RSNplus“Meine Freundin ist die Heldin dieser Geschichte“

Campenaerts: Mit der Power der Vaterschaft zum Tour-Triumph

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Campenaerts: Mit der Power der Vaterschaft zum Tour-Triumph"
Kann es kaum glauben: Victor Campenaerts (Lotto - Dstny) ist in seinem elften Profijahr endlich Tour-Etappensieger. | Foto: Cor Vos

19.07.2024  |  (rsn) – Es war einer der emotionalsten Momente dieser Tour de France: Noch im Ziel-Auslauf der 18. Etappe in Barcelonnette hatte Victor Campenaerts sein Smartphone in der Hand und sprach per Video-Anruf mit seiner Freundin Nel Goerlandt. Der Belgier wollte den zweitschönsten Moment dieses Sommers mit ihr so gut und schnell es ging teilen. Fünfeinhalb Wochen nach der Geburt seines ersten Sohns Gustaaf konnte Campenaerts sein Glück erneut kaum fassen.

"Der Himmel hat sich gelichtet, nur noch blauer Himmel", blickte der 32-Jährige im ersten Sieger-Interview auf die vergangenen Monate zurück. Seit dem 8. Juni, seitdem Gustaaf das Licht der Welt erblickte, gehe es steil bergauf für ihn, nachdem das Frühjahr zuvor weniger angenehm war. "Nach den Klassikern hatte ich eine schwere Zeit. Ich hatte eine mündliche Absprache über eine Vertragsverlängerung mit dem Team, wurde dann aber lange ignoriert. Das war wirklich schwierig", erzählte Campenaerts.

Inzwischen aber ist seine sportliche Zukunft gesichert. Auch wenn sich Campenaerts wegen der Transfer-Deadline am 1. August auf die Zunge biss, um seinen neuen Arbeitgeber für 2025 nicht zu verraten, ist es ein offenes Geheimnis, dass der ehemalige Stundenweltrekordler nach acht Jahren zu Visma – Lease a Bike zurückkehrt, wo er 2016 seine erste WorldTour-Saison bestritt.

Die Unterschrift bei den Niederländern, aber eben vor allem die Unterstützung seiner Freundin und die Geburt seines Sohns setzten im Juni neue Kräfte bei ihm frei. "Ich habe eine schöne Zukunft vor mir, weiterhin im Radsport", sagte er. "Und dann wurde ich Vater und habe angefangen, mich wieder richtig gut auf dem Rad zu fühlen." ___STEADY_PAYWALL___

"Das Windelwechseln hat mir Flügel verliehen"

Schon nach seinem fünften Platz im Einzelzeitfahren auf der 7. Etappe, wo Freundin Nel und Sohn Gustaaf zu Besuch waren, hatte Campenaerts dem US-Portal 'Escape' verraten: "Sie kamen vor dem Rennen zu mir und ich habe ihm anderthalb Stunden vor dem Start noch die Windeln gewechselt. Das hat mir Flügel verliehen!"

Gleich im Ziel sprach Campenaerts per Video-Anruf mit seiner Partnerin. | Foto: Cor Vos

Im Etappenziel von Barcelonnette nun war seine Familie nicht vor Ort, aber die modernste Kommunikationstechnik machte es möglich, dass er sie trotzdem gleich sehen und gemeinsam Freudentränen verdrücken konnte.

Auch auf dem Interviewhocker hinter dem Podium war der ehemalige Stundenweltrekordler überwältigt von seinen Gefühlen. "Als echter Profi muss man irgendwann die Tour fahren und sie finishen. Aber eine Etappe zu gewinnen, das ist der Traum von jedem. Und ich bin ja kein Neoprofi mehr, sondern ich träume schon sehr lange Zeit davon", sagte er und fasste sich an die Nasenwurzel, um dann die Geschichte seines familiären Motivations-Boosts am 8. Juni zu erzählen:

Mit hochschwangerer Freundin neun Wochen im Höhentrainingslager

"Die Unterstützung, die ich von meiner Freundin bekomme, ist unglaublich! Wir waren neun lange Wochen im Höhentrainingslager und sie war die ganze Zeit bei mir, hochschwanger! Sie hat dort, am Fuß des Berges in Granada unseren Sohn geboren. In dieser Geschichte hier ist sie die Heldin! Ich bin so dankbar", strahlte Campenaerts.

