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20.03.2022 | (rsn) - Die favorisierten Tadej Pogacar und Wout Van Aert sowie ihre Teams UAE Team Emirates und Jumbo – Visma hatten alles dafür getan, den Sieg bei Mailand-Sanremo zu holen. Doch am Ende waren der Slowene und der Belgier sowie alle anderen Siegaspiranten chancenlos gegen den Abfahrtskünstler Matej Mohoric (Bahrain Victorious), der sich den größten Erfolg seiner Karriere sicherte.
Viel vorzuwerfen hatten sich Pogacar, Van Aert und ihre Helfer auf den ersten Blick nicht. Schließlich taten sie alles, um das Rennen an sich zu reißen. Im Nachhinein könnte man aber vielleicht zumindest mit dem Blick auf Jumbo - Visma sagen: zu viel.
___STEADY_PAYWALL___ Schon in der Cipressa-Steigung knapp 30 Kilometer vor dem Ziel schraubten erst Jumbo – Visma und dann UAE Emirates das Tempo so dermaßen hoch, dass die reinen Sprinter wie Fabio Jakobsen (Quick-Step Alpha Vinyl) schon früh aus der Verlosung waren und der zumindest mit Außenseiterchancen ins Rennen gegangene Peter Sagan (TotalEnergies) nach Defekt nicht mehr der Anschluss gelang.
Keine 30 Mann waren nach der Cipressa noch beisammen, und das UAE Team Emirates hielt das Tempo weiter hoch, so dass von hinten niemand mehr herankam.
Am Poggio setzte sich zunächst Jumbo – Visma an die Spitze des Feldes. Der Plan dahinter: Ein Tempo anschlagen, das für Van Aert genau richtig war und das Pogacar davon abhielt, zu attackieren. Damit war aber UAE wiederum nicht einverstanden. Denn klar war: Pogacar musste am Poggio Van Aert loswerden, wollte er gewinnen.
Pogacar attackiert am Poggio ganze vier Mal vergebens
Deshalb schickte der Slowene mit Diego Ulissi seinen letzten verbliebenen Helfer nach vorne, der die erste Attacke von Pogacar vorbereitete. Im Gegensatz zur Strade Bianche konnte der Toursieger mit seinem Antritt aber nicht alle Kontrahenten abschütteln, denn Van Aert saß an seinem Hinterrad.
Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) attackiert zum dritten Mal, aber Alex Aranburu (Movistar) bleibt am Rad und zieht die Konkurrenz mit. | Foto: Cor Vos
Als Pogacar das feststellte, nahm er kurz die Beine hoch. Doch das war wohl der Moment, in dem der UAE-Kapitän das Rennen hätte für sich entscheiden können. Hätte er 8,1 Kilometer vor dem Ziel direkt nochmals attackiert – niemand hätte ihm wohl folgen können. Die Frage ist nur: Hatte Pogacar nicht die Beine, nochmals einen draufzusetzen. Oder nicht den Mut? Denn mit einer neuerlichen Attacke hätte sich der Slowene auch ganz aus der Verlosung um den Sieg nehmen können, nämlich wenn er damit über sein eigenes Limit gegangen wäre.
Auch Roglic reiht sich in den Angriffsreigen ein
Stattdessen verschnaufte Pogacar für 400 Meter und attackierte schließlich 7,7 Kilometer vor dem Ziel erneut. Doch dieses Mal hatte sein Antritt nicht die Qualität der vorherigen Attacke. So konnte sich Alex Aranburu (Movistar) problemlos an das Hinterrad des Slowenen heften und 13 weitere Fahrer schließlich wieder aufschließen. 7,2 Kilometer vor dem Ziel folgte schließlich der dritte Antritt von Pogacar, der aber als reine Verzweiflungstat mit der Brechstange gedeutet werden konnte.
Nachdem auch dieser Vorstoß wirkungslos blieb, spielte Jumbo – Visma mit Primoz Roglic seinen zweiten Trumpf. Der Angriff von Pogacars Landsmann kam eigentlich im genau richtigen Moment. Pogacar war nach seinen drei Attacken wohl genau so am Limit wie der Rest der Spitzengruppe. Diesen Moment wollte der Jumbo-Profi für sich nutzen. Würde man ihn ziehen lassen, hätte er den Sieg sicher. Würde die Konkurrenz nachsetzen, dann hätte zwar der Trumpf Roglic bei Jumbo – Visma nicht gestochen, die Chancen für Van Aert waren aber weiterhin intakt. Allerdings hatte auch Roglic auf den letzten 1000 Metern des Poggio nicht die Beine, um sich alleine abzusetzen, immerhin aber setzte er damit Pogacar und auch Mathieu van der Poel (Alpecin – Fenix) unter Zugzwang.
