Zwei unverhoffte Gewinner der 4. Tirreno-Etappe

Kämna nutzt die Chance auf Blau und Roglic die zum Sieg

Von Sebastian Lindner

Foto zu dem Text "Kämna nutzt die Chance auf Blau und Roglic die zum Sieg"
Überraschend eroberte Lennard Kämna (Bora - hansgrohe) auf der 4. Tirreno-Etappe das Blaue Trikot des Gesamtführenden. | Foto: Cor Vos

09.03.2023  |  (rsn) - Eigentlich war der Plan ein anderer. “Wir wollten schon auf den Tagessieg fahren, aber ich war nicht die erste Option“, erklärte ein durchaus von sich selbst überraschter Primoz Roglic (Jumbo – Visma), nachdem er die 4. Etappe von Tirreno-Adriatico (2.UWT) von Greccio nach Tortoreto im Bergaufsprint vor Julian Alaphilippe (Soudal Quick-Step) und Adam Yates (UAE Team Emirates) für sich entschieden hatte.

Wout van Aert war die angedachte Jumbo-Option, schilderte Roglic im Siegerinterview. Doch der nahm sich fünf Kilometer vor dem Zielstrich selbst aus dem Rennen, als er sich am Vorderrad von Tom Pidcock (Ineos Grenadiers) aufhängte und stürzte. “Wir mussten dann umplanen. Aber das hat gut geklappt. Es ist schön zu sehen, dass ich mich erholt habe“, sagte der 33-Jährige, der sein erstes Rennen seit seinem Sturz bei der letztjährigen Vuelta a Espana fährt, da der Genesungsprozess nach der Schulter-OP nicht problemlos verlaufen war. “Er war mit vielen Entbehrungen verbunden. Es ist schön, zurück zu sein“, ergänzte Roglic.

Für die Perfektionierung seines starken Comebacks, das Roglic mit einer guten Radlänge für sich entschied, fehlten ihm sechs Sekunden. Das ist der Abstand in der Gesamtwertung auf Lennard Kämna (Bora – hansgrohe), den neuen Träger des Blauen Trikots. Zwar zählte der Deutsche nicht zu den besten 16 – wie seine Teamkollegen Jai Hindley und Aleksandr Vlasov – die ohne Zeitverlust im Ziel ankamen. Doch auch der 26-Jährige büßte nur fünf Sekunden ein und konnte den im Schlussanstieg nicht mehr konkurrenzfähigen bisherigen Spitzenreiter Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) aus dem Trikot fahren.

Kämna hatte im Vorfeld nicht damit gerechnet, Boden auf den Zeitfahrspezialisten gut machen zu können. “Um ehrlich zu sein, habe ich die Etappe unterschätzt. Ich dachte nicht, dass der Schlussanstieg so hart sein würde“, gab er nach dem Rennen zu. “Aber als wir das erste Mal drübergefahren sind (die Zielpassage wurde auf dem Rundkurs dreimal passiert, d. Red.), habe ich gemerkt, dass wir eine Chance haben, das Trikot zu übernehmen. Da hieß es dann, Vollgas fahren und keine oder so wenig wie möglich Zeit verlieren. Jetzt versuchen wir natürlich, das Trikot morgen zu verteidigen, aber das wird schwer.“

Ihre Trikots verteidigten auf der 4. Etappe Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) in der Punktewertung und Davide Bais (Eolo – Kometa) am Berg. Neuer Führender der Nachwuchswertung ist Joao Almeida (UAE Team Emirates), der fünf Sekunden vor seinem Teamkollegen Brandon McNulty liegt.

So lief das Rennen:

Die längste Etappe der Rundfahrt mit 218 Kilometern wartete mit Sonne und 21 Grad auf. Und erneut mit einer frühen Ausreißergruppe um das Bergtrikot von Davide Bais (Eolo - Kometa), der damit den dritten Tag in Folge vor dem Feld fuhr. Ihn begleiteten Filippo Magli (Green Project – Bardiani CSF – Faizane), Mads Würtz Schmidt (Israel – PremierTech), Valerio Conti (Corratec) und der Schwedische Meister Lucas Eriksson (Tudor). Maximal sieben Minuten konnten sie herausfahren.

Doch die waren bereits aufgebraucht, bevor das Quintett die erste Bergwertung, gleichzeitig die erste Zieldurchfahrt, erreichte, die erst nach 166 Kilometern auf dem Programm stand. Dort rollte der Ineos-Zug ohne Ambitionen drüber. In der darauffolgen Abfahrt setzte sich Mikkel Honoré (EF Education – EasyPost) ab und absolvierte die erste von drei Runden als Solist, doch pünktlich zum Anstieg der zweiten Runde wurde er wieder gestellt.