Von April bis Mitte Juni waren Campenaerts und Goerlandt in der Sierra Nevada, mit nur zwei kurzen Unterbrechungen für zwei Renneinsätze beim Circuit de Wallonie am 9. Mai und der viertägigen Rundfahrt Boucles de la Mayenne in Frankreich vom 23. bis 26. Mai. Trotz der Hängepartie um seine Vertragsverlängerung und schließlich den Entschluss zum Teamwechsel unterstützte Lotto – Dstny ihn, wie Campenaerts erzählte.

Sieg aus einem Ausreißer-Trio vor Mattéo Vercher und Michal Kwiatkowski: Campenaerts krönt sich in Barcelonnette. | Foto: Cor Vos

"Sie haben mir viel Vertrauen geschenkt und dieses superlange Trainingslager möglich gemacht. Wegen der Geburt meines Sohnes bin ich auch keine Vorbereitungsrennen vor der Tour gefahren, aber sie haben an mich geglaubt", sagte er. "Ich werde das Team verlassen, aber ich bin superglücklich, dass wir mit einer tollen Atmosphäre hier bei der Tour sind und ich mit ihnen jetzt das Highlight meiner Karriere feiern kann."

"Diese 18. Etappe war die einzige, auf der ich Chancen gesehen habe"

Ein Highlight, das seit Dezember schon als sehr konkretes Ziel in seinem Kopf war. "Wir haben diesen Tag für mich schon im Dezember herausgesucht. Diese 18. Etappe war die einzige, auf der ich eine Möglichkeit für mich gesehen habe, zu gewinnen", verriet er.

Überraschen durfte es nicht, dass der Belgier schon im Winter so genau über die Strecke Bescheid wusste, während andere Profis, die nicht auf Gesamtsieg fahren, die Tour-Etappen manchmal erst beim Grand Départ genauer anschauen. Campenaerts ist bekannt für seine extreme Akribie und intensive Auseinandersetzung mit seinem Sport. Auch dass er mit seiner hochschwangeren Freundin ein so langes Höhencamp bezog, sogar über den Geburtstermin hinaus geplant, zeigte deutlich, wie sehr im Mittelpunkt sein Job als Radprofi für den 32-Jährigen steht.

Arnaud De Lie und die Lotto-Dstny-Teamkollegen feiern Etappensieger Campenaerts am Podium. | Foto: Cor Vos

Doch dabei sollte kein falscher Eindruck entstehen. Denn auch der "Radsport-Supernerd" weiß, wo die wahren Prioritäten liegen. "Wenn der Geburtstermin von Gustaaf auf die Tour gefallen wäre, wäre ich hier auf keinen Fall am Start gestanden", sagte er schon zu Tourbeginn.

"Ich habe es vielleicht etwas schmutzig gespielt…"

So aber stand er auf den Tag genau drei Wochen nachdem er am Abend des 8. Juni mit Freundin Nel auf dem Beifahrersitz die kurvige Straße aus der Sierra Nevada hinunter nach Granada gefahren war, weil die Wehen eingesetzt hatten, am Start der Tour in Florenz und weitere 19 Tage später nun wie erhofft als Etappensieger auf dem Podium in Barcelonnette.

