Belgier nach Zeitfahrsieg in Gelb

Lampaert schlägt zum Tour-Auftakt Van Aert und Pogacar

Foto zu dem Text "Lampaert schlägt zum Tour-Auftakt Van Aert und Pogacar "
Yves Lampaert (Quick – Step Alpha Vinyl) hat den Auftakt der 109. Tour de France gewonnen und das Gelbe Trikot erobert. | Foto: Cor Vos

01.07.2022  |  (rsn) – Yves Lampaert (Quick-Step Alpha Vinyl) hat beim verregneten Auftakt der 109. Tour de France völlig überraschend die Favoriten hinter sich gelassen und erste Gelbe Trikot erobert. Der 31-jährige Belgier benötigte für die 13,2 flachen Kilometer durch die dänische Hauptstadt 15:17 Minuten (51,78 km/h) und war fünf Sekunden schneller als sein Landsmann Wout van Aert (Jumbo - Visma). Dritter mit sieben Sekunden Rückstand wurde der Slowene Tadej Pogacar (UAE Team Emirates), der damit erfolgreich sein Unternehmen Titelverteidigung begann.

“Mein Kopf explodiert. In die Top Ten zufahren zu können, wäre großartig gewesen. Ich bin ja nur ein Bauernjunge aus Belgien. Nun habe ich alle geschlagen, die Besten der Welt. Das hätte ich nie erwartet. Ich kann es nicht glauben, ich wusste, dass ich gut drauf bin, aber gleich am ersten Tag eine Tour-Etappe zu gewinnen, davon habe ich nicht einmal geträumt, aber ich habe es geschafft“, kommentierte der in Tränen aufgelöste Lampaert den bisher größten Sieg seiner Karriere.

“Wir wussten, dass Yves gut sein würde, aber hier steht die Weltelite am Start. Aus technischer Sicht ist er perfekt gefahren. Auch die Distanz liegt ihm. Alles zwischen zehn und 15 Kilometern ist ihm auf den Leib geschneidert. Er hat keinen einzigen Fehler gemacht“, lobte Quick-Step-Sportdirektor Tom Steels den Sieger.

“Es war ein Schock, dass Yves schneller war. Aber ich kann nur sagen: Chapeau. Natürlich bin ich angetreten, um heute zu gewinnen. Es wäre dumm von mir, zu sagen, dass Yves wegen den Bedingungen gewonnen hat. Er war einfach schneller“, sagte Van Aert, der sichtlich konsterniert im Hot Seat die Zieleinfahrt seines Konkurrenten verfolgte.

Pogacar fährt sich Vorsprung auf Roglic und Vingegaard heraus

Zehn Sekunden hinter Lampaert kam der italienische Zeitfahrweltmeister Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) auf den vierten Platz, gefolgt vom Niederländer Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck / +0:13) sowie den beiden Dänen Mads Pedersen (Trek – Segafredo / +0:15) und Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma / +0:15). Achter wurde dessen Teamkollege Primoz Roglic (+0:16), Rang neun ging an Bauke Mollema (Trek – Segafredo / +0:17). Mit Dylan Teuns (Bahain Victorious / +0:20) komplettierte ein weiterer belgischer Fahrer die Top Ten.

Der Luxemburger Bob Jungels (AG2R Citroën / +0:23) wurde auf Rang zwölf gelistet. Der Schweizer Europameister Stefan Küng (Groupama – FDJ / +0:23) wurde Vierzehnter, als bester der neun deutschen Profis belegte Zeitfahrmeister Lennard Kämna (Bora – hansgrohe / +0:25) Platz 19, drei Positionen dahinter folgte sein Teamkollege Aleksandr Vlasov (+0:26), der das Tour-Podium anpeilt. “Im Großen und Ganzen war es ein solides Zeitfahren“, kommentierte der 25-jährige Kämna das Ergebnis. “Ich bin ganz gut in Form, habe mich heute nicht überragend aber gut gefühlt.“

So lief das Rennen:

Als der Franzose Jeremy Lecroq (B&B Hotels - KTM) pünktlich um 16 Uhr von der Rampe rollte und die 109. Tour de France eröffnete, waren die Wetterprognosen bereits über den Haufen geworden. Schon beim ersten der 176 Starter nämlich regnete es, was Erinnerungen an den Grand Départ 2017 erinnerte, als in Düsseldorf letztmals ein Zeitfahren eine Frankreich-Rundfahrt eröffnet hatte. Auch damals musste das Rennen im Regen ausgetragen werden.

