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04.04.2022 | (rsn) – Mathieu van der Poel (Alpecin – Fenix) hat zum zweiten Mal nach 2020 die Flandern-Rundfahrt gewonnen – und zum dritten Mal im Duell zweier Titanen des Sports. Nach dem Triumph über Wout Van Aert (Jumbo – Visma) im direkten Duell vor anderthalb Jahren bezwang er diesmal Tour de France-Sieger Tadej Pogacar (UAE Team Emirates). In gewisser Weise hatte er den Sieg am Ende der Fahrweise des Slowenen zu verdanken.
Denn Pogacar war es, der die Ronde 2022 zu dem harten Rennen machte, die sie schließlich war, und damit van der Poel half, die zahlenmäßig überlegenen Super-Teams auszuschalten. Dabei spielte das Pech der Anderen – Sturz von Christophe Laporte (Jumbo – Visma) und Defekt bei Kasper Asgreen (Quick-Step Alpha Vinyl) letztlich kaum eine Rolle: Van der Poel und Pogacar machten den Sieg zurecht unter sich aus, weil sie über den Tag am stärksten wirkten.
Doch beginnen wir von vorne: Nach einigem Vorgeplänkel mit einer rund 90 Kilometer vor Schluss gebildeten Gruppe um Ex-Weltmeister Mads Pedersen (Trek – Segafredo) begann der Kampf um den Sieg bei der ersten Passage des Oude Kwaremont 56 Kilometer vor Schluss so richtig – und passend zum Gesamtbild war es Pogacar, der ihn eröffnete.
___STEADY_PAYWALL___ Entscheidende Vorbelastung an Kwaremont und Paterberg
Der slowenische Ronde-Debütant wusste genau, dass er die schweren Anstiege des Rennens nutzen musste, um die Klassiker-Spezialisten in Probleme zu bringen. Also gab er am Kwaremont Vollgas und sortierte so bereits eindrucksvoll vor: Sanremo-Sieger Matej Mohoric (Bahrain Victorious) hatte offensichtlich einen schlechten Tag und konnte schon dort nicht mehr folgen, doch auch der an Pogacars Hinterrad mitfahrende Titelverteidiger Asgreen musste hier – was nicht ganz so offensichtlich war – bereits sehr leiden.
Am Koppenberg riss Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) die Favoritengruppe endgültig auseinander - nur van der Poel und Madouas hielten noch mit. | Foto: Cor Vos
Das wurde erst einige Minuten später am Paterberg deutlich, als die Spitze Vollgas hinaufstiefelte und der Quick-Step-Kapitän genau wie sein Teamkollege Florian Sénéchal plötzlich zu stehen schien und nicht mehr mitgehen konnte. Während etwa van der Poel oder Laporte, Tom Pidcock (Ineos Grenadiers) und Stefan Küng (Groupama – FDJ) am Kwaremont Ruhe bewahrt hatten und eine kleine Lücke aufgehen ließen, die sie anschließend auf dem Weg zum Paterberg problemlos schließen konnten, war Asgreen dort offenbar etwas zu tief gegangen.
Die am Kwaremont abwartenden Kontrahenten dagegen schienen nun frischer und führten das Rennen plötzlich mit Pogacar über die Kuppe des Parterberg hinweg an. Dahinter hatten die beiden Quick-Step-Kapitäne großes Glück, dass Zdenek Stybar und Jannik Steimle noch bei ihnen waren und nun im Flachen Vollgas fuhren, um Asgreen und Sénéchal wieder nach vorne zu bringen.
Interessant übrigens: Weder am Kwaremont noch am Paterberg waren bei den ersten Passagen Tiesj Benoot (Jumbo – Visma), Dylan Teuns (Bahrain Victorious) oder Valentin Madouas (Groupama – FDJ) unter denen, die ganz vorne mit Vollgas gaben. Davon könnten sie später im Rennen profitiert haben.
Van Baarle legt clever den Grundstein für Podestplatz
Zuerst aber landete nun Dylan van Baarle den Coup, der ihm am Ende seinen Podestplatz beschert haben dürfte: Der Niederländer nutzte ein Zögern im Favoritenfeld, durch das auch Quick-Step zurück zu Pogacar, van der Poel und Co. kam, um sich mit Fred Wright (Bahrain Victorious) davon zu schleichen und so einen Vorsprung zu sichern, bevor am Koppenberg der erwartete nächste Angriff von Pogacar lanciert wurde. Van Baarle wusste nach dem Paterberg, über den er noch gerade so als Letzter der zwölfköpfigen ersten Gruppe gekommen war, dass er den Koppenberg nicht mit den Besten überstehen würde, wenn er ihn mit ihnen zusammen in Angriff nehmen würde.
Dylan van Baarle (Ineos Grenadiers) blieb bei der ersten Paterberg-Passage geradeso auf Tuchfühlung mit den Besten und setzte danach im Flachen eine sehr wichtige Attacke - der Grundstein für seinen zweiten Platz. | Foto: Cor Vos
Und er hatte damit wohl Recht: Denn am Koppenberg konnten diesmal nur noch van der Poel und der bis dahin defensive Madouas mit Pogacar mitgehen – allen Anderen taten die Anstrengungen von zuvor wohl noch zu sehr weh. Klar: Asgreen verlor auf dem Koppenberg dann auch durch seinen Defekt viel Zeit, doch mitgehen konnte der Däne schon vorher am Paterberg und eben jetzt am Koppenberg nicht. Hier bekamen auch der von seiner frühen Offensive vorbelastete Pedersen und der nach seinem Sturz 80 Kilometer vor dem Ziel unplanmäßig für fünf Kilometer arg belastete Laporte erstmals Probleme.
