Analyse zum Mailand-San-Remo-Sieg

Ciolek: Total gelassen am größten Tag

Foto zu dem Text "Ciolek: Total gelassen am größten Tag"
Gerald Ciolek bejubelt seinen Sieg in San Remo. | Foto: ROTH

17.03.2013  |  (rsn) - Erik Zabel sagte den großen Triumph schon vor dem Rennen voraus, doch niemand wollte so wirklich daran glauben - offenbar nicht einmal Gerald Ciolek selbst, der nach seinem Sieg in San Remo schlicht das Wort "unglaublich" twitterte. Doch so sehr Zabel für seinen Tipp zuvor belächelt worden war, so sehr behielt der vierfache Primavera-Sieger Recht.

Auch wenn Peter Sagan (Cannondale) zuletzt bei Tirreno-Adriatico noch stärker als der Deutsche war: Als Ciolek mit der Spitzengruppe die Zielgerade an der Uferpromenade Italo Cavino erreichte, da war er plötzlich Favorit - zumindest für die, die das Rennen in den 60 Minuten zuvor aufmerksam verfolgt hatten.

Denn Cioleks Sprintsieg über Sagan und Fabian Cancellara (RadioShack-Leopard) war die konsequente Folge einer bärenstarken Vorstellung des 26 Jahre alten Pulheimers - auch und vor allem auf taktischer Ebene.

Der große Auftritt des U23-Weltmeister von Salzburg 2006 deutete sich nämlich bereits am Poggio di San Remo an. Als Sagan, Cancellara und Filippo Pozzato (Lampre-Merdia) den vorentscheidenden Angriff von Luca Paolini (Katusha) konterten, mischte sich plötzlich ein noch immer ungewohntes Trikot ins Blickfeld der Zuschauer: eines von MTN Qhubeka, dem südafrikanischen Zweitdivisionär.

Ciolek schien es unter durch Nässe und Kälte erschwerten Bedingungen erstaunlich leicht zu fallen, den großen Top-Favoriten zu folgen. Der mit 18 Jahren bereits Deutscher Meister gewordene MTN-Kapitän fuhr von diesem Moment an immer direkt am Hinterrad eines seiner vier Kontrahenten und ließ nie eine auch nur einen Meter große Lücke entstehen.

Als er die schwierige Abfahrt vom Poggio mit den größten Spezialisten fürs Bergabfahren, Sagan und Cancellara, gemeistert hatte, zog Ciolek seine Taktik auch auf der flachen Anfahrt zum Ziel weiter durch. Während der eingeholte Ian Stannard (Sky) noch einmal angriff und auch Cancellara kurz aufs Tempo drückte, blieb der Deutsche völlig ruhig und überließ Sagan sowie Paolini die Nachführarbeit.

Hoch konzentriert klebte er zunächst am Hinterrad von Paolini, der zwischenzeitlich auch eine kleine Lücke zu Sagan schließen musste, und anschließend am Hinterrad des Slowaken, der von Stannard fast so perfekt wie von einem Teamkollegen auf die Zielgerade pilotiert wurde.

Pozzato hingegen bekam knapp zwei Kilometer vor dem Ziel bereits Probleme, den Kontakt zu halten - genau wie der in der Abfahrt eingeholte Sylvain Chavanel (Omega Pharma-Quick Step) und kurzzeitig sogar Cancellara.

Am Ende eines brutalen Tages im italienischen Spät-Winter fuhren sie alle am Limit und bezahlten für ihre vorherigen Anstrengungen. Auch deshalb schaffte es letztlich niemand mehr, Ciolek von der perfekten Ausgangsposition an Sagans Hinterrad zu verdrängen.

Als der Slowake dann den Zielsprint eröffnete, hielt sein Kontrahent sofort dagegen. Ciolek versteckte sich nicht mehr im Windschatten, sondern ging früher als vielleicht unbedingt nötig in den Wind. Trotzdem war er am Ende stark genug, um sein Vorderrad an Sagan vorbeizuschieben.

Wichtig für Ciolek war dabei vor allem, dass er sich im Verlauf des Rennens zuvor sehr diszipliniert zurückgehalten hatte und im positiven Sinne unauffällig gefahren war. Denn vor dem Poggio sah man das gelbe MTN-Trikot wenig bis gar nicht in den ersten Reihen des Feldes. Und im Gegensatz zu Cancellara, Pozzato oder Sagan ließ sich der Deutsche auch vom zu frühen Angriff durch Chavanel, Stannard und Eduard Vorganov nicht aus der Ruhe bringen, sondern wartete einfach ab.

