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26.07.2017 | (rsn) - Bei seiner achten Tour de France hat Christian Knees (Sky) seinen Anteil zum Gesamtsieg von Chris Froome beigetragen. Zuletzt stand der 36-jährige Rheinbacher 2012 am Start der Frankreich-Rundfahrt, damals als Helfer von Bradley Wiggins, der als erster Brite das Gelbe Trikot gewann. Im Interview mit radsport-news.com spricht Knees über seine beiden Kapitäne, den Verlauf dieser Tour de France und über die Etappe, bei der das Unternehmen Tour-Sieg am seidenen Faden hing.
Herr Knees, das ist "Ihr“ zweiter Tour-Sieg für und mit Team Sky - welcher ist der schönere? Der diesjährige durch Chris Froome oder der von 2012 durch Bradley Wiggins?
Knees: Dieses Jahr war wirklich eine sehr schöne Erfahrung, weil durch die engen Zeitabstände noch mehr als sonst mannschaftliche Leistung gefordert war. Dazu kommt noch, dass wir am Ende als bestes Team alle zusammen auf das Podium in Paris gehen durften. Und das macht diese drei Wochen noch einmal spezieller.
Ihr Teamkollege Froome hatte ein schwieriges Frühjahr ohne einen einzigen Sieg hinter sich. Sind Sie überrascht, dass er die Tour doch wieder - und letztlich auch souverän - gewonnen hat?
Knees: Nein, überrascht bin ich nicht. Es wurden bei ihm auch einige Sachen verändert, etwa in Sachen Rennprogramm. Er ist vor der Tour sehr wenige Rennen gefahren, sicherlich mit der Idee, in der dritten Woche besonders gut zu sein - und vielleicht auch im Hinblick auf die Spanien-Rundfahrt. Er ist auch deshalb so wenige Rennen gefahren, weil er in den letzten Jahren bei einigen Rennen krank geworden ist und dieses Risiko nicht wieder eingehen wollte. Ich war vorher mit Chris (im Trainingslager) auf Teneriffa und wusste, was er kann. Zudem muss ich sagen, dass etwa die Dauphiné von seinen Leistungen her nicht so negativ war, wie es berichtet wurde. Er war immerhin Vierter und hat am letzten Tag alles in die Waagschale geworfen. Er war bis zum letzten Berg Leader und ist dann ein bisschen eingebrochen. Insofern war er mit allen anderen auf Augenhöhe, und das ist bei der Tour auch so weiter gegangen. Und beim Zeitfahren war er sogar ein Stück voraus.
Sie waren zuletzt 2012 bei der Tour und sind mittlerweile 36. Hatten Sie überhaupt damit gerechnet, nochmal den Sprung ins Aufgebot zu schaffen?
Knees: Die Stärke des Teams macht es nicht einfach, ins Tour-Aufgebot zu kommen. Ich war über die Jahre immer wieder ganz knapp davor. Es gibt Leute, die mich immer wieder für das Tour-Team ins Spiel bringen. Insofern wusste ich, dass ich nicht weit weg bin, und ich habe auch bei anderen Rennen immer wieder überzeugt, deshalb also: Nein, das kam das nicht überraschend.
Wann war klar, dass Sie dabei sein werden?
Knees: Das Gute war, dass ich die Chance hatte, direkt beim ersten Trainingslager auf Teneriffa mit dem Tour-Team bzw. dem Kern-Team zu trainieren. Es stand schon von vornerein zur Debatte, dass drei Helfer für die Flachetappen mitfahren, weil diese Tour anders aussah als die der letzten Jahre. Meine Chancen waren immer recht gut. Aber selbst wenn man sich sicher ist, dass es gut ausgeht - ich war dann doch erleichtert, als ich am Tag nach dem Ende der Tour de Suisse die Bestätigung dafür bekommen habe. Schiefgehen kann immer was.
Froome und Wiggins werden als sehr gegensätzliche Charaktere beschrieben. Sind sie das wirklich?
Knees: Ja, sie sind schon sehr unterschiedliche Menschen. Froome ist noch der gleiche Kumpeltyp, wie man ihn vor seinen Tour-Siegen kennengelernt hat. Was nicht heißen soll, dass Bradley sich verändert hätte, er war schon immer so, wie er ist. Froome ist ein lieber und netter Kerl, der versucht, allen Leuten, den Fans und der Presse, gerecht zu werden und nicht mit Star-Allüren rüberkommt. Das lässt ihn normal wirken und nicht wie einen großen Star.
