Exklusiv-Interview zur Tour

Klöden: „Klassementfahrer ist der härteste Job im Peloton"

Von Christoph Adamietz

Foto zu dem Text "Klöden: „Klassementfahrer ist der härteste Job im Peloton
Andreas Klöden | Foto: Cor Vos

05.07.2014  |  (rsn) - Elf Mal bestritt Andreas Klöden die Tour de France. Mit zwei zweiten Plätzen in der Gesamtwertung, aber auch schweren Stürzen erlebte der 39-Jährige alle Höhen und Tiefen. Im Interview mit radsport-news.com spricht Klöden, der im Winter seine Karriere beendet hat, über das Duell Froome gegen Contador, erklärt was es braucht, um in der Gesamtwertung ganz vorne zu landen, und verrät, wie er die Tour verfolgen wird.

In vergangenen letzten Jahren standen Sie zu dieser Zeit jeweils kurz vor Ihrem Start bei der Tour de France, waren meistens sogar aussichtsreichster deutscher Klassement-Fahrer. Ist es ein „komisches“ Gefühl, nach all den Jahren diesmal nicht bei der Tour dabei zu sein?

Klöden: Es fühlt sich eigentlich gar nicht so komisch an, wie man es vielleicht vermuten würde. Ich bin jetzt in einem Alter, wo man das alles mit einem anderen Auge betrachtet. Ich muss jetzt kein Risiko mehr eingehen, riskiere keine schweren Verletzungen mehr und mir bleibt der ganze Tourstress erspart. Ich werde aber die Tour aber so gut es geht vor dem Fernseher verfolgen.

Wie viel Radsport hat in den letzten Monaten noch in Ihrem Leben gesteckt?

Klöden: Leider habe ich mir Anfang März in Südafrika rechts einen Schien- & Wadenbeinbruch zugezogen - ein paar Tage, bevor ich mit Jan Ullrich die Argus Tour in Cape Town für einen guten Zweck fahren wollte. Die Genesung hat dann ihre Zeit in Anspruch genommen. Aber seit ein paar Wochen kann ich wieder drei, vier Mal in der Woche fahren, wenn auch nie mehr als drei Stunden am Tag. Ich habe auch gemerkt, dass die Kondition viel schneller geht als sie kommt und daher radele ich eher gemütlich durch die Gegend (lacht)! Ich habe eine schöne Trainingsgruppe beisammen und fahre viel mit Timo Glock & Mike Rockenfeller, dem amtierenden DTM-Champion. Die beiden und noch ein paar Autorennfahrer sind richtig motiviert und es macht mit Ihnen viel Spaß.

Wie intensiv werden Sie die Tour verfolgen? Legen Sie einen Abstecher nach Frankreich ein?

Klöden: Ich werde versuchen, mir die letzten 20 Kilometer jeder Etappe anzuschauen. Dieses Jahr werde ich das erste Mal seit über 20 Jahren die ersten beiden Juli-Wochen Ferien mit der Familie machen und ich hoffe, dass ich am Nachmittag irgendwo einen TV finde, wo ich mir die Finals anschauen kann. Ich habe dieses Jahr mein altes Team bei der Tour de Suisse besucht. Aber zur Tour de France werde ich nicht fahren, die Familie hat jetzt Priorität.

Wem drücken Sie die Daumen?

Klöden: Natürlich drücke ich allen deutschen Startern die Daumen, vor allem in den Sprints haben wir ja super Aussichten. Besonders meinem alten Kumpel André Greipel wünsche ich ein paar Etappensiege. Er macht zur Zeit einen starken Eindruck. Ich habe mich sehr über seine Titelverteidigung bei den Deutschen Meisterschaften letzte Woche gefreut. Nach seiner schweren Verletzung im Frühjahr habe ich ihm noch gesagt, dass das im Hinblick auf die Tour gar nicht schlecht sein muss, denn so hat er bei den schweren Klassikern ein paar Kräfte sparen können. Auch Tony Martin wünsche ich alles Gute, vor allem, dass er die erste Woche ohne Sturz übersteht, so dass er seine Chance beim letzten Zeitfahren nutzen kann.

Was trauen Sie den den zehn deutschen Startern insgesamt zu?