Auf Ansage schaffte es der Belgier in die 36-köpfige Spitzengruppe des Tages und gewann schließlich, obwohl er dort einer der wenigen war, die keine Teamkollegen an ihrer Seite hatten. "Ich habe es vielleicht etwas schmutzig gespielt, weil ich etwas geschauspielert habe, dass ich sehr leide. So konnte ich ein paar Führungen auslassen", gab er ganz offen zu. "Aber dann bin ich den Attacken nachgefahren und im Finale haben wir wirklich gut kooperiert – sogar bis zum Schlusskilometer. Ich kann es kaum glauben! Es kommen noch drei sehr schwere Etappen, aber ich freue mich jetzt schon so sehr, nach Hause zu meiner Freundin und meinem Sohn zurückzukehren."

Mehr Informationen zu diesem Thema

10.11.2024Cavendish gewinnt in Singapur den letzten Sprint seiner Karriere

(rsn) – Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) hat das letzte Rennen seiner Karriere standesgemäß beendet. Der 39-jährige Brite ließ in Singapur beim von der ASO organisierten Prudential Critérium i

24.07.2024Geschke würde “gerne nochmal zur WM fahren“

(rsn) – Simon Geschke hat seine letzte Tour de France beendet. Bei zwölf Teilnahmen gelang ihm 2015 in Pra-Loup einer seiner drei Profisiege der Karriere, die zum im Oktober ihr Ende finden wird. V

24.07.2024Wirbelfraktur bei Roglic

(rsn) – Die 12. Etappe der Tour de France 2024 wird Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) noch länger in Erinnerung bleiben. Nicht nur, dass sein Sturz weniger Kilometer vor dem Ziel in V

23.07.2024Nach Tour-Aus noch Fragezeichen hinter Roglics Vuelta-Start

(rsn) – Nachdem er die Tour de France in Folge von zwei Stürzen binnen 24 Stunden vorzeitig verlassen musste, befindet sich Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) noch in der Erholungsphas

23.07.2024Tour-Dritter Evenepoel: “Noch etwas größer als der Vuelta-Sieg“

(rsn) – Nach seinem erfolgreichen Tour-de-France-Debüt blickt Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) zuversichtlich nach vorn. “Ich denke, dieser Podestplatz bedeutet für meine Zukunftspläne,

22.07.2024Titelverteidiger bezwungen, zwei Topteams gehen leer aus

(rsn) – In Nizza endete am Sonntag die 111. Austragung der Tour de France. Das Rennen rund um Frankreich, welches heuer erstmals in Italien begann, sorgte für viel Action, Dramatik, Freude und Trä

22.07.2024Pogacar: “Superdumm, etwas zu nehmen, was Dich gefährdet“

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat nicht nur den Giro d’Italia, sondern auch die Tour de France fast nach Belieben dominiert. Der Slowene gewann beide Rundfahrten dank jeweils sechs Et

22.07.2024Pogacar und UAE auch im Preisgeld-Ranking der Tour Nummer 1

(rsn) – UAE Team Emirates hat bei der 111. Tour de France dank Tadej Pogacar auch beim Preisgeld groß abgesahnt. Dagegen ist das deutsche Team Red Bull – Bora – hansgrohe das Schlusslicht des

22.07.2024Pogacar kehrt auf den Thron zurück, Girmay Afrikas Radsportheld

(rsn) – Drei Wochen Tour de France sind am Sonntagabend in Nizza zu Ende gegangen. Erstmals fand das Finale des größten Radrennens der Welt nicht in der französischen Hauptstadt Paris statt, son

21.07.2024Auch ohne Etappensieg eine Tour-Bilanz mit Erfolgen

(rsn) – Acht deutsche Fahrer starteten vor drei Wochen in Florenz in die 111. Tour de France und sieben davon erreichten das Ziel in Nizza. Zwar müssen die deutschen Fans weiter auf den ersten Eta

21.07.2024Tadej, der Gnadenlose: Pogacar unterwirft sich die Tour

(rsn) - Die Geschichte kennt Iwan, den Schrecklichen, Vlad, den Pfähler und Eddy, den Kannibalen. Mit ersterem ist nicht der frühere Giro-Sieger Ivan Basso gemeint, sondern der grausame Zar, der sei

