Die große Il-Lombardia-Nachlese

Fuglsang und Astana zeigen: Jumbo - Visma ist doch schlagbar

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Nahmen George Bennett (Jumbo - Visma) erfolgreich in die Zange: Aleksandr Vlasov (vorne) und Jakob Fuglsang (beide Astana) | Foto: Cor Vos

16.08.2020  |  (rsn) – Vor der 114. Austragung von Il Lombardia sagte George Bennett (Jumbo – Visma) voraus, dass entweder er oder Remco Evenepoel (Deceuninck – Quick-Step) das italienische Monument gewinnen würden. Doch ein schwerer Sturz des jungen Belgiers sowie der überragend fahrende Jakob Fuglsang (Astana) machten die Prognose des Neuseeländers zunichte. So blieb dem Gewinner von Gran Piemonte hinter dem cleveren Dänen nur der zweite Platz in Como.

Für den 35-jährigen Fuglsang war es nach seinem Sieg bei Lüttich-Bastogne-Lüttich 2019, den er ebenfalls als Solist herausgefahren hatte, der zweite Triumph bei einem der fünf Monumente und vielleicht ein weiterer Fingerzeig, dass er eher ein Mann für die schweren Eintagesrennen als für die großen Landesrundfahrten ist. "Ich bin super glücklich über diesen Sieg und dass ich ein weiteres Monument meinen Palmares hinzufügen konnte. Ich wusste, dass ich in guter Form hierher gekommen war und dass ich das Rennen gewinnen könnte. Aber es fällt einem natürlich leichter, dies zu sagen, wenn man tatsächlich gewonnen hat“, kommentierte der Mann des Tages seinen bereits vierten Saisonsieg.

Fuglsang griff an, obwohl er hätte auf den Sprint warten können

Fuglsang und Bennett hatten sich am Civiglio-Anstieg, dem vorletzten des Tages, auf Initiative des Astana-Kapitäns aus der kleinen Spitzengruppe abgesetzt und nahmen dann gemeinsam mit dem wieder aufschließenden Aleksandr Vlasov (Astana) den Weg hinauf nach San Fermo di Battaglia in Angriff. Dort hätte der sprintstärkere Fuglsang durchaus abwartend fahren können, doch er entschied sich dazu, eine Attacke von Bennett zu kontern, nachdem zuvor Vlasov schon zurückgefallen war. Dies zeigte, wie stark sich Fuglsang fühlte. Denn eine solche Konterattacke nach schweren 225 (von insgesamt 231) Kilometern hätte auch leicht nach hinten losgehen können. Doch der Plan des Routiniers ging auf und mit seinem Antritt zog er Bennett endgültig den Zahn.

Auch wenn es am Ende ein Kampf Mann gegen Mann war, so spielte die mannschaftliche Unterstützung im Finale ebenfalls eine Rolle. Während Bennett auf sich alleine gestellt war, hatte Fuglsang bis wenige Kilometer vor dem Ziel noch den Russischen Meister Vlasov an seiner Seite, der am Ende die starke Astana-Leistung als Dritter krönte. “Es war toll, Vlasov so lange an meiner Seite zu haben“, lobte Fuglsang seinen Teamkollegen, der ab der Murro di Sormano 50 Kilometer vor dem Ziel für das Tempo sorgte und die Spitzengruppe erheblich ausdünnte.

Bennett war im Gegensatz zur Konkurrenz auf sich alleine gestellt

“Andere Teams waren im Finale mit mehreren Fahrern vorne vertreten, ich war alleine. Ich habe versucht, dies irgendwie für mich zu nutzen“, so Bennett, der sich bei der Tempoarbeit entsprechend zurückhielt. "Aber irgendwann war es dann einfach zu viel“, sagte der Kletterspezialist, der als erster Neuseeländer überhaupt bei einem Monument auf dem Podium stand und deshalb von einem "großartigen Tag“ sprach. Bei der Konkurrenz dürfte der verpasste Sieg auch für Erleichterung gesorgt haben. Denn nach dem jüngsten Lauf von Jumbo - Visma musste man die niederländische Mannschaft schon fast als unschlagbar einstufen.

