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27.01.2019 | (rsn) - Auch in diesem Jahr stellen wir zu Saisonbeginn alle 18 WorldTour-Teams vor und analysieren die vergangene Saison, die Transferpolitik sowie die Stärken und Schwächen der Aufgebote.
Teil 15: Mitchelton - Scott
Rückblick 2018: Es war das Jahr des Simon Yates – zunächst auf dramatische, später auf triumphale Weise. Im Mai gewann der Brite drei Etappen beim Giro d’Italia und sah bereits wie der Gesamtsieger aus, ehe er auf der vorletzten Bergetappe spektakulär einbrach. Yates lernte jedoch seine Lektion, teilte sich bei der Vuelta a Espana im Herbst seine Kräfte besser ein und sorgte so für den ersten Grand-Tour-Triumph in der Teamgeschichte. Am Ende der Saison gewann Yates auch noch die WorldTour-Einzelwertung. Die Tour de France war als große Bühne für seinen Zwillingsbruder Adam gedacht, doch dieser konnte in den Bergen nicht mit der Konkurrenz mithalten.
Insgesamt verzeichnete Mitchelton - Scott 37 Saisonsiege, der beste Wert seit der Gründung des Teams im Jahr 2012. Gleich im Januar gelang dabei der prestigeträchtige Heimsieg bei der Tour Down Under durch Daryl Impey, Mikel Nieve verbuchte außerdem beim Giro einen weiteren Grand-Tour-Tagessieg. Bei den Klassikern gelang Neuzugang Matteo Trentin lediglich mit Platz sieben bei Gent-Wevelgem eine Top-Ten-Platzierung. In Glasgow sicherte sich der Italiener zumindest den Europameistertitel auf der Straße. Nur bei Caleb Ewan klemmte es: Der Sprinter kam nur auf drei Siege und blieb – trotz anderslautender Aussagen zu Saisonbeginn – auch bei der Tour außen vor.
Die wichtigsten Zu- und Abgänge: Konsequent erscheint daher der Wechsel des 24-Jährigen zu Lotto Soudal. Mitchelton - Scott baut auf die großen Landesrundfahrten – mit den Ambitionen des Sprinters letztendlich nicht kombinierbar. Anfahrer Roger Kluge wechselte gleich mit zu Lotto Soudal.
Demzufolge sind die Vertragsverlängerungen mit Simon und Adam Yates trotz großem Interesse anderer Teams als größte Errungenschaft der Transferperiode zu bewerten. Da die beiden Briten künftig allerdings zu deutlich angehobenen Konditionen unterwegs sein werden, musste an anderer Stelle Geld gespart werden. Roman Kreuziger und Carlos Verona schlossen sich deshalb Dimension Data beziehungsweise Movistar an. Überraschend ist der Abgang von Robert Power, einem vielversprechenden Kletterer, der mittlerweile das Trikot von Sunweb trägt. Der 41-jährige Svein Tuft setzt seine Karriere beim ProContinental-Team Rally UHC fort. Mit Mathew Hayman beendete ein anderer altgedienter Profi nach der Tour Down Under seine Karriere. Der Sieger von Paris-Roubaix 2016 bleibt dem Team allerdings als technischer Berater erhalten.
Die Neuverpflichtungen stellen gute Ergänzungen dar. Brent Bookwalter (BMC) dürfte künftig einen erfahren und guten Domestiken im Hochgebirge abgeben, Tsgabu Grmay (Trek-Segafredo) hat sich als loyaler Helfer etabliert. Dion Smith (Wanty - Groupe Gobert) könnte hingegen als Helfer für Trentin in den Sprints und bei den Klassikern einen Mehrwert liefern. Gute Perspektiven bieten der australische Kletterer Nick Schultz (Caja Rujal), sein vielseitiger Landsmann Callum Scotson aus dem eigenen Nachwuchs sowie der Italiener Edoardo Affini (SEG).
Im Fokus: Einst galt Esteban Chaves als größte Klassementhoffnung des Teams. Der Kolumbianer beendete 2016 sowohl den Giro d’Italia und Vuelta a Espana auf dem Podium und gewann im selben Jahr auch den Herbstklassiker Il Lombardia. Im Anschluss jedoch stockte seine Karriere aufgrund von extremen Leistungseinbrüchen. Bei seinem geplanten Angriff auf das Tour-Gesamtwertung 2017 fuhr Chaves hoffnungslos hinterher, beim Giro 2018 brach er nach einem Etappensieg am Ätna komplett ein. Im Anschluss stellten die Ärzte eine Virusinfektion und Pfeiffersches Drüsenfieber fest, Chaves musste seine Saison beenden.
