Belgier gewinnt sensationell 112. Mailand-Sanremo

Stuyven knackt den Jackpot, die Favoriten verzocken sich

Von Felix Schönbach

Foto zu dem Text "Stuyven knackt den Jackpot, die Favoriten verzocken sich"
Jasper Stuyven (Trek - Segafredo) mit der Trophäe von Mailand-Sanremo | Foto: Cor Vos

20.03.2021  |  (rsn) - Mit einer überraschenden Attacke knapp drei Kilometer vor dem Ziel triumphierte Jasper Stuyven (Trek-Segafredo) bei der 112. Austragung von Mailand-Sanremo. In einem taktisch geprägten Finale konnte sich der Belgier auf der Via Roma eine größere Verfolgergruppe mit den allen Favoriten vom Leib halten. Caleb Ewan (Lotto Soudal) sicherte sich im Sprint den zweiten Platz vor Vorjahressieger Wout Van Aert (Jumbo-Visma). Maximilian Schachmann (Bora - hansgrohe) kam als bester Deutscher auf Rang 14 ins Ziel, sein slowakischer Teamkollege Peter Sagan wurde Vierter.

In der Casino-Stadt Sanremo setzte Stuyven alles auf eine Karte und schlich sich am Ende der Abfahrt vom Poggio aus der knapp 15 Mann starken Spitzengruppe weg. “Es waren ziemlich viele schnelle Jungs dabei, deshalb wusste ich, dass ich alles oder nichts spielen musste. Entweder werde ich eingeholt oder ich hole den größten Sieg meiner Karriere. Acht von zehn Mal klappt es nicht, aber zwei Mal kannst du gewinnen. Meine Beine waren total leer, aber ist spielt keine Rolle, ob Du mit einer Meile oder mit einem Meter Vorsprung gewinnst“, erklärte der 28-jährige Klassikerspezialist sein Erfolgsrezept, an dessen Ende sein erster Erfolg bei einem Monument stand.

Ein wesentlicher Teil seiner Rechnung waren die drei großen Favoriten, Van Aert, Mathieu van der Poel (Alpecin - Fenix) und Julian Alaphilippe (Deceuninck - Quick-Step), die in der Verfolgergruppe nicht zu viel Verantwortung übernehmen wollten. “Es gab drei Jungs, die sehr stark waren, von denen jeder gesprochen hat. Aber das heißt nicht, dass wir nicht auf Sieg fahren würden. Wir hatten den Plan, dabei zu sein und es zu versuchen. Ich fühlte mich den ganzen Tag über gut. Die Jungs haben mich vor den entscheidenden Stellen in großartige Positionen gebracht“, lobte Stuyven sein Team.

Auf den letzten beiden Kilometern bekam er noch Unterstützung von Sören Kragh Andersen (DSM), der zu ihm vorgesprungen war und die Lücke zum Feld entscheidend vergrößerte. Auf den letzten Metern belauerte sich das Duo, so dass die Verfolger fast wieder aufschlossen. Stuyven trat schließlich an und rettete wenige Meter Vorsprung ins Ziel, während Kragh Andersen noch auf den neunten Rang zurückfiel.

Am Poggio kam keiner weg

Auch bei den Verfolgern spielte man miteinander, schaute sich gegenseitig an, um nicht zu viel Energie vor dem Sprint investieren zu müssen. “Es wäre gut gewesen, im Finale einen Teamkollegen dabei zu haben, um die Gruppe zusammenzuhalten. Wenn die Gruppe zusammenbleibt, bin ich der schnellste Fahrer. In dieser Situation war es eine Lotterie, weil es Attacken gab und ich warten musste. Ich kann nicht an die Spitze gehen und jede Gruppe zurückbringen. Ich musste das Risiko nehmen und habe zu lange gewartet“, analysierte Ewan, der nun zum zweiten Mal nach 2018 auf dem Podium in Sanremo landete. Schon damals wurde er Zweiter.

Dabei sah Ewan auf dem Poggio schon fast wie der Sieger aus, als er persönlich die Angriffe von Alaphilippe und Van Aert parierte. “Dieses Mal bin ich ziemlich enttäuscht. Ich bin in guter Form zum Rennen gekommen. Dieses Jahr habe ich versucht meine Kletterfähigkeiten zu verbessern. Ich habe sogar mehrmals die Attacke am Poggio trainiert. Deshalb wusste ich, dass, wenn die Attacken kommen, ich folgen könnte“, erklärte der Australier.

