WM-Kommentar

Bitte nie wieder eine Qual Qatar!

Von Wolfgang Brylla

Foto zu dem Text "Bitte nie wieder eine Qual Qatar!"
Radrennen ohne Zuschauer: Straßen-WM in Katar | Foto: Cor Vos

18.10.2016  |  (rsn) - Wir hätten eine riesengroße Bitte an die Verantwortlichen im Radsportweltverband. Nie wieder! Bitte nie wieder eine Straßen-WM in einem Land, das mit Radsport soviel gemein hat wie Rosamunde Pilcher mit dem Literaturnobelpreis. Für die Zuschauer war die diesjährige Straßenweltmeisterschaft, obwohl sie rein sportlich gesehen einige phänomenale Leistungen und Ergebnisse bot, eine Qual. Eine Qual Qatar!

Brian Cookson, seit 2013 UCI-Präsident, konnte für die Auswahl des WM-Gastgeberlands nichts. Der Deal wurde bereits davor von seinem Vorgänger Pat McQuaid eingefädelt, der sich große Hoffnungen auf eine Finanzspritze von den arabischen Scheichs machte. Und die kam: Zehn Millionen Schweizer Franken wurden auf das Konto des Verbandes überwiesen, wie Cookson am Samstag in Doha bestätigte.

Eine Menge Geld dafür, dass der Weltverband wenig unternehmen musste. Das System ist einfach und gut bekannt: Die UCI übernimmt die Schirmherrschaft und überlässt dem örtlichen Organisationskomitee weitgehend freie Hand. In Sachen Streckenführung etwa hat die UCI nicht viel zu melden.

In diesem Jahr wurden einige kritische Stimmen laut, die das  technisch wenig anspruchsvolle Profil in Doha bemängelten. Der  Radsportverband  wollte vom Organisationskomitee um den ehemaligen BMC-Teamchef John Lelangue und Scheich Khalid Bin Ali Al Thani weitgehende Veränderungen. Die aber winkten ab und ließen die UCI im Regen stehen. Erst einige Wochen vor der WM wurden kleinere Korrekturen im Rennprogramm vorgenommen, obwohl der offizielle WM-Botschafter Eddy Merckx nach wie vor für die ursprüngliche Version plädierte.

Merckx ist mittlerweile auch für die Oman-Rundfahrt zuständig und wurde als Vertreter des Organisators ASO (Amaury Sport Organisation) im Nahen Osten zu einer wichtigen Figur im Radsport-Geschäft. Es handelt sich dabei um denselben Merckx, der bei der Oman-Rundfahrt 2015, als in der Wüste ein Orkan alles wegfegte, die Rennfahrer trotzdem an den Start schicken wollte. Nur wegen des vehementen Widerstands von Fabian Cancellara und anderen namhaften Profis wurde die Etappe abgesagt.

Kaum überraschend, dass Merckx die Temperaturen von bis zu 40 Grad in Katar als nichts Außergewöhnliches bezeichnete: Man sei bei der Spanien-Rundfahrt bei ähnlichem Wetter ebenfalls schon gefahren. Wohl wahr, aber: Es ist doch ein Unterschied, wenn man bei extremen Temperaturen im europäischen Klima unterwegs ist oder stattdessen auf der Arabischen Halbinsel nicht nur mit der trockenen Hitze, sondern auch mit dem Wüstenwind zu kämpfen hat. Der Sturz von Anouska Koster, die, von der Hitze zermürbt und offenbar verwirrt, kopfüber in eine Absperrung flog, und der von einem Hitzschlag getroffenene Enzo Wouters sind in dem Zusammenhang nur zwei der abschreckenden Beispiele.

Fast muss man sagen, dass zum Glück nicht viele Zuschauer die zahlreichen total erschöpften Fahrerinnen und Fahrer zu Gesicht bekamen. Nur im Straßenrennen der Männer versammelten sich in der Zielankunft einige Fans. Mehr kommen jedoch in Deutschland jedes Wochenende zu einem Kreisligaspiel. Hat UCI-Chef Cookson geglaubt, dass die Veranstalter die Zuschauerzahlen doch noch irgendwie nach oben treiben würden?

Der "Einkauf“ von spanischen Fans wie bei der Handball-WM 2015 war diesmal offenbar nicht möglich - so haben wir eine WM vor leerer Kulisse serviert bekommen. Erinnert man sich an die Zigtausenden von Fans etwa in Valkenburg 2012 oder Florenz 2013, war Katar ein Fiasko, noch viel schlimmer als die ebenfalls mau besuchte WM im spanischen Ponferrada 2014. Dort war wenigstens die Route interessanter und anspruchsvoller.

