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26.09.2019 | (rsn) - Die Geste war vielsagend: Als er nach einem überragenden Auftritt im WM-Zeitfahren von Yorkshire über die Ziellinie jagte, tippte sich Rohan Dennis mit seinem rechten Zeigefinger gegen den Helm, ehe er beide Arme zum Jubel in die Luft streckte. Später erklärte der alte und neue Weltmeister in der Mixed Zone, was er damit verdeutlichen wollte: Sein Triumph nach den 54 Kilometern zwischen Northallerton und Harrogate war nicht nur auf seine guten Beine zurückzuführen, sondern vor allem das Ergebnis mentaler Stärke.
Seit seinem spektakulären Ausstieg bei der Tour de France hatte der Australier nämlich kein einziges Radrennen mehr bestritten, und das nicht etwa, weil er verletzt oder erkrankt war, sondern weil ganz augenscheinlich das Tischtuch zwischen Dennis und seinem Team Bahrain - Merida zerschnitten ist. Bezeichnenderweise sagte der 29-Jährige am Mittwoch auf die Frage, ob er noch den bis Ende 2020 gültigen Vertrag erfüllen werde: “Im Moment kann ich überhaupt nichts bestätigen.“ Wie eine weitere Zusammenarbeit der beiden augenscheinlich völlig zerstrittenen Parteien möglich sein soll, konnte sich nach dem Zeitfahren allerdings niemand so recht vorstellen.
Dennis hatte in seinem wichtigsten Einsatz des Jahres nicht nur auf seine bewährte und in schwarz und ohne Schriftzug gehaltene BMC-Zeitfahrmaschine des vergangenen Jahres zurückgegriffen und einen neutralen Helm verwendet. Seine Frau Melissa Hoskins - auch das ein kleiner, aber deutlicher Hinweis - wartete im Ziel mit dem gemeinsamen Sohn auf ihren Mann und trug eine Mütze mit dem Schriftzug “Team Dennis“.
Damit nicht genug der Zeichen: Radausrüster BMC gratulierte dem Titelverteidiger später auf Twitter zur Goldmedaille, während Bahrain - Merida auf seiner Twitterseite ebenfalls eine Gratulation loswurde - allerdings bereits am 23. September an Antonio Nibali zu dessen 27. Geburtstag. Das war der bis dahin letzte Eintrag des Teams.
In Harrogate nun äußerte sich Dennis über die vergangenen beiden Monate, die ihm sehr zugesetzt hätten, vor allem, weil er in den Sozialen Medien für seinen Tour-Ausstieg ohne Angabe von Gründen harsch angegangen worden war. “Es gab eine Menge Gegenreaktionen. Ich habe mir das sehr zu Herzen genommen und das war nicht gesund für mich “, gab er auf der Pressekonferenz zu. “Das hat sich auf mein Training ausgewirkt. Ich dachte, ich wäre nicht gut genug. " Mit Hilfe des Sportpsychologen David Spindler gelang es ihm schließlich, eine Gegenstrategie zu entwickeln - und die bestand darin, sich den destruktiven Einflüssen zu verschließen und sich beispielsweise bei Twitter abzumelden.
Es lag nicht an der Physis
"Wir haben mental und abseits des Rads viel dafür getan, dass ich zumindest in der Lage sein würde, hier starten zu können - vom Sieg ganz zu schweigen“, erläuterte Dennis und betonte, dass es nicht an der Physis gelegen habe. “Körperlich hatte ich es das ganze Jahr über drauf. Es ging darum, die mentale Seite wieder in Ordnung zu bringen und mich nicht zuviel um das zu kümmern, was jenseits von dem geschah, was ich mache. Es ging darum, diese Negativität zu beseitigen und wirklich an die Menschen zu denken, die mich unterstützen, egal was passiert.“
Das Vorhaben gelang und Dennis konnte auf Nachfrage sogar den genauen Tag benennen, an dem er überzeugt war, dass er in Yorkshire um die Medaillen würde kämpfen können. "Um genau zu sein, war es der 15. September", verriet er und meinte damit eine Trainingseinheit, die besonders gut verlaufen war. “Da kam mein Selbstvertrauen zurück. Von da an hatte ich keinen Zweifel mehr, dass ich hier auf dem Podium stehen würde und sah auch keinen Grund, warum ich nicht gewinnen könnte.“
Mit seinem Auftritt habe er niemandem außer sich selbst etwas beweisen wollen, so der ehemalige Stundenweltrekordler, der auch keine Revanchegefühle verspürte. " Das ist für mich - für sonst niemanden. Für mich und das kleine Team, das mich bei dieser WM unterstützt. Es gibt keine Revanche“, betonte er. Nach dem 28. und wohl wichtigsten Sieg seiner Karriere wird Dennis sich am Sonntag im WM-Straßenrennen noch in den Dienst von Michael Matthews stellen, der für die zweite australische Goldmedaille bei den Männern sorgen könnte. Danach wird er seine Saison beenden, ohne zu wissen, wie es weitergeht. “Ich denke, danach müssen sie andere fragen“, sagte er und spielte den Ball in das Feld von Bahrain - Merida.
Der Rennstall aktualisierte am Donnerstagvormittag übrigens seine Twitterseite - und präsentierte dort das Aufgebot für die am 1. Oktober beginnende Kroatien-Rundfahrt, natürlich ohne Rohan Dennis!
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