Im Anstieg attackierte Alaphilippe dann 35 Kilometer vor dem Ziel, es war aber nicht mehr als ein erstes Antesten. 22 Fahrer, angeführt von Van Aert und Yates kamen zusammen zur zweiten Zieldurchfahrt, darunter alle Favoriten auf die Gesamtwertung. Auf der anschließenden Runde vergrößerte sich die Spitze wieder auf rund 50 Fahrer.

Das Profil der 4. Etappe von Tirreno-Adriatico. | Foto: RCS Sport

Den dritten Anstieg fuhren Trek – Segafredo und Olivier Pacher (Groupama – FDJ) mit einem schnellen, aber gleichmäßigen Tempo nach oben, eine Attacke lancierte keiner mehr. Vereinzelte Fahrer wie Magnus Sheffield (Ineos Grenadiers) oder Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck), der aber nochmal zurückkehrte, fielen zurück, doch die Aspiranten um den Gesamtsieg führte Jumbo – Visma im Flachstück bis zum Zielanstieg, auf dem sich Van Aert dann aber am Vorderrad von Tom Pidcock aufhängte. Beide stürzten und waren raus aus der Entscheidung um den Tagessieg.

Der nach dem Sturz durchkreuzte Jumbo-Visma-Plan sorgte für Zurückhaltung im letzten Anstieg und so versuchten sich die Zweitdivisionäre. Lorenzo Fortunato (Eolo – Kometa) und Damien Howson (Q36.5) rissen am Teufelslappen ein kleines Loch, das Attila Valter (Jumbo – Visma) wieder zufahren konnte. Auch Vlasov zeigte sich immer wieder vorne und bemühte sich, keine Lücken aufgehen zu lassen. Den Angriff von Hugh Carthy (EF Education – EasyPost) parierte Tao Geoghegan Hart (Ineos Grenadiers) mit Enric Mas (Movistar) am Hinterrad.

400 Meter vor dem Ziel war Victor Lafy (Cofidis) an der Spitze, aus dessen Windschatten Yates vorbeizog. Doch dem Briten schliefen die Beine ein, sodass der stets gut platzierte Roglic und letztlich auch Alaphilippe auf den letzten Metern noch vorbeiziehen konnten.

Results powered by FirstCycling.com

Mehr Informationen zu diesem Thema

13.03.2023Nach Bankrott der Silicon Valley Bank: Gefahr für EF-Frauenteam?

(rsn) – Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) könnte auch bedrohliche Folgen für das US-amerikanische Frauenteam EF Education – Tibco – SVB nach sich ziehen. Die Bank mit Sitz in Kalifornie

13.03.2023Fünf Antworten zu Paris-Nizza und Tirreno-Adriatico

(rsn) - Paris-Nizza und Tirreno-Adriatico sind Geschichte. Beide Fernfahrten lieferten vor allem für die Klassementfahrer und Sprinter wichtige Anhaltspunkte über ihre Form. Die Rennen waren von te

12.03.2023Am Berg fehlt es Kämna noch an Explosivität

(rsn) – Am Ende fehlte Lennard Kämna (Bora – hansgrohe) beim 58. Tirreno-Adriatico (2.UWT) nicht viel zum Podium. Nur elf Sekunden hinter dem Gesamtdritten Tao Geoghegan Hart (Ineos Grenadiers) b

12.03.2023Roglic schwingt bei Tirreno-Adriatico wie 2019 den Dreizack

(rsn) – Primoz Roglic (Jumbo – Visma) hat in San Benedetto del Tronto die 58. Ausgabe von Tirreno-Adriatico (2.UWT) für sich entschieden. Die Schlussetappe ging nach 154 Kilometern im Massensprin

12.03.2023Tirreno: Zeitstrafen gegen Landa, Carthy und vier weitere Fahrer

(rsn) – Wegen unerlaubter Benutzung von Gehwegen im Finale der 6. Etappe von Tirreno-Adriatico hat die Jury am Samstagabend noch Strafen gegen sechs Fahrer ausgesprochen. Mikel Landa (Bahrain Victor

12.03.2023Vorschau auf die Rennen des Tages / 12. März

(rsn) – Welche Rennen gilt es heute zu beachten? Wie sehen die Streckenprofile und Startlisten jeweils aus und wer ist der Favorit oder die Favoritin? radsport-news.com stellt jeden Morgen die wi

11.03.2023Bora-Offensive nicht belohnt: Kämna rutscht auf Rang 4

(rsn) – Wer All-In geht, kann auch verlieren. Unter diesem Motto stand die letzte bergige Etappe des 58. Tirreno-Adriatico (2.UWT) für Bora – hansgrohe. Die deutsche WorldTour-Mannschaft attackie

11.03.2023Dritter Etappensieg in Folge! Roglic beherrscht Tirreno-Adriatico

(rsn) - Primoz Roglic (Jumbo - Visma) ist der Dominator der 58. Austragung von Tirreno-Adriatico (2.UWT). Das bewies er erneut auf der 6. Etappe der Rundfahrt, die er nach 193 Kilometern rund um Osimo