Die Puncheure hatten nicht damit gerechnet, dass ihre Angriffe am Poggio keine Wirkung zeigen würden. Vielleicht waren Alaphilippe und Van Aert deshalb auf den letzten Kilometern so zurückhaltend. “Es war überraschend für mich, dass wir mit so einer großen Gruppe am Gipfel des Poggio waren. Alaphilippe und ich haben attackiert, aber es war nicht genug, um einen Unterschied zu machen“, meinte Van Aert im Ziel. Auch der Belgier hatte keinen Teamkollegen mehr bei sich, der die Ausreißer hätte zurückbringen können.

Sagans Form kommt zurück, auch Schachmann stark

Durch die fehlende Kontrolle musste auch Van Aert abwägen, wie viel er in die Nachführarbeit investieren wollte. “Direkt am Ende der Abfahrt attackierte Jasper, was eine gute Aktion war. Danach war die Verfolgung schwierig, weil ich meine Chancen im Sprint nicht wegwerfen wollte. Alle Jungs haben mich angeschaut und wir haben die Lücke nicht mehr geschlossen. Es sind immer zwei schwierige Kilometer und heute habe ich mich verzockt“, gab Van Aert nach dem Rennen ehrlich zu.

Eines der wenigen Teams, das mit mehreren Fahrern vorne vertreten war, war Bora - hansgrohe. Im Sprint sicherte sich Peter Sagan seinen fast schon obligatorischen Spitzenplatz auf der Via Roma. “Irgendwie war das ein bittersüßes Rennen. Ich freue mich, dass meine Form langsam zurückkommt, auch wenn noch viel Arbeit vor mir liegt. Auf der anderen Seite bin ich enttäuscht, denn wieder einmal habe ich in Sanremo eine Chance auf den Sieg verpasst“, bilanzierte der Slowake.

Teamkollege Schachmann, der am Poggio die Attacken von Alaphilippe und Van Aert parieren konnte, belegte nach der Sprintvorbereitung noch den 14. Platz. Enttäuschend hingegen war das Ergebnis für Deceuninck-Quick-Step, das nach Alaphilippes Angriff kein Ass mehr im Ärmel hatte und keinen Fahrer in den Top-10 platzieren konnte. Der Weltmeister und Sanremo-Gewinner von 2019 wurde letztlich zeitgleich mit Stuyven Sechzehnter. "Die anderen waren heute stärker. Man kann nicht jeden Tag ein großes Ding raushauen!", kommentierte Alaphilippe das für ihn enttäuschende Ergebnis, nachdem er in den vergangenen vier Jahren dreimal auf dem Podium von Sanremo gestanden hatte.

So lief das Rennen:

Direkt nach dem Start setzten sich Filippo Tagliani und Mattia Viel (Androni Giocattoli - Sidermec), Andrea Peron und Charles Planet (Novo Nordisk), Taco van der Hoorn (Intermarché - Wanty-Gobert Matériaux), Alessandro Tonelli (Bardiani - CSF-Faizanè), Mathias Norsgaard (Movistar) sowie Nicola Conci (Trek - Segafredo) vom Feld ab und erarbeiteten sich einen Vorsprung von maximal 7:40 Minuten. Im Feld kontrollierten über lange Strecken Tim Declercq (Deceuninck - Quick-Step) und Paul Martens (Jumbo - Visma) das Tempo.

Die Spitze rettete sich bis in die Cipressa hinein, wo van der Hoorn als letzter Ausreißer gestellt wurde. Im Feld wurde das Rennen über längere Zeit eher  verhalten angegangen. Timo Roosen und Sam Oomen (Jumbo - Visma) verschärften zwar an der Cipressa den Rhythmus, ein größerer Schaden entstand dadurch aber nicht. Den verursachte erst Ineos Grenadiers auf der Abfahrt, wo sich auch das Feld teilte. Auf dem folgenden Flachstück konnte jedoch die abgehängte Gruppe wieder zu der von Luke Rowe (Ineos Grenadiers) angeführten Spitzengruppe mit rund 40 Fahrern aufschließen.

Nach intensiven Positionskämpfen führte Ineos Grenadiers das Feld auch in den Poggio hinein. Auch hier geschah bei hohem Tempo zunächst nicht viel. Erst Alaphilippe eröffnete gut einen Kilometer vor dem Gipfel mit seinem Angriff das Finale. Doch Van Aert, Schachmann, van der Poel und überraschenderweise auch Ewan konnten das Loch zum Franzosen schnell schließen. Am Gipfel des Poggio hatte sich schließlich eine 15 Fahrer große Gruppe gebildet, der auch Stuyven und Kragh Andersen angehörten.