Sören Kragh Andersen (Team DSM) hielt sich lange zurück und ritt im oberen Teil des Poggio-Anstiegs die insgesamt wohl vielversprechendste Attacke bergauf - kam aber auch nicht weg. | Foto: Cor Vos
Nachdem Roglic wieder gestellt war, probierte es Pogacar ein letztes Mal mit einer Attacke. Aber der Slowene war 6,5 Kilometer vor Schluss einfach selbst zu sehr angeknockt, um noch richtigen Schaden anrichten zu können.
Eine entscheidende Rolle sollte schließlich Sören Kragh Andersen zukommen – wie schon im letzten Jahr, als er unfreiwillig Jasper Stuyven den Weg zum Sieg ebnete. Diesmal sprengte der Däne mit seiner Attacke kurz vor der Kuppe des Poggios die Favoritengruppe, nur Pogacar und mit Verzögerung Van der Poel und Van Aert konnten ihm folgen. Das Quartett hatte einige Meter Vorsprung auf die Verfolger, die von Michael Matthews angeführt wurden. Direkt dahinter positionierte sich auf den ersten bergabführenden Metern Mohoric, der damit 5,4 Kilometer erstmals in den aller vordersten Reihen zu sehen war.
Mohoric stürmt schon zu Beginn der Abfahrt nach vorne
In einer Linkskurve setzte sich der spätere Sieger schließlich an die Spitze seiner Gruppe und Mads Pedersen (Trek – Segafredo) konnte das Hinterrad des wagemutigen Abfahrers nicht halten. Auf einer längeren bergabführenden Geraden nutzte Mohoric die freie Fahrbahn vor sich, um zum Spitzenquartett aufzuschließen und genau rechtzeitig zur nächsten scharfen Kurve hatte er sich an die Spitze der Gruppe gesetzt. Somit war Mohoric in der Pole Position und konnte die Kurve bestmöglich ansteuern. Hier fuhr der mit High-Speed ums Eck rasende Slowene die entscheidenden Meter auf Pogacar und Co heraus, um eine Lücke zu reißen und am Ende bis ins Ziel alleine zu bleiben.
Entscheidend waren am Ende also Mohorics Abfahrtsqualitäten, die noch durch den Einsatz einer absenkbaren Sattelstütze verstärkt wurden. Dank der Mountainbike-Technologie konnte Mohoric seine Sitzposition auf der Abfahrt vom Poggio verändern. Er saß nun wahlweise sechs Zentimeter tiefer, um beim Rollenlassen aerodynamischer zu sein und mit tieferem Schwerpunkt besser durch die Kurven steuern zu können, oder auf Normalhöhe, um auf den geraden Abschnitten wieder voll ins Pedal treten zu können.
Das Team Jumbo - Visma brauchte alle Helfer bis zur Kuppe auf dem Poggio auf, so dass Wout Van Aert nach der Abfahrt niemand mehr hatte, um Mohoric zu jagen. | Foto: Cor Vos
Die Vorteile durch die absenkbare Sattelstütze waren so groß, dass Mohoric auch zwei Beinahestürze, die genau wie das Kamera-Motorrad vor ihm in den engen Kurven der Abfahrt etwas Zeit kosteten und ein kleines Kettenmalheur in der vorletzten Kurve verkraftete, ohne dass ihm noch der Sieg streitig gemacht werden konnte.
Für Jumbo – Visma und UAE Team Emirates rächte sich am Ende schließlich, dass sie an Cipressa und Poggio so offensiv gefahren waren. Denn alle Helfer waren aufgebraucht und die Kapitäne auf sich alleine gestellt. So taten sich Van Aert, Pogagacar & Co schwer, eine effektive Nachführarbeit zu organisieren. Keiner wollte sich zu sehr für den Rivalen aufopfern, um dann am Ende übersprintet zu werden. So wurden mehrmals die Beine hochgenommen, so dass Mohoric allein bis ins Ziel durchziehen und dort die Arme in die Höhe schmeißen durfte.
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