Kommentar zum Tour-Finale 2024

Zeitfahren in Nizza: Der perfekte Kompromiss

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Zeitfahren in Nizza: Der perfekte Kompromiss"
1989 endete die Tour de France mit einem Zeitfahren und einem Sekundenduell um den Gesamtsieg | Foto: Cor Vos

01.12.2022  |  (rsn) – Die Tour de France 2024 endet in Nizza mit einem Einzelzeitfahren. Am Donnerstag hat die A.S.O. endlich offiziell verkündet, wie man dem Logistik-Clash mit den Olympischen Spielen von Paris Ende Juli 2024 aus dem Weg gehen wird – und dabei auch gleich vorgeführt, wie man aus der Not sprichwörtlich eine Tugend machen kann:

Denn mit dem vorübergehenden Abschied von den Champs-Elysées – schon 2025 wird man zum 50-jährigen Jubiläum der Ankunft auf dem Prachtboulevard für das große Finale wieder in die Hauptstadt zurückkehren – wagt man auch den Schritt weg von der sogenannten Tour d'Honneur, der mit Champagner befeuerten Ehrenrunde der Klassementfahrer am Schlusstag der 'Grand Boucle'. Stattdessen hoffen die Veranstalter auf Drama bis zur letzten Sekunde.

Für den Mann im Gelben Trikot soll es noch einmal sehr ernst werden. Vor 35 Jahren entriss Greg Lemond dem Franzosen Laurent Fignon die Gesamtführung am Schlusstag der Tour de France 1989 in einem Einzelzeitfahren um acht Sekunden, damals auf der Champs-Elysées. Seither wird dieses Finale als spannendste Tour-Entscheidung aller Zeiten gefeiert. Trotzdem blieb 1989 die einzige Austragung mit einem Einzelzeitfahren zum Abschluss.

Viele Racing-Puristen wünschen sich, dass der 21. Renntag einer dreiwöchigen Rundfahrt immer auch für die Gesamtwertung genutzt wird. Doch die Tour de France ist ein Event der Traditionen, ein Rennen für Radsport-Romantiker. Und für die gehört die Tour d'Honeur eben dazu wie das Gelbe Trikot selbst.

Beide Lager zu befriedigen ist ein Drahtseilakt für die A.S.O. und es werden Stimmen aufkommen, die sagen: Durch das Zeitfahren in Nizza gesteht sich die Tour ein, dass ein solches Finale sportlich doch viel besser sei, als die sonst übliche Ehrenrunde, bei der es nur für die Sprinter noch um etwas geht. Doch wer die A.S.O. kennt, der weiß, dass dieses Schluss-Zeitfahren von Nizza kein Eingeständnis ist, sondern schlicht ein gut durchdachter Schritt in Anlehnung an die eigene Geschichte.

Man hätte auch in Nizza an der berühmten Promenade des Anglais eine traumhafte Sprintankunft im Anschluss an einige Ehrenrunden ausrichten können. Doch die Tourveranstalter haben erkannt, wie sie den perfekten Spagat schaffen:

Da man aufgrund der Olympischen Spiele ohnehin auf Paris und die Champs-Elysées verzichten muss, bekommen die Racing-Puristen den vollwertigen Renntag zum Abschluss – und als wäre es schon immer so geplant gewesen, dürfen sich auch die Romantiker freuen, indem das 35-jährige Jubiläum des Lemond-Fignon-Duells gefeiert wird. Ein Meisterwerk der Kompromissfindung!

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