Auf der Abfahrt versuchte Thomas Pidcock (Ineos Grenadiers) erfolglos, die Gruppe zu teilen. Knapp drei Kilometer vor dem Ziel, kurz vor Beginn der flachen Zielanfahrt, setzte Stuyven die entscheidende Attacke. Kragh Andersen konnte die Lücke kurz darauf überbrücken, dahinter sahen sich die Favoriten an. Auf den letzten 500 Metern verwalteten Stuyven und Kragh Andersen ihren knappen Vorsprung, während in der Favoritengruppe Alaphilippe und van der Poel fast zeitgleich den Sprint eröffneten. Stuyven trat knapp 150 Meter vor dem Ziel an und rettete eine knappe Radlänge vor dem heranfliegenden Ewan.

Mehr Informationen zu diesem Thema

22.03.2021Kwiatkowski fuhr Tirreno und Sanremo mit gebrochener Rippe

(rsn) - Michal Kwiatkowski (Ineos Grenadiers) hat sich vor drei Wochen bei der Trofeo Laigueglia eine Rippe gebrochen. Das teilte der Pole auf Twitter mit. Kwiatkowski war im Finale des Eintagesrennen

21.03.2021Die Stimmen aller Protagonisten von Mailand-Sanremo

(rsn) – Jasper Stuyven (Trek – Segafredo) hat in San Remo den großen Coup gelandet und sein erstes Monument gewonnen – dafür schauten die Top-Favoriten in die Röhre. Radsport-news.com hat die

21.03.2021Andersen: “Werde aus den Fehlern lernen, aber die Form ist gut“

(rsn) – Sören Kragh Andersen (Team DSM) war für Jasper Stuyven auf dem Schlusskilometer von Mailand-Sanremo der Schlüssel zum Erfolg. Nur weil der Däne dem Belgier allein hinterhergesprungen war

21.03.2021Video: So feierten Stuyven und seine Teamkollegen im Bus

(rsn) – Musik ist Geschmackssache – gute Laune ist aber gute Laune. Und letztere hatten Jasper Stuyven und seine Teamkollegen bei Trek – Segafredo nach dem Triumph des Belgiers in San Remo auf j

21.03.2021Stuyven wurde in San Remo vom ewigen Talent zum Monument-Star

(rsn) – Elfeinhalb Jahre ist es her, dass Jasper Stuyven in Moskau Junioren-Weltmeister wurde. 17 war der Belgier damals, als er sich im Sprint einer zehnköpfigen Gruppe vor Arnaud Démare und Marc

21.03.2021Ewan fehlte in San Remo nicht die Kraft, sondern ein Helfer

(rsn) - Zum zweiten Mal in seiner Karriere hat Caleb Ewan am Samstag den Sprint auf der Via Roma gewonnen. Doch zum zweiten Mal stand er trotzdem nur auf der zweiten Stufe des Podiums von Mailand-Sanr

21.03.2021Stuyvens Siegbringer: das Näschen, Ewan und Kragh Andersen

(rsn) - Die 112. Austragung von Mailand-Sanremo bot ein altbekanntes Szenario: über Stunden hin Langeweile und dramatische letzte zehn Kilometer. Mit dem Sieger Jasper Stuyven (Trek - Segafredo) all

21.03.2021Bora – hansgrohe: Bittersüße Ergebnisse in San Remo

(rsn) - Das erste Monument des Jahres ist Geschichte, und auch wenn die Ergebnisse von Bora – hansgrohe am Ende der 299 Kilometer von Mailand nach San Remo nicht monumental waren, so war die Leistun

20.03.2021Highlight-Video des 112. Mailand-Sanremo

(rsn) - Jasper Stuyven (Trek - Segafredo) hat bei der 112. Ausgabe von Mailand-Sanremo die Favoriten düpiert und nach 299 Kilometern des Frühjahrsklassikers den größten Erfolg seiner Karriere eing

20.03.2021Van der Poel: “Stuyven hat den richtigen Moment abgepasst“

(rsn) - Als Mathieu van der Poel (Alpecin - Fenix) auf der Via Roma fast zeitgleich mit Julian Alaphilippe (Deceuninck - Quick-Step) den Sprint der Verfolger eröffnete, schien zumindest noch ein Podi