Pogacars aggressive Fahrweise machte vielen Mitfavoriten vorzeitig den Garaus und so war man ab dem Taaienberg zu fünft an der Spitze, weil der Slowene mit van der Poel und Madouas dort zu van Baarle und Wright vorfuhr.
Bedingungslose Zusammenarbeit ein Schlüssel zum Erfolg
Vorentscheidend war nun, dass das Quintett sofort gut zusammenarbeitete, während im größeren Verfolgerfeld die Organisation fehlte: Immer wieder wurde dort beschleunigt, dann aber auch wieder gegenseitig belauert. So wuchs der Vorsprung der fünf Spitzenreiter über das Doppel aus Kruisberg und Hotond bis auf 1:10 Minute an, weil den Super-Teams Quick-Step Alpha Vinyl und Jumbo – Visma nach dem zuvor bereits harten Tempo inzwischen entweder die Manpower oder ihren helfenden Männern die Power fehlte.
Wichtig für die Besetzung des Podiums: Das Quintett mit van der Poel, Pogacar, van Baarle, Madouas und Wright harmonierte gut. | Foto: Cor Vos
Zwar bäumten sich Teuns und Benoot sowie Küng mit ihrem Vorstoß aus dem Verfolgerfeld am Hotond 25 Kilometer vor dem Ziel noch einmal auf, doch das einminütige Defizit war bereits zu groß, als dass sie nun noch hätten um den Sieg fahren können. Während sie hinten nun Vollgas gaben, um bis zum Fuß des Oude Kwaremont auf 50 Sekunden heranzukommen, konnten sich van der Poel und Pogacar nochmal verpflegen und sogar kurz durchatmen, bevor sie dann ihre drei letzten Begleiter abschüttelten.
Diesmal fuhr Pogacar sowohl den Oude Kwaremont als auch den Paterberg von vorne und wirkte dabei noch deutlich frischer als van der Poel. Doch auch wenn der Niederländer am Paterberg beinahe ins Straucheln kam, so konnte Pogacar ihn nicht abschütteln. Van der Poel wusste genau: Sein Ziel war erstmal die Kuppe des Paterberg. Bis dahin musste er um jeden Preis am Hinterrad des Slowenen bleiben, und das tat er.
Im Finale setzt Pogacar 100 Prozent auf Sieg – und verliert das Podium
So ging es zu zweit auf die letzten zwölf flachen Kilometer zum Ziel in Oudenaarde und das Duo teilte sich die Führungsarbeit bis zum Schlusskilometer konsequent gleichmäßig und gerecht auf. Pogacar dürfte klar gewesen sein, dass er im direkten Sprint-Duell alles andere als der Favorit war, doch dasselbe galt ein Jahr zuvor schließlich auch für Asgreen, der dann aber doch gegen van der Poel gewann, weil er einfach noch frischer war. Darauf dürfte auch der Slowene gehofft haben – und angesichts der Eindrücke vom Paterberg wohl auch nicht ganz zu Unrecht.
Diesmal aber ließ sich van der Poel auf der Zielgeraden die Butter nicht mehr vom Brot nehmen. Der Niederländer bewies riesige Coolness und spielte auch seine Erfahrung aus: Als besserer Sprinter war ihm klar, dass er warten konnte, bis Pogacar antrat, um ihn dann mit seiner Beschleunigungskraft zu bezwingen – und sei es auf den letzten 100 Metern.
Im Zielsprint verzockte sich Tadej Pogacar (hinten) und ärgerte sich als Vierter, während vorne van der Poel souverän zum Sieg marschierte. | Foto: Cor Vos
Als er dann Madouas und van Baarle von hinten herankommen sah, galt das noch immer, bis die Beiden 250 Meter vor dem Ziel sogar die Lücke komplett schlossen. Nun musste van der Poel lossprinten und tat das auch im genau richtigen Moment. So gewann er souverän von vorne, während Pogacar mangels Erfahrung in solchen Situationen zu lange wartete und dadurch im entscheidenden Moment eingebaut war, was ihn den verdienten Podestplatz kostete. Der Slowene setzte mit seinem Verhalten auf dem Schlusskilometer, wo er zu Stehversuchen ansetzte, alles auf Sieg und ging dann komplett leer aus.
Was hätte Van Aerts Anwesenheit geändert?
Van der Poel gewann seine zweite Flandern-Rundfahrt also einerseits deshalb, weil er der Einzige war, der an den Hellingen genug Power hatte, um Pogacar immer wieder zu folgen, ohne dabei irgendwann im Rennverlauf zu tief zu gehen. Und weil er im Finale geschickter agierte, als der Tour-de-France-Sieger.
Aufgrund des Rennverlaufs ist übrigens auch nicht davon auszugehen, dass die Teilnahme des an Covid-19 erkrankten Van Aert am Gesamtbild viel verändert hätte. Sicher wäre der Belgier wohl mit Pogacar und van der Poel auf Augenhöhe gewesen und es hätte am Ende zum Dreikampf statt zum Duell kommen können.
Doch auch dann wäre die Bilanz dieselbe gewesen: Die Ronde war einmal mehr ein sehr ehrliches Rennen, an dessen Ende die Stärksten ganz vorne landeten, weil sie früh begannen, der Konkurrenz und deren Helfern den Zahn zu ziehen. Die taktischen Vorteile starker Superteams wie Jumbo – Visma, Quick-Step Alpha Vinyl oder Bahrain Victorious und Ineos Grenadiers wurde von den Supermännern durch ihre Fahrweise irrelevant gemacht.
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