Trek-Segafredo nur auf der Papierform das stärkste Team

Das auf der Papierform stärkste Team – Trek – Segafredo – mit Titelverteidiger Bauke Mollema, Ex-Sieger Vincenzo Nibali und dessen aufstrebendem Landsmann Giulio Ciccone zeigte zwar eine starke Mannschaftsleistung. Doch am Ende reichte dies nur zu den Plätzen vier (Mollema), fünf (Ciccone) und sechs (Nibali). Die Tagesteamwertung hätte man damit gewonnen, doch dies war nicht das erklärte Ziel. “Ich bin schon ein bisschen enttäuscht“, gestand Mollema, der extra auf das Criterium du Dauphiné als Tour-Vorbereitung verzichtet hatte, um in Italien seinen Titel verteidigen zu können.

Doch dem Niederländer spielte das Sommerwetter beim traditionell im Herbst ausgetragenen Klassiker nicht in die Karten. Sein Team hatte dabei eine perfekte Ausgangslage, war Trek - Segafredo mit gleich drei Fahrern in der sieben Akteure umfassenden Spitzengruppe, als es die Abfahrt vom Murro di Sormano knapp 50 Kilometer vor dem Ziel hinunterging. "Ich habe mich auch ziemlich gut gefühlt, aber dann hat mir die Hitze im Finale einen Streich gespielt. Am Ende waren drei Fahrer stärker“, erklärte der Mollema, der sich bei seiner Verfolgungsjagd des Spitzentrios auf der Civiglio-Abfahrt auch noch versteuerte und so alle Hoffnungen aufgeben musste.

Hohe Temperaturen sorgen für große Zeitabstände

Das heiße Wetter mit Temperaturen um die 30 Grad bei dem als "Rennen der fallenden Blätter“ bekannten Monument dürfte auch für die großen Zeitabstände im Peloton verantwortlich gewesen sein. Der zehntplatzierte Mathieu van der Poel (Alpecin - Fenix) wies über sechs Minuten Rückstand gegenüber Fuglsang auf. In den vergangenen 20 Jahren waren die Zeitabstände innerhalb der Top Ten bedeutend geringer. Für van der Poel war seine erste Teilnahme an Il Lombardia zumindest aufschlussreich. "Es wird sehr schwierig für mich, hier jemals um den Sieg mitzufahren", gab der Niederländer zu.

Und wieder überschatten Stürze das Renngeschehen

Wie schon bei der Polen-Rundfahrt wurde das sportliche Geschehen von schweren Stürzen getrübt. Zunächst erwischte es Top-Favorit Evenepoel auf der berüchtigten Abfahrt hinunter vom Murro di Sormano-Anstieg, wo in der Vergangenheit schon viele Fahrer gestürzt waren. Der Belgier flog über eine Brückenmauer einen Abhang hinunter und zog sich dabei “nur“ einen Beckenbruch und eine Lungenprellung zu. “Ich habe der UCI und der Rennorganisation mehrmals mitgeteilt, dass diese Abfahrt unmöglich ist, aber nichts ändert sich“, sagte Deceuninck-Teamchef Patrick Lefevere zu Het Nieuwsblad nach dem Rennen. Sein italienischer Sportdirektor Davide Bramati relativierte allerdings die Aussage des Belgiers: “Ich weiß nicht, ob die Abfahrt zu gefährlich ist. Und Stürze gehören leider zum Radsport dazu.“

Das sah Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) gestern sicher anders. Der Deutsche Meister hätte gerne auf seinen Sturz verzichtet. Auf der letzten Abfahrt kreuzte ein nicht zum Rennen gehörender PKW plötzlich seinen Weg und es kam zur Kollision. Schachmann ging zu Boden, rappelte sich wieder auf und fuhr sogar noch als Siebter ins Ziel. Doch nach dem Rennen kam die niederschmetternde Diagnose: Schlüsselbeinbruch. Somit finden die Saisonhöhepunkte der beiden Gestürzten ziemlich sicher ohne sie statt. Schachmann war für die Tour de France eingeplant, Evenepoel wollte beim Giro d`Italia auf Gesamtsieg fahren. Im Fall von Schachmann hat der Radsportweltverband UCI bereits eine Untersuchung angekündigt.

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