Belgier gewinnt in Neapel die 8. Etappe

De Gendt macht Lottos holprigen Giro-Start vergessen

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Thomas De Gendt hat beim 105. Giro d’Italia für den ersten Tagessieg von Lotto Soudal gesorgt. | Foto: Cor Vos PRÜFEN

14.05.2022  |  (rsn) – Zehn Jahre nach seinem Sieg am legendären Stelvio hat Thomas De Gendt (Lotto Soudal) zum zweiten Mal eine Etappe des Giro d’Italia gewonnen. Der 35-jährige Belgier schlug in Neapel nach 153 Kilometern der 8. Etappe im Sprint einer vierköpfigen Spitzengruppe der Italiener Davide Gabburo (Bardiani – CSF – Faizane) und den Spanier Jorge Arcas (Movistar). Vierter wurde sein Landsmann und Teamkollege Harm Vanhoucke, der sich über De Gendts Coup freute, als ob er selbst gewonnen hätte.

Der Eritreer Biniam Girmay (Intermarché – Wanty – Gobert), der Schweizer Mauro Schmid (Quick-Step Alpha Vinyl) und der Niederländer Mathieu van der Poel (Alpecin – Fenix) belegten 15 Sekunden hinter dem Sieger die Plätze vier bis sieben. Der Spanier Juan Pedro Lopez (Trek – Segafredo) letztlich souverän ein weiteres Mal das Rosa Trikot.

Fast schien es, als hätte sich Lotto Soudal von der gestrigen Vorstellung von Jumbo – Visma einiges abgeschaut. Wie die Niederländer auf der 7. Etappe, so waren diesmal die Belgier in der ursprünglich 21-köpfigen Spitzengruppe stark vertreten: Neben De Gendt und Vanhoucke war mit Sylvain Moniquet noch ein dritter Lotto-Profi vorn dabei. Und wie am Vortag Jumbo, so schaffte es Lotto mit zwei Fahrern in die entscheidende Gruppe. Erneut entschied also eine clevere Mannschaftsleistung das Rennen.

“Als Team haben wir einen tollen Job gemacht“, befand auch De Gendt, nachdem er für den ersten Tagessieg seines Teams bei diesem Giro gesorgt hatte. “Ich habe Harm erklärt, dass er die letzten drei Kilometer von vorn fahren soll und dass ich den Sprint gewinnen werde. Bis dreihundert Meter vor dem Ziel war er ganz vorne und daher verdanke ich ihm viel“, lobte der Sieger seinen jungen Mannschaftskollegen.

Van der Poels frühe Attacke verpuffte

Damit endete Lottos bisherige schwarze Giro-Serie, nachdem Sprinter Caleb Ewan aus verschiedenen Gründen den angepeilten Etappensieg verfehlt hatte. “Es war kein guter Beginn des Giro, aber dieser Erfolg macht viel gut. Zu dritt vorn dabei zu sein und es dann zu vollenden ist toll“, erzählte Vanhoucke im Interview.

Dagegen war Top-Favorit van der Poel auf sich allein gestellt. Der Niederländer griff dennoch bereits 46 Kilometer vor dem Ziel an – und verbaute sich damit vielleicht seine Siegchancen, weil er sich nicht aus der Gruppe lösen konnte. Van der Poel wurde von seinen Gegnern nicht aus den Augen gelassen und musste den Großteil der Arbeit selbst verrichten. In Girmay hatte er einen Schatten, der kaum einmal sein das Hinterrad des Auftaktsiegers verließ. “Jeder hat auf Mathieu und mich geschaut, daher konnten wir das Rennen nicht so gestalten, wie wir uns das vielleicht vorgestellt hatten“, erzählte der Eritreer nach dem Rennen.

Mit Blick auf die Punktewertung hat sich der Tag für den 22-Jährigen trotz des verpassten Etappensiegs dennoch gelohnt. Girmay verkürzte seinen Rückstand auf Spitzenreiter Arnaud Démare (Groupama – FDJ) von 53 auf 27 Punkte. Im Kampf um das Bergtrikot blieb alles beim Alten. Koen Bouwman (Jumbo – Visma) hat 25 Punkte Vorsprung auf Lennard Kämna (Bora – hansgrohe), der am letzten Anstieg vergeblich aus dem Feld heraus attackiert hatte.

Doch Lopez parierte den Angriff des Deutschen und behauptete im Gesamtklassement seinen Vorsprung von 38 Sekunden auf Kämna. Der Tagesneunte Guillaume Martin (Cofidis), der zeitweise in die virtuele Nähe des Maglia Rosa kam, schob sich auf Position vier vor. Lopez behauptete auch seine Führung in der Nachwuchswertung, wogegen seine Mannschaft von Intermarché von der Spitze der Teamwertung verdrängt wurde.

 

So lief das Rennen:

Nachdem auf der gestrigen Etappe gleich vier Fahrer, darunter Mark Cavendishs Anfahrer Michael Morkov (Quick-Step Alpha Vinyl), ausgeschieden waren und am Mittag in Neapel der Brite Simon Carr (EF Education – EasyPost) nicht mehr angetreten war, nahmen noch 167 Fahrer den achten Abschnitt in Angriff.