Einen Beweis für seine totale Gelassenheit am wohl größten Tag seiner Karriere lieferte Ciolek übrigens schon Stunden bevor er die Ziellinie überquerte. Als das Rennen neutralisiert war und die Fahrer per Shuttle-Bus den Turchino-Pass umschifften, twitterte der Deutsche ein Foto von seinem Trikot mit der Nummer 161 und seinen lässig hochgelegten Beinen. Sein simpler Kommentar dazu: "Halbzeit."

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

19.03.2013Nach Sturz bei Mailand-San Remo: Reimer gibt Entwarnung

(rsn) - Mailand-San Remo-Sieger Gerad Ciolek (MTN-Qhubeka) kann auch bei den kommenden Rennen auf die Unterstützung von Martin Reimer hoffen. Der 25-Jährige war am Sonntag bei der Primavera gestürz

19.03.2013Acquarone freut sich für Ciolek und MTN-Qhubeka

(rsn) – Michele Acquarone vom Organisator RCS hat in seiner Bilanz des 104. Mailand-San Remo die späte Rennunterbrechung verteidigt und Gerald Ciolek und dessen MTN-Qhubeka-Team überschwänglich

17.03.2013Degenkolb: „Mehr war nicht drin"

(rsn) – Auf Platz 18 war John Degenkolb (Argos-Shimano) zweitbester deutscher Fahrer beim 104. Mailand-San Remo. Aber nicht wegen des Ergebnisses wird sich der Erfurter „an diesen Tag […] mein L

17.03.2013Zabel: „Ciolek der Stärkste und der Schlaueste"

(rsn) – Gerald Ciolek war bei der 104. Auflage von Mailand-San Remo der Mann des Tages. Der Pulheimer schlug nach einer herausragenden Leistung auf der Zielgarden in San Remo den Top-Favoriten Peter

17.03.2013Ciolek feiert größten Triumph seiner Karriere

San Remo (dpa/rsn) - Erik Zabels „Geheimtipp“ Gerald Ciolek (MTN-Qhubeka) hat sensationell eine der denkwürdigsten Ausgaben des Frühjahrsklassikers Mailand-San Remo gewonnen. Der 26 Jahre alte P

17.03.2013Thurau: Heißer Tee auf kaltem Körper

(rsn) – Das erste Mailand-San Remo seiner Karriere wird Björn Thurau (Europcar) wohl nie vergessen. Bei Schnee, Regen und extremer Kälte kämpfte sich der 24-Jährige mit knapp zwölf Minuten Rüc

17.03.2013Sagan: Die Rechnung ohne Ciolek gemacht

(rsn) – Beinahe wäre Peter Sagan (Cannondale) seiner Favoritenrolle bei Mailand-San Remo gerecht geworden. Der Slowake hatte bei widrigen Witterungsbedingungen alles im Griff, im finalen Sprint all

17.03.2013Haussler: „Nicht das Ergebnis, was ich wollte"

(rsn) - Vier Jahre nach seinem zweiten Platz bei Mailand-San Remo zeigte Heinrich Haussler (IAM Cycling) mit Rang 13 bei der 104. Austragung des Frühjahrsklassikers eine ansprechende Leistung. Dennoc

17.03.2013Ciolek gewinnt 104. Mailand-San Remo

(rsn) – Gerald Ciolek (MTN-Qhubeka) hat die in jeder Hinsicht denkwürdige 104. Auflage von Mailand-San Remo gewonnen. Bei widrigen Bedingungen schlug der 26 Jahre alte Pulheimer in einem packenden

17.03.2013104. Mailand-San Remo um 60 Kilometer verkürzt

San Remo (dpa/rsn) - Die 104. Austragung von Mailand-San Remo ist am Sonntag wegen extremen Witterungsbedingungen um rund Kilometer verkürzt worden. Die Organisatoren des ersten großen Klassikers de

17.03.2013Schnee und Kälte - Turchino neutralisiert

(rsn) - Kälte, Wind und Regen, der im Verlauf des Tages sogar in Schnee übergehen soll: Bei Mailand-San Remo darf sich das Peloton auf ein extremes Rennen gefasst machen. So twitterte Erik Zabel: â€

