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17.10.2016 | (rsn) - Die Enttäuschung war riesig. Während Vertreter der Nachwuchs- und Frauen-Mannschaften des Bundes Deutscher Radfahrer gemeinsam mit Vize-Präsident Udo Sprenger auf dem Podium die Ehrung als beste Nation der Straßen-Weltmeisterschaften 2016 entgegen nahmen, leckte der Großteil des Männer-Teams im Teamhotel und an der BDR-Box noch an der Strecke seine seelischen Wunden.
"Es hat nicht an der Hitze gelegen, sondern einfach an den Beinen", fasste Kapitän André Greipel zusammen, als er einmal mehr auf die besonderen, klimatischen Bedingungen in Katar angesprochen wurde. Ausflüchte wollte der Hürther nicht suchen. Dass aus dem Traum vom ersten WM-Titel auf der Straße für Deutschland seit 50 Jahren ein Debakel wurde und Greipel als einziger BDR-Fahrer die Ziellinie sah - auf Rang 42 - das hatten sich die sechs Mann in Weiß selbst zuzuschreiben.
Nach 80 von 257,5 Kilometern zerrissen die Belgier, Briten und Italiener das Rennen wie erwartet an der Windkante und zerlegten dabei auch die deutsche Mannschaft in ihre Einzelteile. Einzig John Degenkolb schaffte den Sprung in die erste Windstaffel, Greipel und Marcel Kittel saßen in der zweiten Gruppe und die drei als Helfer eingeteilten Nils Politt, Jasha Sütterlin und Tony Martin fanden sich - in dieser Reihenfolge - in weiteren Grüppchen wieder, die bald zu einer dritten Gruppe zusammenliefen, welche aber nie wieder nach vorne kam.
"Gestern in der Besprechung haben wir gesagt, dass bei Kilometer 80 das Rennen losgeht und die Kante aufgemacht wird", erklärte Sütterlin nach dem Rennen im Gespräch mit radsport-news.com, dass man eigentlich ja alles gewusst hatte. "Das war uns bewusst und wir haben versucht, uns bestmöglich zu positionieren. Es ist aber nur drei von uns gelungen: Greipel, Kittel und Dege - uns Zeitfahrern leider nicht."
Das Problem entstand bereits in der Anfahrt auf die anvisierte 90-Grad-Rechtskurve hinunter von einer dreispurigen auf eine zweispurige Straße mitten in der Wüste - und vom Gegen- in den Seitenwind. Dort wurde es im Feld hektisch. Jeder wusste, was gleich passieren würde. Der Positionskampf glich Sprintvorbereitungen, und dabei verlor sich das deutsche Sextett. "Ich habe die Jungs nicht mehr gesehen. Wir haben uns verloren, das war der entscheidende Punkt", sagte Politt. Die drei Helfer kämpften noch einige Zeit um den Anschlusss, kamen aber nicht mehr heran.
Verloren war das Rennen zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht. Die Hoffnung hieß Degenkolb. Der 27-Jährige saß in der Spitzengruppe, die später den WM-Sieg unter sich ausmachen sollte, und hätte dort mitfahren können, ohne Führungsarbeit leisten zu müssen - mit dem Verweis auf seine Kapitäne Greipel und Kittel in der abgehängten Gruppe hätte das jeder seiner Begleiter akzeptieren müssen. Und vielleicht wäre so sogar Uneinigkeit in die Spitzengruppe gekommen und von hinten wären Greipel und Kittel wieder herangefahren. Wer weiß das schon?
Doch es dauerte nur einige Kilometer, bis auch die Aussicht auf eine Degenkolb-Medaille schwand. Plötzlich sah man den Sanremo- und Roubaix-Sieger von 2015 nicht mehr in der Spitzen- sondern in der Verfolgergruppe an der Seite von Greipel und Kittel. Ein Plattfuß am Hinterrad stoppte 'Dege', der trotzdem noch "guter Dinge" war, "dass wir noch nach vorne kommen und ins Renngeschehen eingreifen können."
Auch Kittel sah es ähnlich: "Wir haben als Team vorher darüber gesprochen, dass eine solche Situation erstmal kein Problem wäre. Ich meine: Es waren ja nur 40 Sekunden. Das ist keine Welt", sagte das Sprint-Ass. Und tatsächlich hielten die Verfolger den Rückstand zur Spitze eingangs des knapp acht Mal zu umrundenden 15-Kilometer-Rundkurses auf der Insel 'The Pearl' noch auf unter eine MInute. Aber das war es auch schon.
"Wir waren zu dritt und in der Situation, dass wir fahren mussten. Das ist nicht einfach, wenn nur ein Viertel der zweiten Gruppe motiviert ist, überhaupt nach vorne zurückzukommen", erklärte Kittel enttäuscht. "Als wir auf der Runde hier dann versucht haben, das Rennen mit Attacken zu beschleunigen und nichts passiert ist, weil niemand auch nur im Ansatz das Interesse hatte mit uns zu fahren, war es schon klar, dass es richtig schwer wird. Und als der Abstand auf zwei Minuten wuchs, war es ein Ding der Unmöglichkeit."
Zwar wehrten die Deutschen sich noch eine Weile, doch während der Schlussrunden mussten alle einsehen, dass die Verfolgung nicht von Erfolg gekrönt sein würde. Nachdem Martin, Politt und Sütterlin bereits zuvor vom Rad gestiegen waren, verabschiedeten sich auch Degenkolb und Kittel schließlich an der Box vorzeitig aus dem Rennen. "Wir haben alles versucht - mehr konnten wir nicht machen", befand Degenkolb schließlich, während die Spitzenreiter noch um den Sieg kämpften.
Einzig Greipel fuhr das Rennen noch zu Ende und als 42. über den Zielstrich, um dann selbstkritisch zu bilanzieren: "Man kann nicht Kapitän einer Mannschaft sein, wenn man nicht vorne dabei ist. Ich bin einfach enttäuscht, dass ich nicht in der Gruppe dabei war - das ist alles."
André Greipel spricht über das WM-Rennen:
Kittel im Interview:
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