Als erster der früh gestarteten Favoriten musste Stefan Bissegger (EF Education – EasyPost) nach gleich zwei Stürzen auf dem nassen Asphalt des brettebenen Kurses seine Hoffnungen auf das Gelbe Trikot begraben. Der Schweizer konnte mit Hautabschürfungen das Rennen zwar fortsetzen, kam aber letztlich nicht über Platz 99 hinaus.

Deutlich besser machte es van der Poel, der vor allem in den vielen Kurven seine Crosser-Qualitäten voll ausspielte, den eine Minute vor ihm gestarteten Chris Hamilton (DSM) überholte und nach einer perfekten Fahrt mit 15:30 Minuten eine Bestzeit erzielte, mit der er die Marke seines Landsmanns, des Niederländischen Zeitfahrmeisters Mollema um vier Sekunden unterbot.

Vingegaard minimal schneller als Roglic

Kurz darauf kratzte Roglic im strömenden Regen an der Zeit van der Poels, blieb dann aber doch um knapp drei Sekunden hinter dem Spitzenreiter und wurde von Pedersen vom zwischenzeitlichen zweiten Rang verdrängt. Dagegen blieb auch der zweite aussichtsreiche Schweizer hinter den hohen Erwartungen zurück. Europameister Stefan Küng (Groupama – FDJ) kam mit den Bedingungen nicht so gut zurecht wie van der Poel und war zehn Sekunden langsamer als der 27-Jährige.

Mit 18 Sekunden Verspätung auf van der Poel kam Bora-Kapitän Vlasov ins Ziel, wahrte aber seine Klassementchancen. Zwölf Sekunden langsamer war Geraint Thomas (Ineos Grenadiers), der 2017 das Zeitfahren von Düsseldorf gewonnen hatte. Minimal schneller unterwegs als Roglic war dessen Teamkollege Vingegaard, der, von den dänischen Fans frenetisch angefeuert, hinter Pedersen auf Rang drei kam.

Innerhalb von zwei Minuten starteten danach mit Top-Favorit Ganna, Van Aert und Titelverteidiger Pogacar drei große Namen. An der Zwischenzeit nach 6,6 Kilometern war Ganna zwei Sekunden langsamer als Mollema, der hier die Bestzeit erzielt hatte, Van Aert wiederum war eine Sekunde schneller als der Italiener. Dagegen ging Pogacar weniger Risiko und büßte hier sechs Sekunden ein.

Ganna, Van Aert und Pogacar drehen auf, Lampaert lässt alle hinter sich

Danach jedoch drehten Ganna, Van Aert und Pogacar auf. Zunächst unterbot der zweimalige Zeitfahrweltmeister van der Poels Marke um drei Sekunden, ehe der Belgier mit 15:22 Minuten Bestzeit fuhr, an die kurz darauf der zweimalige Toursieger nur um zwei Sekunden verpasste und Ganna auf den dritten Platz verdrängte.

Eine solide Vorstellung liefert Kämna ab, der sich auf ähnlichem Niveau wie Küng und Thomas bewegte. Nach der Zwischenbestzeit landete Van Aerts Teamkollege Christophe Laporte in einer Kurve auf dem Asphalt und musste danach seine Hoffnungen auf eine Spitzenplatzierung begraben. Stark präsentierte sich Adam Yates (Ineos Grenadiers / +0:18), der kurz nach den “Großen Drei“ sein Rennen absolvierte und noch vor Küng Elfter wurde.

Eine sensationelle Vorstellung lieferte dann Lampaert ab, der, für alle völlig überraschend, nach der achtbesten Zwischenzeit auf den letzten sechs Kilometern bei mittlerweile etwas besseren Bedingungen noch an allen vor ihm platzierten Konkurrenten vorbeizog und in der Zeit von 15:17 seinen Landsmann Van Aert vom Hot Seat verdrängte.