Mittlerweile soll er sich wieder vollständig erholt haben: Sein Debüt 2019 wird Chaves bei der Valencia-Rundfahrt Anfang Februar geben, der erste Höhepunkt soll der Giro sein, dabei jedoch in einer Helferrolle für Simon Yates. Kann Chaves noch einmal an seine Leistungen von 2016 anknüpfen? Für seine eigene Karriere braucht er dringend Resultate, durch den Aufstieg der Yates-Brüder droht dem mittlerweile 29-Jährigen aber womöglich künftig nur die Rolle des Edelhelfers. Sein Vertrag läuft Ende der Saison aus, Chaves steht vor einem wegweisenden Jahr.
Aufgepasst auf … Edoardo Affini. Die niederländische Continental-Equipe SEG Racing Academy hat sich über die Jahre einen guten Ruf als Talentschmiede erarbeitet, zur Saison 2019 schafften gleich vier Fahrer den Sprung in die WorldTour. Einer der meistversprechenden Aufsteiger ist Affini. Der 22-jährige Italiener machte in erster Linie mit seinen Zeitfahrqualitäten Eindruck, gewann in dieser Disziplin die U23-Europameisterschaft, den nationalen U23-Titel und wurde in Innsbruck WM-Vierter. Bei Mitchelton - Scott sieht man Affini langfristig aber auch als Kandidaten für die belgischen Klassiker.
Ausblick 2019: Mitchelton - Scott gehört mittlerweile zum erlesenen Kreis derjenigen Teams, die fast jedes große Rennen gewinnen können. Großen Anteil daran haben die Yates-Brüder, insbesondere nach dem Leistungssprung 2018 durch Simon Yates. Um die Tour de France macht der 26-jährige Brite in dieser Saison allerdings einen Bogen, kehrt stattdessen zum Giro d’Italia zurück – mit dem er nach seinem späten Einbruch 2018 noch “eine Rechnung offen hat.“ Die Italien-Rundfahrt wird dabei zum interessanten Schauplatz des Duells mit Tom Dumoulin, eines, das den Radsport möglicherweise über die kommenden Jahre prägen wird. Mit Chaves, Jack Haig, Nieve, Christopher Juul Jensen, Damien Howson und Neuzugang Bookwalter kann Yates mittlerweile auf eine routinierte wie schlagkräftige Helfertruppe bauen.
Naheliegend ist zudem der Start als Titelverteidiger bei der Spanien-Rundfahrt. Yates hat 2018 einen bemerkenswerten Reifeprozess vollzogen, knüpft er daran an, liegt 2019 ein weiterer Grand-Tour-Titel im Bereich des Möglichen. Adam Yates bekommt dagegen eine weitere Bewährungschance bei der Tour de France. Er scheint in seiner Entwicklung derzeit hinter seinen Zwillingsbruder zurückgefallen zu sein, ein Kandidat für eine Top-Ten-Platzierung ist er trotzdem. Die Zwillinge besitzen zudem gute Aussichten bei einwöchigen Rundfahrten.
Die Klassiker-Hoffnungen ruhen auf Europameister Trentin, der sich in seinem ersten Jahr bei Mitchelton-Scott unter Wert schlug. Als Siegfahrer auf dem Pavé hat sich der Italiener bislang noch nicht entpuppt, das Potenzial für Spitzenplatzierungen bringt er aber mit. Mit Luka Mezgec und Luke Durbridge ergeben sich hier noch weitere Optionen. Den so wichtigen ersten Saisonerfolg feierte die Equipe durch Impey bei der Tour Down Under – der mittlerweile fünfte Gesamtsieg beim heimischen Rennen in den vergangenen acht Jahren.
Der 34-jährige Südafrikaner besitzt zudem Chancen auf weitere WorldTour-Tagessiege, auch Cameron Meyer, Alex Edmondson, Routinier Michael Albasini, Trentin oder Juul Jensen sind für Erfolge gut. Die Sprinterlücke nach dem Abgang von Ewan schloss Mitchelton - Scott dagegen nicht. Das kostet Siege, wird aber für weitere Großtaten bei den dreiwöchigen Landesrundfahrten in Kauf genommen.
Eckdaten:
Land: Australien
Hauptsponsor: Mitchelton, Scott
Branche: Weinproduzent, Radhersteller
Teamchef: Shayne Bannan
Radausrüster: Scott
WorldTour-Ranking 2017: 5
Fahrer im Aufgebot: 26
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