11.03.2023Das Comeback der Schweizer Chronographen

(rsn) - Mit Tudor und Breitling finanzieren zwei prominente Uhrenmarken aus der Schweiz zwei neue ProTeams aus diesem Land. Nach dem größten Dopingskandal, der für immer untrennbar mit dem Namen ei

10.03.2023Schmidt: “Richtig, dass Kämna es als Klassementfahrer versucht“

(rsn) - Mit vor Anstrengung verzerrtem Gesicht erreichte Lennard Kämna (Bora – hansgrohe) das Ziel der 5. Etappe der Fernfahrt Tirreno-Adriatico von Morro d’Oro zur verkürzten Bergankunft oberha

10.03.2023Vom Winde verweht - Gefährliche Szenen bei Tirreno-Adriatico

(rsn) - Die Königsetappe des 58. Tirreno-Adriatico (2.UWT) ist wegen des momentan über Südeuropa wütenden Sturmes verkürzt worden - und trotzdem kam es in Italien zu einigen heiklen Szenen. Einig

10.03.2023Roglic nimmt auf Königsetappe starkem Kämna Blau ab

(rsn) – Primoz Roglic (Jumbo – Visma) erwies sich auch auf der Königsetappe der 58. Ausgabe von Tirreno-Adriatico (2.UWT) als der Stärkste und nahm mit seinem zweiten Tagessieg in Folge Lennard

Weitere Radsportnachrichten

16.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2025

(rsn) – Seit dem Jahr 2013 blicken wir am Ende der Straßenradsaison neben der Jahresrangliste der Männer auch auf das Jahr der Frauen mit entsprechendem RSN-Ranking zurück. Berücksichtigt werden

16.12.2025Im zweiten Jahr als Helferin die hohen Ziele nur teilweise erreicht

(rsn) – Nachdem sich ihr erstes Jahr in der WorldTour noch so angefühlt hatte, “als hätte man mich ins kalte Wasser geschmissen“, konnte sich Justyna Czapla in ihrer zweiten Profisaison – um

15.12.2025Schlauer Roubaix-Plan und am Saisonende Radsport-Detox

(rsn) - Jonas Rutsch (Intermarché – Wanty) hat eine recht gute Saison hingelegt, das meinte der Profi aus dem hessischen Erbach selbst. “Ich habe stark angefangen im Frühjahr, war da wirklich au

15.12.2025Pogacar mit bewährten Kräften zur Mission fünfter Toursieg?

(rsn) - Tadej Pogacar befindet sich in einer komfortablen Situation: Neben seiner überragenden Klasse kann der zweimalige Weltmeister auch auf ein herausragend stark besetztes Team UAE – Emirates â

15.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

15.12.2025Welsford von Red Bull zu Ineos

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

15.12.2025Evenepoel zum fünften Mal Belgiens Sportler des Jahres

(rsn) – Red-Bull-Neuzugang Remco Evenepoel ist in seiner belgischen Heimat bereits zum fünften Mal als Sportler des Jahres ausgezeichnet worden. Der Doppel-Olympiasieger, der in einem Jahr mit Höh

15.12.2025Ferguson: Zwischen Übertraining, RED-S und Spitzenergebnissen

(rsn) – Besser als Cat Ferguson (Movistar) ist noch kaum eine Junioren-Weltmeisterin im Elite-Peloton angekommen. Die 19-jährige Britin gilt als riesiges Talent, fuhr gleich bei ihrem ersten WorldT

15.12.2025Auch nach Team-Aus: Reise auf der Straße wird weitergehen

(rsn) – Auch in ihrer siebten Saison beim Team Ceratizit fuhr Franziska Brauße zweigleisig auf Straße und Bahn - mit 41 Renntagen auf der Straße jedoch so intensiv wie nie zuvor in ihrer Karrier

15.12.2025Hansen: “Die Fahrer werden gehört – ein gutes Zeichen“

(rsn) - Beim alljährlichen WorldTour-Seminar des Radsportweltverbandes UCI nahm das Thema Fahrersicherheit wieder größeren Raum ein. Adam Hansen, Chef der Fahrergewerkschaft CPA, zeigte sich im Ges

14.12.2025Del Toros Tour-Ziel 2026: “So viel und schnell wie möglich lernen“

(rsn) – Nach der schmerzhaften Niederlage gegen Simon Yates (Visma – Lease a Bike) im Finale des Giro d´Italia 2025 und einem fulminanten Herbst, in dem er bei den italienischen Klassikern von Si

14.12.2025Highlight-Video des Cross-Weltcups von Namur

(rsn) – Er kam, kämpfte und siegte: In einem packenden Duell hat Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) zu seinem Saisoneinstieg den Weltcup von Namur gewonnen. An der berühmten Zitadelle v

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)