 112. Tour de France für die Sprintniederlage beim Critérium du Dauphiné (2.UWT) gegen Tadej Pogacar (UAE – E

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de France (2.UWT, FRA)
  • Radrennen Männer

  • Tour of Magnificent Qinghai (2.Pro, CHN)