RSNplusWenn zwei sich streiten, siegt der Klügste

Del Toro und Carapaz unterlaufen schwere taktische Fehler

Von Jan Zesewitz

Foto zu dem Text "Del Toro und Carapaz unterlaufen schwere taktische Fehler"
Der entscheidende Moment: Simon Yates (Visma - Lease a Bike) hängt Isaac Del Toro (UAE - Emirates - XRG) und Richard Carapaz (EF Education - EasyPost) ab. | Foto: Cor Vos

31.05.2025  |  (rsn) – Am Ende war es sogar überdeutlich. Simon Yates (Visma – Lease a Bike) wird den Giro d'Italia 2025 (2.UWT) mit fast vier Minuten Vorsprung gewinnen. Und das, obwohl nicht wenige vor der alles entscheidenden Bergetappe über den Colle delle Finestre mit einem Zweikampf zwischen Richard Carapaz (EF Education – EasyPost) und dem Mann in Rosa, Isaac Del Toro (UAE – Emirates – XRG) rechneten.

Das Problem für die beiden Topfavoriten war wohl, dass auch sie dachten, sie könnten das Klassement unter sich ausfahren. Und machten damit die Rechnung ohne einen bärenstarken – Simon Yates. “Wir hätten die Stärksten sein können, aber wir waren nicht die Intelligentesten“, sagte ein ernüchterter Carapaz im Ziel in eine Reihe von Mikrofonen. "Am Ende hat er (Del Toro) den Giro verloren. Wir sind gut gefahren, aber am Ende gewinnt der Intelligenteste." ___STEADY_PAYWALL___

Der mexikanische Kontrahent, der nach elf Tagen im Maglia Rosa es doch noch abgeben musste, bemühte sich, die positiven Seiten zu sehen: “So ist der Radsport. Ich kann mir nichts vorwerfen und ich werde stärker wieder zurückkommen. Ich habe bei diesem Giro gelernt, dass ich aufs Gesamtklassement fahren kann und dass ich es schaffen kann. Ich bin enttäuscht, aber ich mache mir keinen Stress."

UAE beging entscheidende taktische Fehler

Die entscheidenden Szenen spielten sich wie erwartet am Colle delle Finestre und kurz danach ab – es war nicht einmal eine Stunde Fahrzeit, die den Giro am Ende entschied. Früh an diesem Monster-Berg attackierte Carapaz, Del Toro antwortete postwendend, während sich Yates in seinem Rhythmus und scheinbar mühelos zurückarbeitete.

Die Attacke des Ecuadorianers war keine schlechte Idee, denn sie nahm UAE die numerische Überlegenheit und sorgte für ein Duell – beziehungsweise Triell – der Kapitäne. Del Toro entschied sich, den Angriffen von Carapaz unmittelbar zu folgen und schien Yates weniger ernstzunehmen. Der attackierte ein paar Mal und wurde immer wieder eingefangen. Aber der Brite hatte die Situation begriffen – und als einziger den Luxus, mit Wout van Aert noch einen extrem starken Helfer in der Spitzengruppe zu haben.

Richard Carapaz und Isaac Del Toro am Colle delle Finestre. | Foto: Cor Vos

Yates lancierte eine weitere, stärkere Attacke und kam tatsächlich damit weg. Spätestens hier begannen die Fehler der Fahrer, die im Gesamtklassement vorne lagen – wobei UAE und Del Toro ein größeres Stück vom Schuldkuchen abbekommen sollten. Der 21-Jährige überließ lange seinem elf Jahre älteren Konkurrenten die Nachführarbeit, so hielt sich der Abstand in Grenzen. Del Toro musste gehofft haben, dass seine Teamkollegen von hinten würden aufschließen können. Das war aber angesichts der Abstände ausgeschlossen, was er wohl nicht wusste, da die Kommunikation über die Telefone am Berg eingeschränkt war.

Garate: "Wir bereuen gar nichts“

Carapaz sah seinerseits ein, dass sein Rivale in Rosa mehr zu verlieren hätte als er und so schlief das Tempo bei den beiden Verfolgern ein. Der Abstand zu Yates wuchs von 30 Sekunden bis zum Gipfel auf zwei Minuten an. In der Abfahrt nahm sich van Aert dann seines Teamkollegen Yates an und hinten machte sich Ernüchterung breit - die Lücke wurde immer größer.

Carapaz wird damit zum vierten Mal seit seinem Giro-Sieg 2018 eine Grand Tour auf dem Podium beenden. Eine sehr respektable Bilanz, aber EF wollte gewinnen, und ist am Colle delle Finestre auch so gefahren. "Wir bereuen nichts“, sagte der Sportliche Leiter Juan Manuel Garate. "Wir haben es als Team probiert, um unser Ziel zu erreichen. Wir sind hart gefahren, um Del Toro Probleme zu machen. Wir konnten ihn nur nicht abhängen, er war stark und immer am Hinterrad.“

Isaac Del Toro ist nach dem Verlust des Maglia Rosa enttäuscht. | Foto: Cor Vos

Del Toro ließ taktische Fehler weniger an sich heran, auch wenn er seine Enttäuschung zugab. "Jeder spielte seine Spielchen“, sagte er. "Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man“, sagte er nonchalant, um dann Visma für ihre Taktik zu loben. Er gestand zudem ein, dass Carapaz und er sich gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben wollten, wer hinter dem Briten herfahren soll – und es schließlich keiner tat.

Zwei Fahrer mussten in einem Dreikampf um den Sieg verlieren, am Ende setzte sich Erfahrung und Cleverness durch – und die stärksten Beine? Carapaz und Del Toro waren sich sicher, dass sie Yates hätten folgen können. Aber sie belauerten sich stattdessen gegenseitig. Darum wird der Visma-Fahrer in Rom die Trofea Senza Fine überreicht bekommen – und die beiden Lateinamerikaner an seiner Seite müssen mit dem Konjunktiv im Kopf leben.

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