Soll man in Zukunft die Straßen-WM überhaupt an ein Land vergeben, dass nicht nur keine Radsporttradition besitzt, sondern auch kaum in den nationalen Radsport investiert? Sämtliche Maßnahmen wie das Bahrain-Projekt, die Oman- oder die Katar-Rundfahrt, sind nur auf Marketing und internationale Anerkennung zugeschnitten. Zum Straßenrennen der Männer trat kein Katarer an, insgesamt stellten die Gastgeber nur drei Nachwuchsfahrer. Peinlich!

Also bitte liebe UCI. Den Radsport weltweit im Zeitalter der Globalisierung zu fördern – natürlich! Aber das, was wir in Katar zu sehen bekamen, war doch ein Schuss, der nach hinten losging. Bessere Werbung für den Radsport könnte man beispielsweise in Afrika betreiben. Dort könnte die UCI sich sicherlich über mehr Zuschauer freuen, Radsport begeisterte allzumal. Das Problem: Wohl kein afrikanisches Land kann sich eine WM leisten. Leider aber folgte der Weltverband in den vergangenen Jahren oft genug nur der Spur des Geldes.

Mehr Informationen zu diesem Thema

16.11.2016Andersen bei der WM absichtlich von Polizeiauto umgefahren?

(rsn) – Bei der Straßen-WM in Doha ist die Norwegerin Susanne Andersen von einem Polizeiauto umgefahren worden, nachdem sie von ihrem Einsatz im Zeitfahren der Juniorinnen auf dem Weg zurück zum T

17.10.2016Kittel: "Das ist auch Erfahrungssache"

(rsn) – Mit gleich zwei Debütanten trat das nur sechsköpfige deutsche Team in gestrigen WM-Straßenrennen von Doha an. Der Kölner Nils Politt und der Freiburger Jasha Sütterlin hatten sich nach

17.10.2016L´Equipe: Ein "Großes Fiasko" für die Franzosen

(rsn) - Wo waren eigentlich die Franzosen im WM-Straßenrennen von Doha? Einen Tag nach den Titelkämpfen und dem erneuten Triumph von Peter Sagan sind die Mannschaften aus Belgien, Italien, Norwegen,

17.10.2016Degenkolb: Auf "The Pearl" wurde aus Hoffnung Frust

(rsn) – John Degenkolb ist bereits im Besitz von zwei WM-Medaillen. In seinem ersten U23-Jahr gewann der Oberurseler 2008 in Florenz die Bronzemedaille, zwei Jahre später musste er sich im australi

17.10.2016Windkante und Plattfuß kosteten Deutschland alle Chancen

(rsn) - Die Enttäuschung war riesig. Während Vertreter der Nachwuchs- und Frauen-Mannschaften des Bundes Deutscher Radfahrer gemeinsam mit Vize-Präsident Udo Sprenger auf dem Podium die Ehrung als

16.10.2016Weltmeister Sagan: Unfassbar erfolgreich

(rsn) - Selbst den ganz großen Namen wie Eddy Merckx oder Alfredo Binda blieb diese Ehre verwehrt: die Titelverteidigung bei einer Straßen-Weltmeisterschaft. Peter Sagan hat den beiden Radsport-Lege

16.10.2016Medaillenspiegel der Straßen-WM 2016

(rsn) - In insgesamt zwölf Wettbewerben der 89. UCI-Straßen-Weltmeisterschaften in Katar werden vom 9. – 16. Oktober 2016 insgesamt 36 Medaillen vergeben.In Einzelzeitfahren und Straßenrennen kä

16.10.2016Cavendish: Starke Saison ohne fettes Ausrufezeichen

(rsn) - Es wäre das fette Ausrufezeichen hinter eine Saison gewesen, die für Mark Cavendish eine Art sportlicher Wiedergeburt war. Bei der Tour de France katapultierte er sich mit vier Etappensiegen

16.10.2016Leezer fehlten in Doha 300 Meter zum WM-Gold

(rsn) – Wie bei den Deutschen ging auch bei den Niederländern der Plan nicht auf, am Ende des WM-Straßenrennens von Doha zumindest einen schnellen Mann vorne mit dabei zu haben. Denn Sprinthoffnun

16.10.2016Sagan krönt sein fabelhaftes Jahr mit zweitem WM-Gold in Folge

(rsn) – Bereits nach gut 80 Kilometern war in Katar der Traum der deutschen Profis vom ersten WM-Gold seit 50 Jahren jäh beendet. Bei einer von den Belgiern in der Wüste initiierten Windkantenatta

16.10.2016Boonen holt WM-Bronze in Doha - und hadert

(rsn) - Würde der Weltmeister nach Fleißarbeit ermittelt werden, dann hätte die belgische Equipe mit ihrem Einsatz berechtigten Anspruch auf den Titel in Doha gehabt. Doch so groß der Teamgedanke

16.10.2016Kristoff sauer - hielt sich Boasson Hagen nicht an die Absprache?