Obwohl es zum Finale hin aufhörte zu regnen und die Strecke abtrocknete, konnte mit Ausnahme von Teuns keiner der in der letzten Stunde gestarteten Fahrer mehr in die Spitzenpositionen vorfahren. Das galt auch für Fahrer wie Thomas Pidcock (Ineos Grenadiers / 15.), Nils Politt (Bora – hansgrohe / 115.), den Dritten der Deutschen Zeitfahrmeisterschaften, oder Marc Soler (UAE Team Emirates / 132.), der als letzter der 176 Profis das Ziel erreichte, wo Lampaert nach seinem Triumph die Tränen nicht zurückhalten konnte.

Results powered by FirstCycling.com

Mehr Informationen zu diesem Thema

07.07.2023Pech mit der Kette bringt Cavendish um den Rekordsieg

(rsn) – Es hat nicht viel gefehlt, um das Märchen perfekt zu machen. Am 7. Juli 2007 gab Mark Cavendish, damals noch im Trikot von T-Mobile, sein Debüt der Tour de France. Den Prolog in London bee

12.06.2023Van Aert kritisiert Netflix-Serie: “Zielt auf Aufreger ab“

(rsn) – Am vergangenen Donnerstag ist die von vielen Fans lange erwartete Netflix-Serie ´Tour de France: Unchained´ veröffentlicht worden, die hinter die Kulissen der Frankreich-Rundfahrt 2022 bl

02.03.2023Trailer zur Netflix-Serie über die Tour de France veröffentlicht

(rsn) – Den Titel, “Tour de France: Unchained“, hatte Netflix bereits vor einigen Tagen veröffentlicht. Jetzt folgte auch der erste Trailer zu der Doku-Serie, die aus acht Teilen bestehen und v

16.12.2022Sagan hat van Aert noch nicht vergeben

(rsn) – In einem Gespräch mit der italienischen Sportzeitung Gazzetto dello Sport hat Peter Sagan (TotalEnergies) deutlich gemacht, dass er Wout van Aert (Jumbo – Visma) noch nicht für dessen ve

23.11.2022Aktivisten der “Letzten Generation“ bekommen 500-Euro-Strafe

(rsn) – Dreimal kam das Peloton bei der Tour de France 2022 aufgrund von Protesten durch Klima-Aktivisten und Klima-Aktivistinnen kurz zum Stillstand: Zunächst auf der 10. Etappe auf dem Weg nach M

17.11.2022Pogacar: “Evenepoel ist vielleicht sogar stärker als ich“

(rsn) – Mit nicht weniger als 16 Siegen war Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) auch im Jahr 2022 eine der dominierenden Figuren des Radsports. Der 24-jährige Slowene gewann bedeutende Eintagesrennen

03.11.2022CAS bestätigt Quintanas Tour-Disqualifikation

(rsn) - Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat die Entscheidung des  Radsportweltverbands UCI bestätigt, der Nairo Quintana (Arkea – Samsic) nachträglich von der Tour de France 2022 disquali

29.08.2022Geschke: “Jedes Bergtrikot am Straßenrand motivierte mich“

(rsn) - Ganz allein erreichte Simon Geschke, der Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft, das Ziel der finalen 4. Etappe in Stuttgart. Der Freiburger kam 7:07 Minuten nach Tagessieger Pello Bilbao (

13.08.2022Von Corona genesen: Froome und Woods starten bei Vuelta

(rsn) – Sowohl Chris Froome als auch Teamkollege Michael Woods haben sich von ihrer Corona-Infektion erholt, die sie sich bei der Tour de France zugezogen hatten. Die beiden Fahrer von Israel - Prem

05.08.2022Zwei Wochen vor Vuelta-Start: Roglic trainiert wieder

(rsn) – Zwei Wochen vor dem Start der Vuelta a Espana hat Primoz Roglic wieder das Straßentraining aufgenommen. Der dreimalige Gesamtsieger der Spanien-Rundfahrt war auf der 5. Etappe der Tour de

31.07.2022Van Vleuten auf völlig anderem Level - wie geht das?