Wer ist Ihnen lieber als Kapitän?
Knees: Froome ist mir lieber, weil ich mit ihm eine persönliche Ebene habe und wir uns sehr gut unterhalten können.
Team Sky war in den vergangenen Jahren nicht gerade beliebt bei den Fans. Diesmal aber scheint es anders gewesen zu sein. Von einigen hässlichen Ausnahmen abgesehen, gab es keine Anfeindungen. Habe Sie das auch so erlebt?
Knees: Ich kann ja nicht sagen, wie es die letzten Jahre war, ich hatte das nur aus Presseberichten mitbekommen. Aber natürlich können wir es nicht allen recht machen, und weil wir so ein dominantes Team sind, mag uns in Frankreich nicht jeder. Dennoch ist alles im Rahmen geblieben.
Wenn am Ende einer Tour das Gelbe Trikot steht, dann muss der Plan, den man hatte, eigentlich aufgegangen sein. War das so?
Knees: Ja, unser Plan ging auf. Wir waren selber über das Einzelzeitfahren in Düsseldorf überrascht. Es war nicht unbedingt der Plan, dort das Gelbe Trikot zu übernehmen und es bis Paris zu verteidigen. Aber im Endeffekt war es gut, dass es so gekommen ist. Wir wussten zu überzeugen, selbst an den beiden Tagen, die wir das Trikot an Fabio Aru abgeben mussten. Da hat man auch den Charakter des Teams gesehen, wir haben nicht einen Moment daran gezweifelt, ob wir das schaffen können.
Auch nicht, als etwa mit Geraint Thomas Froomes Edelhelfer schon am neunten Tag nach einem Sturz ausfiel?
Knees: Natürlich war der Verlust von G. (Geraint) keine schöne Sache, aber es hat uns zum Glück nicht nachteilig begleitet. Wir hätten ihn gerne dabei gehabt, und es wäre eine interessante Sache gewesen zu sehen, wie Geraint sich die drei Wochen hält. Leider ist er dann durch diesen Sturz ausgeschieden.
Gab es einen Moment, in dem das Unternehmen Tour-Sieg auf der Kippe stand?
Knees: Es hätte den Bach runtergehen können, als Froome (auf der 15. Etappe) Defekt hatte und mit Kwiatkowski das Rad wechselte. Es war so, dass AG2R, bevor es passiert ist, als geschlossene Einheit angegriffen hat, um das Rennen schwer zu machen, und er am Fuße des Berges einen Platten hatte und von Kwiatkowski das Hinterrad bekam. Wäre er nicht bis zur Spitze des Berges dran gewesen, dann wäre es mit der Tour für dieses Jahr gewesen, weil alles so eng war. Das war dann auch der Moment, als ich das Radio aus dem Ohr genommen habe, weil ich so nervös wurde. Aber auch da hat das Team super reagiert und Froome nach vorne gebracht. Luke und ich sind schon vorher den ganzen Tag gefahren, aber jeder andere Fahrer des Teams war in das „Zurückbringen“ von Froome involviert. Sogar Landa, der Fünfter in der Gesamtwertung war, hat auf ihn gewartet. Das zeigt den Charakter des Teams, nicht in Panik zu geraten und das wieder hinzubekommen.
Das war auch die entscheidende Etappe im Kampf um Gelb?
Knees: Die Entscheidungsetappe war erst das Zeitfahren in Marseille. Vorher war es sehr knapp und ein Defekt im heißen Moment hätte alles entscheiden können. Nicht umsonst haben Froome und (Teamchef) Dave Brailsford lobend erwähnt, dass das dieses Jahr ein wahrer Teamsieg ist, weil die Mannschaft einen so großen Beitrag dazu geleistet hat.
Vor wem hatten Sie und Ihr Team den größten Respekt?
Knees: Es sind über die drei Wochen ja einige rausgefallen, die man vorher auf der Rechnung hatte. Beispielsweise Richie Porte, der das Rennen nach seinem Sturz aufgeben musste. Der Kreis ist somit immer kleiner geworden. Rigoberto Uran hat sich zum zweiten Platz geschlichen. Er war unauffällig im Feld, einmal war er am Ende da und man wusste nicht, wie gut er Zeitfahren wird. Wir haben versucht, niemanden zu unterschätzen, AG2R war als Mannschaft sehr geschlossen, hat zwar hier und da einen Fehler gemacht, aber eine wirklich gute mannschaftliche Stärke gezeigt. Respekt hatten wir vor all unseren Gegnern.