(rsn) – Quasi Seite an Seite rollten die beiden Norweger Edvald Boasson Hagen und Alexander Kristoff als Sechster und Siebter über den Zielstrich des WM-Straßenrennens, das nach 257,3 Kilometern i

Weitere Radsportnachrichten

09.09.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

09.09.2025Vuelta-Boss Guillen will nur ein Radrennen: “Das ist kein Kreuzzug“

(rsn) – Vuelta-Boss Javier Guillen hat mit deutlichen Worten auf die Straßenblockade durch Pro-Palästina-Demonstranten im Schlussanstieg der 16. Etappe dieser 80. Spanien-Rundfahrt am Castro de He

09.09.2025Visma-Teamchef Plugge appelliert an Demonstranten, UCI und Veranstalter

(rsn) – Nach dem Abbruch der 16. Etappe bei der Vuelta a Espana in Galicien hat sich nun auch der Chef des Teams Visma – Lease a Bike um den Gesamtführenden Jonas Vingegaard zu Wort gemeldet und

09.09.2025Ein letzter schwerer Tag in Galicien

(rsn) – Die 17. Etappe der Vueöta a Espana wird in El Barco de Valdeorras gestartet, das erstmals als Gastgeber auftritt. Das letzte Teilstück durch Galicien  führt über 143,2 Kilometer und end

09.09.2025Pogacar startet bei der Straßen-WM auch im Zeitfahren

(rsn) – Tadej Pogacar und Primoz Roglic stehen an der Spitze des slowenischen Aufgebots für die UCI-Straßen-WM in Ruanda. Während der Zeitfahr-Olympiasieger von Tokio 2021 aber nur im Straßenren

09.09.2025Highlight-Video der 16. Etappe der Vuelta a Espana 2025

(rsn) - So hätte sich Egan Bernal (Ineos Grenadiers) seinen größten Sieg seit dem Gewinn des Giro d’Italia 2021 sicher nicht vorgestellt. Der Kolumbianische Meister gewann zwar die 16. Etappe de

09.09.2025Kopecky holt sich einen Sieg für´s Selbstvertrauen

(rsn) – Lotte Kopecky (SD Worx – Protime) hat sich schon gleich zum Auftakt der Tour de l’Ardèche (9. – 14. September / 2.1) ihren großen Wunsch erfüllt und einen Etappensieg eingefahren.I

09.09.2025Bernal gewinnt wegen Protesten verkürzte 16. Vuelta-Etappe

(rsn) – Auch zu Beginn der dritten und entscheidenden Woche wurde die 80. Vuelta a Espana durch pro-palästinensische Demonstranten behindert. Die ursprünglich 167,9 Kilometer lange 16. Etappe von

09.09.2025Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 16. Etappe

(rsn) - 184 Profis aus 23 Teams sind am 23. August in Turin in Norditalien zur 80. Vuelta a Espana (2.UWT) angetreten. 3151 Kilometer ist die Spanien-Rundfahrt in diesem Jahr lang, nicht weniger als

09.09.2025Red-Bull-Profi Wandahl kehrt nach vier Monaten Pause zurück

(rsn) – Rund vier Monate nach seinem schweren Sturz bei der Ungarn-Rundfahrt kehrt Frederik Wandahl ins Feld zurück. Der 24-jährige Schwede wurde von seinem Team Red Bull – Bora – hansgrohe in

09.09.2025Schwäbisch Hall erster Etappenort der Deutschland Tour 2026

(rsn) – Gute zwei Wochen nach dem Ende der Deutschland Tour (2.Pro) haben die Organisatoren bereits den ersten Etappenort der kommenden Ausgabe bekanntgegeben. Wie es in einer Pressemitteilung hieß

09.09.2025Cofidis verlängert mit Thomas, Decathlon holt Lund Andresen

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • La Vuelta Ciclista a Espana (2.UWT, ESP)
  • Radrennen Männer

  • Turul Romaniei (2.2, ROU)
  • Giro della Toscana (1.1, ITA)