(rsn) – Der Solo-Coup von Annemiek van Vleuten (Movistar) auf der Königsetappe der Tour de France der Frauen hat bei den Beobachtern einmal mehr für große Augen und offene Münder gesorgt. Die 3

31.07.2022Von einem “toten Fisch“ und völlig leergefahrenen Körpern

(rsn) – Die Königsetappe der Tour de France der Frauen hat für riesige Abstände unter den Protagonistinnen gesorgt. Annemiek van Vleuten (Movistar) scheint ihren Gesamtsieg schon vorzeitig perfek

Weitere Radsportnachrichten

15.07.2025Pogacar fletscht mit den Zähnen: “Jetzt kommt unser Terrain“

(rsn) – Zur Halbzeit der 112. Tour de France war Ruhe im Peloton angesagt – zumindest was Rennen anbelangt. Am Dienstag standen in Toulouse Ausfahrten auf dem Programm, Entspannung durfte aber auc

15.07.2025Tückisches Finale in Toulouse

(rsn) – Nach dem ersten Ruhetag geht es bei der 112. Tour de France in Toulouse ziemlich hitzig zur Sache. Die 11. Etappe ist zwar nur 157 Kilometer lang, aber vielleicht tückischer, als es das Pro

15.07.2025Politt: “Es war gut, das Gelbe Trikot nochmal abzugeben“

(rsn) – Am ersten Ruhetag der Tour de France 2025 fällt die Bilanz der zehn deutschen Starter durchwachsen aus. Genau genommen sind es sogar nur noch neun, denn nach seinem schweren Sturz auf der 9

15.07.2025Evenepoel: “Natürlich kann ich dazu nichts sagen“

(rsn) – Am ersten Ruhetag der Tour der France stellten sich Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) und sein Teamkollege Tim Merlier den Fragen der Presse. Dabei lag der Fokus natürlich hauptsächl

15.07.2025Nach Tour-Sturz muss sich Philipsen wieder neu motivieren

(rsn) – Nach seinem frühzeitigen Ausscheiden bei der Tour de France erholt sich Auftaktsieger Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) derzeit von den Folgen seines Sturzes auf der 3. Etappe, bei

15.07.2025UAE führt dank Pogacar die Preisgeldliste der Tour an

(rsn) – In der Teamwertung der Tour de France muss sich UAE – Emirates hinter Visma – Lease a Bike mit Rang zwei begnügen. Dafür führt das Team von Titelverteidiger Tadej Pogacar am ersten Ru

15.07.2025Lipowitz: “Ich würde mich als Edelhelfer bezeichnen“

(rsn) - Am ersten Ruhetag der Tour de France freut sich Florian Lipowitz nach einer kleinen, zweistündigen Ausfahrt mit kurzen Belastungen, damit der Körper im Modus bleibt, auf ein kurzes Mittagssc

15.07.2025Bei Gall ist trotz Erkältung “alles im Grünen Bereich“

(rsn) – Nach einem schweren Tag bei der Tour de France freute sich Felix Gall (Decathlon – AG2R La Mondiale) auf den ersten Ruhetag. Auf der ersten Bergetappe der diesjährigen Frankreich-Rundfahr

15.07.2025Soudal verlängert mit Evenepoel-Helfer Van Wilder

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

15.07.2025Lenny Martinez bei der Tour in den Fußstapfen des Großvaters

(rsn) – Mit wenig Erfreulichem im Gepäck reisen die französischen Profis nach Toulouse zum ersten Ruhetag der Tour de France. Nach knapp der Hälfte der Rundfahrt steht noch kein heimischer Etappe

14.07.2025“Scheißtag“ kostet Buchmann alle Klassement-Hoffnungen bei der Tour

(rsn) – Er hatte sich die Berge so sehr gewünscht. Nun sind sie da. Aber Emanuel Buchmann ist auf der Suche nach seinen Beinen. Für den Cofidis-Kapitän war die 10. Etappe der Tour de France im Ze

14.07.2025“Healy hat die Tür zu Gelb mit beiden Füßen aufgetreten“

(rsn) – Das 43-Kilometer-Solo zum Etappensieg auf der 6. Etappe der Tour de France war eine extrem beeindruckende Leistung von Ben Healy (EF Education – EasyPost). Auf der 10. Etappe hat er sich

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de France (2.UWT, FRA)