Klöden: Wie gesagt, ich denke in den Spints und beim Zeitfahren werden wir die besten Chancen haben. Es wäre auch schön, wenn ein Fahrer wie Buggi (Marcus Burghardt, d. Red.) einmal seine Chance in einer der Fluchtgruppen suchen und da einen Erfolg verbuchen könnte. Aber da muss man abwarten, ob und wie oft er diese Freiheit von seinem Team bekommt. Ich denke auch ein Spezialist wie Voigte (Jens Voigt) wird es sich nicht nehmen lassen, in der einen oder anderen Spitzengruppe aufzutauchen. Es wäre schön, wenn er am Ende auch noch die Power für einen Sieg hätte.

Froome oder Contador? Wer hat die besseren Siegchancen?

Klöden: Alberto macht dieses Jahr einen sehr starken Eindruck. Er hat 2014 viele große Rennen gewonnen und mich hat vor allem seine Fahrweise beim Tirreno-Adriatico und jetzt im Juni beim Critérium du Dauphiné sehr beeindruckt. Ich hoffe, er hat dabei nicht zu viele Kräfte gelassen und ist noch frisch genug für einen tollen Kampf mit Chris Froome. Der hat meines Erachtens durch seine kleinen gesundheitlichen Probleme im Frühjahr einen kleinen Vorteil, da er in den Frühjahrsrennen nicht so oft ans Limit gehen musste und dadurch etwas frischer in der Tour sein könnte, vor allem in der letzten Woche.

Worauf kommt es bei der Tour für einen Klassementfahrer besonders an?

Klöden: Ein Klassementfahrer muss über drei Wochen sehr konstant sein. Er muss jeden Tag das Finale mitfahren und kann nicht – im Gegensatz zu seinen Helfern - die letzten Kilometer ins Ziel rollen, um für die nächsten Etappen Kräfte zu sparen. Außerdem darf er sich keinen schwarzen Tag erlauben und muss das Geschick und das nötige Glück haben, sturzfrei durch die erste Woche zu kommen. Wer da nicht stürzt, der hat schon mal die halbe Miete, oder sagen wir ein Drittel. Denn wenn dein Körper nach einem schlimmen Sturz mehr mit der Regeneration der Wunden als mit der Erholung von der Etappe beschäftigt ist und du dich jeden Tag schlechter erholen kannst, summiert sich das in drei Wochen. Und in der letzten Woche, wenn es um alles geht, bist du einfach nicht mehr frisch genug, um konkurrenzfähig zu sein. Klassementfahrer ist einfach der härteste Job im Peloton.

In den vergangenen Jahren gab es jeweils kurz vor der Tour ein spektakuläres Dopinggeständnis oder es wurde ein Skandal aufgedeckt. In diesem Jahr scheint das - sieht man von den Fällen Kreuziger und Impey ab - doch anders zu sein. Sind alle Skandale aufgedeckt

Klöden: Ich denke, dass erstens die Kontrollen greifen, obwohl es meines Erachtens noch viel mehr sein müssten. Zweitens hat in der Branche ein Umdenken stattgefunden. Und drittens muss man sich auch mit der Zukunft des Radsports beschäftigen und mit dem, wie man Dinge für Fahrer und Zuschauer zum Positiven wenden kann. Aber das habe ich schon immer gesagt. Man wird immer den einen oder anderen Dopingfall haben, auch in Zukunft. Aber dafür machen wir ja die Kontrollen - damit die Fahrer, die betrügen, immer in Angst leben müssen, erwischt zu werden.

ARD und ZDF übertragen erneut nicht die Tour de France. Was ist Ihrer Meinung nach nötig, um die TV-Anstalten davon zu überzeugen, dass der Radsport (wieder) zeigenswert ist?

Klöden: Ich denke, man kann da nicht mehr viel anders machen. Man macht doch schon fast das Optimum, um glaubwürdig zu sein. Sagen wir nur mal, man würde die Anzahl der Dopingkontrollen des Radsports auf den Fußball umrechnen. Dann müsste man entweder im Fußball viel mehr kontrollieren oder die Kontrollen im Radsport zurück fahren, um eine Art Gleichgewicht zu erreichen. Also daran kann es ja nicht liegen. Und es gibt viele andere Beispiele von Sportarten, wo es genau dasselbe ist.