Froome hat jetzt das vierte Gelbe Trikot gewonnen. Aber noch nie war es so knapp - deutet das auf eine mögliche Wachablösung hin oder wird er auch nächstes Jahr der Favorit sein?
Froome: Er wird wieder der Favorit sein. Er ist nicht schwächer geworden, vielleicht sind seine Gegner etwas stärker. Der diesjährige Kurs lag uns mit Sicherheit nicht so. Hätte es ein 50-Kilometer-Zeitfahren gegeben, dann hätte Chris zwei Minuten auf die anderen gutgemacht, und wir wären wieder bei einem Drei- Minuten-Abstand gewesen. Aber natürlich wird es sich 2018 wieder am Streckenverlauf zeigen, und ob er dann mit 33 Jahren noch die gleiche Leistung bringen kann.
Team Sky steht in Großbritannien durchaus in der Kritik. Es gibt einen Parlamentsausschuss, vor dem sich Teamchef Brailsford rechtfertigen musste, etwa wegen einer dubiosen Medikamentenlieferung an Wiggins aus dem Jahr 2011. Hat es das Team belastet?
Knees: Nein, das kann man trennen. Dave Brailsford hat auch meine Unterstützung. Er ist ein guter Chef. Und zu dem Thema kann ich nur schwer was sagen. Unsere Leistungen als Team hat das jedenfalls nicht negativ beeinflusst.
Teamchef Brailsford scheint die Kritik an Ihm doch nahezugehen. Er hat bei einem Pressegespräch am zweiten Ruhetag einen Journalisten heftig beleidigt. Ein Verhalten, das man von ihm in den Jahren zuvor nie erlebt hat. Was sagen Sie dazu?
Knees: Das ist nicht mein Business, und ich kann und will nichts dazu sagen, was zwischen ihm und dem Journalisten da vorgefallen ist.
Was bleibt Ihnen von dieser Tour besonders in Erinnerung?
Knees: Besonders war der Start in Deutschland, die Unterstützung, die wir hier erfahren haben, war grandios. Ansonsten war es eine schöne Reise durch Frankreich und die Tour-Atmosphäre ist ja immer ganz besonders. Da kann man die letzten Jahre noch so oft Giro und Vuelta gefahren sein, wenn man zur Tour kommt und das Medienaufgebot und die Begeisterung der Fans sieht, das ist nochmal was anderes.
Hat sich die Tour verändert in den fünf Jahren, in denen sie nicht dabei waren?
Knees: Nein.
Es steht fest, dass Sie weitere zwei Jahre beim Team Sky bleiben?
Knees: Ich habe es ja schon mal gesagt: Meine Zukunft ist gesichert, man muss sich keine Sorgen darum machen. Für mich persönlich gibt es dabei grundsätzlich ein paar Prämissen. Ich muss Spaß daran haben, ansonsten würde ich aufhören, oder wenn ich ein interessantes Alternativangebot vorgelegt bekomme, das mich zweifeln lässt. Aber ich fühle mich im Team wohl, die Leistung stimmt, ich fühle mich körperlich dazu imstande und das habe ich dieses Jahr mehr als unterstrichen. Deswegen möchte ich weiterfahren.
Marcus Burghardt möchte gerne fahren, bis er 40 ist. Sie auch?
Knees: Ich setze mir kein Ziel. Wenn mein nächster Vertrag ausläuft, werde ich mich wieder umsehen. Ich setze mir noch keinen Termin, wann ich aufhören möchte. Ich habe Spaß und verdiene mein Geld damit. Seit vor zwei Jahren Hondo und Voigt aufgehört haben, bin ich der älteste deutsche WorldTour-Fahrer. Aber ich fühle mich nicht so, ich habe die ganze Zeit Umgang mit jungen Burschen, aber fühle mich nicht älter als die anderen. Solange das so bleibt - warum sollte ich aufhören?
Und Ihre Frau und die beiden Kinder spielen da mit? Immerhin sind Sie einen Großteil des Jahres unterwegs….
Knees: Ja, sie kennen mich gar nicht anders und sie sind auch stolz auf das, was ich dieses Jahr erreicht habe.
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