21.07.2024Vingegaard: “Unter normalen Umständen wäre ich enttäuscht“

(rsn) - Mit seinem sechsten Etappensieg vollendete Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) nicht nur das Double aus Giro d´Italia und der Tour de France, sondern stellte auch seine Anzahl an Tageserfolgen

Weitere Radsportnachrichten

26.11.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

26.11.2025Superstart in Australien und dann ein ständiges Auf und Ab

(rsn) – Sein viertes Jahr in der Struktur von Alpecin – Deceuninck, das zweite davon im Profkader, war für Henri Uhlig eines mit vielen Aufs und Abs. Der 24-Jährige startete bärenstark und konn

26.11.2025Froome sitzt drei Monate nach Trainingsunfall wieder auf dem Rad

(rsn) – Fest steht, dass Chris Froome nach fünf Jahren bei Israel – Premier Tech künftig nicht mehr im Aufgebot des Nachfolgers NSN Cycling Team stehen wird. Da der viermalige Tour-de-France-Gew

26.11.2025HLN: Lidl - Trek an Lipowitz interessiert

(rsn) – Mit Mattias Skjelmose und Neuzugang Juan Ayuso hat Lidl - Trek bereits erstklassige Rundfahrtspezialisten im Aufgebot. Damit will sich der im kommenden Jahr unter deutscher Flagge antretende

26.11.2025Tendiert Evenepoel zur “Ronde“-Premiere?

(rsn) – Wie Het Laatste Nieuws schreibt, wächst Remco Evenepoels Interesse an einer Premiere bei der Flandern-Rundfahrt. Das könnte damit zusammenhängen, dass laut der belgischen Zeitung der komm

26.11.2025Solution Tech - Vini Fantini präsentiert drei Neue

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

26.11.2025Nach prima Auftakt von Krankheiten und Stürzen geplagt

(rsn) – Vor nunmehr viereinhalb Jahren wechselte Rainer Kepplinger (Bahrain  Victorious) vom Ruder- zum Radsport. Nach ersten Erfolgen in Österreich ging es für ihn rasch in die WorldTour, wo d

26.11.2025NSN Cycling Team: Nur die neue Kleidung fehlt noch

(rsn) – Die neuen Sponsoren und der neue Name stehen fest, doch auf ihre neue Bekleidung müssen die Fahrer des NSN Cycling Teams noch warten. Deshalb trainiert das Aufgebot des künftig mit Schweiz

26.11.2025Fall Lazkano: Sämtliche Auffälligkeiten aus dem Jahr 2024?

(rsn) – Nachdem er den Spanier Oier Lazkano wegen Auffälligkeiten in dessen Biologischem Pass in der Zeitspanne zwischen 2022 und 2024 vorläufig suspendiert hat, wird sich der Radsportweltverband

25.11.2025Dreijährige Durststrecke mit kleiner Revanche beendet

(rsn) - Die Marschroute für das neue Kapitel gab Bob Jungels bereits kurz vor seinem ersten Saisonrennen vor. "Dieses Jahr werde ich … hoffentlich meine Arme in die Luft strecken", war Anfang Febru

25.11.2025Van Aerts Crossdebüt 2025/26 wohl erst kurz vor Weihnachten

(rsn) – Nach wie vor darf gerätselt werden, wann Wout van Aert (Visma – Lease a Bike) sein Crossdebüt 2025/26 geben wird. Zwar hatte der Belgier erklärt, dass er diesmal etwas früher in die Sa

25.11.2025Petition fordert Änderung der Tour-Königsetappe 2026

(rsn) – Die 20. Etappe der kommenden Tour de France verspricht ein Spektakel zu werden. Am vorletzten Tag der 113. Frankreich-Rundfahrt stehen fünf schwere Berge im Programm, darunter mit dem 2.642

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)