Bei strahlendem Sonnenschein ließ sich van der Poel nicht lange bitten. Der Giro-Auftaktsieger initiierte mit seiner Attacke nach sieben Kilometern eine 21-köpfige Spitzengruppe, der neben van der Poel und dem achtmaligen Giro-Etappengewinner Diego Ulissi (UAE Team Emirates) auch Girmay, der Freiburger Jasha Sütterlin (Bahrain Victorious) sowie der Schweizer Schmid angehörten. Die quantitativ stärkste Fraktion stellte Lotto Soudal, das mit Routinier De Gendt, Vanhoucke und Moniquet gleich dreifach in der Spitzengruppe vertreten war.

Im Gesamtklassement bestplatzierter der Ausreißer war Martin, der mit nur 4:06 Minuten Rückstand auf Lopez eine echte Gefahr für das Maglia Rosa darstellte, zumal die große Gruppe sich schnell einen Vorsprung von rund 2:30 Minuten herausfahren konnte.

So übernahm Trek – Segafredo im Feld die Nachführarbeit, um den Rückstand so gering wie möglich zu halten. In der Anfahrt auf den Rundkurs holte sich Girmay, der Zweite in der Punktewertung, nach 46 Kilometern in Lago Patria den ersten der beiden Zwischensprints des Tages und verkürzte im Kampf um das Maglia Ciclamino seinen Rückstand gegenüber Démare, der mit allen seinen Helfern im Feld fuhr, um zwölf Zähler.

Die Ausreißer behaupten sich

Als nach rund 50 Kilometern bei hohem Tempo der Rundkurs in Angriff genommen wurde, betrug der Vorsprung der Gruppe, aus der sich bald darauf Sütterlin wieder ins Feld zurückfallen ließ, noch etwas mehr als zwei Minuten und blieb in der Folge stabil, auch wenn bei den Verfolgern sich nun auch Bora – hansgrohe und Bahrain Victorious weiter vorne zeigten. Die Hauptlast der Tempoarbeit lag aber überwiegend weiter auf den Schultern von Lopez‘ Teamkollegen. Trotzdem stieg der Vorsprung bis 60 Kilometer vor dem Ziel sogar auf mehr als drei Minuten an.

Rund 14 Kilometer später sprengte van der Poel an einem der Anstiege mit einem entschlossenen Antritt die große Gruppe, ohne sich allerdings bleibend absetzen zu können. Vielmehr setzte Gabburo kurz darauf den Konter, den das Lotto-Duo De Gendt, Vanhoucke sowie Arcas und Simone Ravanelli (Drone Hopper) mitgingen, während van der Poel, Girmay & Co. sich anschauten und dem Quintett einen Vorsprung von rund 30 Sekunden gewährten. Den zweiten und letzten Zwischensprint holte sich Vanhoucke vor De Gendt, am Monte di Procida (4. Kat.), der einzigen Bergwertung des Tages, war die Reihenfolge genau umgekehrt.

De Gendt war der große Motor des Spitzenquartetts, dennoch folgten nur noch 15 Sekunden dahinter die nächsten Verfolger um van der Poel und Martin. Der Rückstand des Feldes betrug hier fast schon vier Minuten, wodurch Martin nach dem Rosa Trikot griff.

De Gendt arbeitet und ist im Sprint dennoch der Stärkste

Auf den folgenden Kilometern baute die Spitzengruppe, aus der Ravanelli mittlerweile herausgefallen war, vor allem dank De Gendts Bemühungen ihren Vorsprung aber auf rund 40 Sekunden aus. Nach einer Tempoverschärfung durch Schmid verkleinerte sich die Verfolgergruppe weiter und bestand neben dem 22-Jährigen noch aus van der Poel, Girmay, Martin sowie Wout Poels (Bahrain Victorious).

Im Feld setzte nun Trek – Segafredo alles daran, das Maglia Rosa zu behaupten, während sich Kämnas Teamkollegen in der zweiten Reihe positionierten. Am letzten Anstieg des Tages, mit dem bereits die Etappe eröffnet worden war und der nun von der anderen Seite her befahren wurde, ging der Vorsprung der Spitzenreiter auf den letzten zehn Kilometer auf 20 Sekunden zurück, ehe Schmid mit einer weiteren Tempoverschärfung die Verfolgergruppe noch näher an das Quartett heranführte. Zeitgleich versuchte Kämna am Anstieg, Lopez loszuwerden, doch der 24-Jährige war aufmerksam und vereitelte die Attacke des Bora-Profis.

Mit einer waghalsigen Abfahrt schüttelte van der Poel mit Ausnahme von Girmay dann seine Begleiter ab und schien mit dem Eritreer im Schlepptau doch noch in Reichweite der ersten Gruppe zu kommen. Doch auf den letzten flachen Kilometern konnte das Duo die Lücke nicht mehr schließen. Im Finale spannte sich dann Vanhoucke vor das Quartett, ehe De Gendt mit einem langgezogenen Sprint sich seinen zweiten Giro-Etappensieg holte und sein ganzes Team jubeln ließ.

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