Die Argumentation der Intendanten bei ARD und ZDF kann ich nicht nachvollziehen. Es werden Sportarten gezeigt, die nicht annähernd diese Kontrolldichte haben wie wir im Radsport. Dann dürfte man Fußball gar nicht mehr zeigen. Was ist denn mit all den manipulierten Fußballspielen, nach denen Schiedsrichter ins Gefängnis wandern? Selbst das ist kein Grund für ARD und ZDF, die Berichterstattung einzuschränken. Nein, Sie zeigen dann noch samstags die 3. Liga, wo Leute spielen, die noch nebenbei arbeiten gehen und wo es wahrscheinlich gar keine Dopingkontrollen gibt.

Man sollte endlich die super Leistungen der deutschen Radprofis anerkennen und das Rennen den Fans wieder im TV zeigen.

Mehr Informationen zu diesem Thema

04.12.20143,5 Millionen Zuschauer beim Grand Départ der Tour in England

(rsn) – Den Grand Départ der diesjährigen Tour de France in Großbritannien erlebten nach Angaben der Tourismus-Agentur „Welcome to Yorkshire“ 3,5 Millionen Menschen entlang der Strecke mit. A

12.11.2014Froome: Nach der Frust-Tour machte die Vuelta Mut für 2015

(rsn) – Trotz der misslungenen Titelverteidigung bei der Tour de France ist Chris Froome (Sky) mit seiner Saison 2014 alles in allem zufrieden. Und auch, wenn er nach mehreren Stürzen schon früh v

25.09.2014Cavendish möchte die Tour de France nie mehr verpassen

(rsn) – Fast drei Monate nach seinem Sturz beim Grand Départ der Tour de France spürt Mark Cavendish (Omega Pharma-Quick Step) noch immer die Nachwirkungen. Der Brite hatte sich bei einem schweren

02.09.2014Keine positiven Tests bei der Tour de France

Berlin (dpa) - Alle Dopingtests der diesjährigen Tour der France waren negativ, teilte der Internationale Radsport-Verband (UCI) mit. Insgesamt wurden bei der Tour 719 Proben genommen, im Vorj

06.08.2014Denk: „Wir wollen 2015 zur Tour de France zurückkehren"

(rsn) - Nach dem erfolgreichen Debüt seiner Mannschaft bei der Tour de France äußert sich NetApp-Endura-Teammanager Ralph Denk im Interview mit radsport-news.com zu den sportlichen Zielen für den

04.08.2014Andy Schleck geht es „den Umständen entsprechend gut“

(rsn) – Knapp einen Monat nach seiner Knie-OP geht es Andy Schleck „den Umständen entsprechend gut“, wie der Trek-Profi am Rande des von Ag2R-Profi Ben Gastauer Kriteriums Gala Tour de France i

02.08.2014Gesehen und getroffen!

(rsn) - Das traf sich aber gut: Gerade wollte ich loslegen und den Radsport-News-Lesern noch ein paar Episoden meiner privaten TdF-Pyrenäen-Woche schildern, da kommt die Meldung, dass bei der Tour d

29.07.2014Nibalis Tour-Sieg gibt Rückenwind für Nasarbajews Sportprojekte

(rsn) – Berlin (dpa) - Der Sieg von Vincenzo Nibali bei der Tour de France hat seinen kasachischen Geldgebern weiteren Rückenwind bei den ehrgeizigen Projekten verschafft. Großes Ziel ist der Zus

28.07.2014Majka: „Wir haben uns einen neuen Plan A ausgedacht"

Das Ergebnis kann sich sehen lassen, obwohl zunächst nichts darauf hingedeutet hatte, dass Rafal Majka auf den Bergetappen der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt zu den Hauptakteuren gehören

28.07.2014OP-QS und Tinkoff-Saxo feiern je drei Siege, Sky erlebt Desaster

(rsn) - Drei harte Wochen Tour de France liegen hinter den Fahrern. Zeit für radsport-news.com, in einer vierteiligen Reihe Bilanz zu ziehen. Welche Teams haben überzeugt, welche sind hinter den Erw

28.07.2014Tour-Sieger Nibali ist Italiens neuer Sportheld

Paris (dpa) - Nach 16 Jahren haben die Italiener wieder einen Tour-de-France-Sieger. Entsprechend überschwänglich waren die Reaktionen nach dem Triumph von Vincenzo Nibali (Astana). Der neue

28.07.2014Kehrt die Tour nach Deutschland zurück?