09.01.2013Ciolek & Co. bei Mailand-San Remo am Start

(rsn) – Der Wunsch von Gerald Ciolek ist in Erfüllung gegangen: Als erste afrikanische Mannschaft wird MTN-Qhubeka bei der Fernfahrt Tirreno-Adriatico und beim Frühjahrsklassiker Mailand-San Remo

Weitere Radsportnachrichten

27.03.2025Kathrin Schweinberger: “Ich habe leider die letzte Kurve versaut““

(rsn) – Seit vielen Jahren gehören die Frühlingsklassiker fest zum Programm von Kathrin Schweinberger. Die Tirolerin, deren Zwillingsschwester Christina regelmäßig zum erweiterten Kreis der Favo

27.03.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum RSN-Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

27.03.2025Kämna tankt an langem Tag in der Fluchtgruppe Selbstvertrauen

(rsn) – Als Georg Steinhauser (EF Education - EasyPost) acht Kilometer vor dem Ziel der 4. Etappe der Katalonien Rundfahrt (2.UWT) mit Johannes Staune-Mittet (Decathlon - AG2R) seinen letzten Beglei

27.03.2025Die Mini-Ronde: E3 wird auch ohne Pogacar zur Generalprobe

(rsn) – Nach seinem überragenden Solo-Sieg im Vorjahr und nun auch dem beeindruckenden Triumph bei Mailand-Sanremo am vergangenen Wochenende kommt Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) am F

27.03.2025Frisch vom Teide will van Aert seinen Kontrahenten einheizen

(rsn) – Seit dem für ihn eher enttäuschend verlaufenen Openingsweekend hat Wout van Aert (Visma – Lease a Bike) kein Rennen mehr bestritten. Der Belgier zog sich stattdessen zum Training zurück

27.03.2025Wiebes zieht in De Panne mit Balsamo gleich

(rsn) – Zum zweiten Mal nach 2020 hat Lorena Wiebes (SD Worx – Protime) erstmals in ihrer Karriere die Classic Brugge-De Panne der Frauen gewonnen. Die 26-jährige setzte sich beim 99. UCI-Sieg ih

27.03.2025Roglic schlägt gegen Ayuso zurück und übernimmt Gesamtführung

(rsn) – Es war nicht viel, was die 4. Etappe der Katalonien-Rundfahrt von der vorherigen unterschied. Wieder hatten sich Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) und Juan Ayuso (UAE – Emira

27.03.2025Vine solo zum ersten Saisonsieg, Herzog mit starker Vorstellung

(rsn) – Nach einer Attacke rund 15 Kilometer vor dem Ziel hat Jay Vine (UAE Team Emirates – XRG) souverän die 3. Etappe der 40. Settimana Internazionale Coppi e Bartali (2.1) für sich entschiede

27.03.2025Gent-Wevelgem WE im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

rsn) - Gent - Wevelgem ist auch ein fester Bestandteil im Rennkalender der Frauen. Der Frühjahrsklassiker führt über meist flaches Terrain inklusive Naturstraßen, hat aber auch einige Anstiege üb

27.03.2025Dauert die D-Tour bald wieder eine Woche und mehr?

(rsn) - Vom 24. bis zum 29. August wird zwischen Essen und Magdeburg die Deutschland Tour 2025 ausgetragen. Der Streckenplan umfasst wieder einen Prolog und vier Etappen. Für die Radsportfans dürfte

27.03.2025Gelbe Karten gegen Milan, Kristoff und Schwarzmann

(rsn) - Jonathan Milan (Lidl – Trek), Alexander Kristoff (Uno-X Mobility) und Michael Schwarzmann sind nach der Classic Brugge-De Panne für regelwidriges Verhalten mit Gelben Karten bestraft worden

27.03.202523-Grand-Tour-Teams: Professional Cycling Council stimmt zu

(rsn) – Alles deutet darauf hin, dass die Tour de France, der Giro d´Italia und die Vuelta a Espana jeweils eine Wildcard mehr verteilen können und damit künftig 23 Teams am Start der dreiwöchig

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Volta Ciclista a Catalunya (2.UWT, ESP)
  • E3 Saxo Classic (1.UWT, BEL)
  • Radrennen Männer

  • Volta ao Alentejo (2.2, POR)
  • Olympia`s Tour (2.2, NED)
  • Settimana Coppi e Barrtali (2.1, ITA)
  • Tour of Thailand (2.1, THA)