20.03.2021Stuyven düpiert die Favoriten, Sagan Vierter

(rsn) - Jasper Stuyven (Trek - Segafredo) hat bei der 112. Ausgabe von Mailand-Sanremo die Favoriten düpiert und nach 299 Kilometern des Frühjahrsklassikers den größten Erfolg seiner Karriere eing

20.03.2021Gazprom-RusVelo gibt Debüt bei Katalonien-Rundfahrt

(rsn) - Gazprom - RusVelo wird erstmals in seiner Geschichte an der Katalonien-Rundfahrt (22. - 28. März) teilnehmen. Der russische Zweitdivisionär ist mit einer Wildcard ausgestattet und wird bei d

Weitere Radsportnachrichten

12.08.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

12.08.2025Uijtdebroeks will es langsam angehen lassen und “lernen zu gewinnen“

(rsn) – Cian Uijtdebroeks hat sich bei der Tour de l`Ain zurückgemeldet. Mit seinem Erfolg bei der schweren Rundfahrt durch Frankreich, die ihm seine ersten beiden Profisiege bescherte, hat sich de

12.08.2025Pedersen krönt sich zum König von Bornholm

(rsn) – Das Resultat kommt nicht unbedingt überraschend, der Etappenverlauf schon eher. Mads Pedersen (Lidl – Trek) ist mit einem Sieg in die Dänemark-Rundfahrt (2.Pro) gestartet. Dabei pokerte

12.08.2025Consonni gewinnt Auftakt der Polen-Rundfahrt

(rsn) – Chiara Consonni (Canyon – Sram – zondacrypto) hat den Auftakt der Polen-Rundfahrt der Frauen (2.1) gewonnen. Rund um Zamosc nahe der Grenze zur Ukraine gewann die Italienerin den Massens

12.08.2025Kitzki zieht die Handbremse: Wenn die Angst mitfährt

(rsn) – Mit nur 21 Jahren hat Louis Kitzki seine Karriere beendet. Am Montag verkündete das deutsche Nachwuchstalent in den Sozialen Medien seinen Rücktritt – und ließ dabei tief blicken. "Ohne

12.08.2025Vermaerke wechselt als Allround-Helfer zu UAE

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

12.08.2025Hamburger Cyclassics im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(ran) - Die Cyclassics in Hamburg sind seit Jahren fester Bestandteil des WorldTour-Rennkalenders. Das meistens Ende August ausgetragene Rennen kommt den Sprintern entgegen, auch wenn im Finale mehrm

12.08.2025Fürsprecher Hushovd: Trondheim für Start der Tour de France 2030 im Gespräch

(rsn) – So langsam kommen sie alle aus der Deckung. Nachdem sich Dresden und Mitteldeutschland als Kandidat für den Grand Départ 2030 zuletzt nochmal etwas lauter ins Spiel gebracht haben, wird nu

11.08.2025McNulty widmet Sieg in Polen verletztem Teammitglied

(rsn) – Brandon McNulty (UAE – Emirates – XRG) feierte mit dem Gesamtsieg bei der Tour de Pologne (2. UWT) seinen ersten Rundfahrten-Sieg bei einem WorldTour-Rennen. Im Augenblick des Triumphs

11.08.2025Tour de Romandie Féminin im Rückblick: Die ersten drei Jahre

(ran) - Während die Tour de Romandie der Männer seit Jahren fester Bestandteil des Kalenders ist, existiert die Tour de Romandie Féminin erst seit 2022. Radsport-news.com blickt auf die ersten Aus

11.08.2025“Zeit für etwas Neues“ – Evenepoel über Red-Bull-Wechsel

(rsn) – Remco Evenepoel hat sich bislang noch nicht ausführlich zu seinem Wechsel von Soudal – Quick-Step zu Red Bull-Bora-hansgrohe geäußert. Der Doppel-Olympiasieger ging nach Abschluss des

11.08.2025Gianetti: “Pogacar zu sein ist schön, aber nicht einfach“

(rsn) – Mauro Gianetti, der Teamchef von UAE – Emirates – XRG hat sich zum kommenden Rennkalender und zum Vuelta-Verzicht von Tadej Pogacar geäußert. Am Ende der Tour de Pologne sagte er gege

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Maurice (2.2, 000)
  • Tour of Szeklerland (2.2, ROU)
  • PostNord Tour of Denmark (2.Pro, DEN)