(rsn) – Kehrt die Tour de France nach Deutschland zurück? Geht es nach Markus Lewe, Oberbürgermeister der Stadt Münster, dann definitiv ja. Das Stadtoberhaupt traf sich laut den Westfälischen Na

Weitere Radsportnachrichten

29.03.2024Van der Poel: “Visma und Lidl - Trek sind superstarke Gegner”

(rsn) - Nachdem mit den bei Dwars door Vlaanderen gestürzten Wout van Aert (Visma – Lease a Bike) und Jasper Stuyven (Lidl – Trek) gleich zwei Fahrer aus dem Favoritenkreis für die Flandern-Rund

29.03.2024Lazkano mit der “Kraft eines Ochsen“ aufs Ronde-Podium?

(rsn) – Es gibt wohl nur ganz wenige Rennen, bei denen die große Radsportnation Spanien noch sieglos ist. Sowohl bei der Ronde van Vlaanderen als auch bei Paris-Roubaix ist dies der Fall. Mit Juan

29.03.2024Baskenland-Rundfahrt im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Ganz hohe Berge sucht man im Baskenland zwar vergeblich. Doch die sechstägige WorldTour-Rundfahrt durch den spanischen Nordwesten gilt aufgrund ihrer zahlreichen, teils sehr steilen Anstie

29.03.2024Die Aufgebote aller Teams zur Flandern-Rundfahrt der Männer

(rsn) – Der Ostersonntag wirft seine Schatten voraus: Am 31. März versammelt sich das WorldTour-Peloton in Antwerpen zum Start der 270,8 Kilometer langen Ronde van Vlaanderen. Das Heiligtum des bel

29.03.2024Die Aufgebote aller Teams zur Flandern-Rundfahrt der Frauen

(rsn) – Wenn die Männer nach ihrem Start in Antwerpen bereits 120 Rennkilometer hinter sich haben und erstmals durch Oudenaarde kommen, stellen sich dort auf dem Marktplatz des Zielorts der Ronde v

28.03.2024Die Strecken zum Oster-Highlight: Die Flandern-Rundfahrt

(rsn) – Die 108. Flandern-Rundfahrt der Männer und die 21. der Frauen werden am Ostersonntag auf den letzten 45 Kilometern ab dem Ort Melden am Fuß des berüchtigten Koppenbergs über dieselbe Str

28.03.2024Flandern-Rundfahrt im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Die Flandern-Rundfahrt ist für viele Radsport-Fans neben Paris-Roubaix das Highlight des Frühjahrs. Das belgische Monument führt über mehr als 260 Kilometer und zahlreiche Hellinge, den ku

28.03.2024Tour-Siegerin Vollering “überrascht“ von SD-Worx-Ankündigung

(rsn) –Demi Vollering hat sich verwundert über die Mitteilung ihres Teams SD Worx – Protime gezeigt, das in Person von Sportdirektor Danny Stam gegenüber GCN den zum Saisonende bevorstehenden Ab

28.03.2024Huppertz: Vor Rennen abends einen trinken? Heute unvorstellbar

(rsn) – Eine so lange Zusammenarbeit wie die zwischen Joshua Huppertz und Teamchef Florian Monreal gibt es im Kontinental-Bereich sehr selten. Seit August 2014 steht der mittlerweile 29-Jährige Aa

28.03.2024Van Aert erfolgreich operiert - Giro-Debüt ungewiss

(rsn) – Einen Tag nach seinem schweren Sturz bei Dwars door Vlaanderen ist Wout van Aert nach Angaben seines Teams Visma – Lease a Bike erfolgreich operiert worden. Ob der 29-jährige Belgier rech

28.03.2024Appell an die Zuschauer: “Haben Sie Respekt vor den Fahrern“

(rsn) – Wenige Tage vor der 108. Flandern-Rundfahrt (1. UWT / 1. März), haben Tomas Van Den Spiegel, Geschäftsführer des Veranstalters Flanders Classics, und Carina Van Cauter, die Gouverneurin R

28.03.2024Zeckenbiss möglicher Grund für De Lies Formschwäche

(rsn) – Da Arnaud De Lie in den vergangenen Wochen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben war, hatte sein Team Lotto – Dstny in Absprache mit dem 22-jährigen Belgier entschieden, dass diese

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • La Route Adélie de Vitré (1.1, FRA)