RSNplusGegen Pogacar chancenlos, aber nicht deprimiert

Vingegaard: “Eine der besten Leistungen meines Lebens“

Von Tom Mustroph vom Plateau de Beille

Foto zu dem Text "Vingegaard: “Eine der besten Leistungen meines Lebens“"
Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) | Foto: Cor Vos

14.07.2024  |  (rsn) - Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) war auf dem Plateau de Beille ein Geschlagener. Mehr als eine Minute Vorsprung hatte Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) auf den letzten fünf Kilometern des Schlussanstiegs der 15. Tour-Etappe herausgefahren. Der Däne wirkte im Ziel aber nicht deprimiert. “Nein, ich bin nicht enttäuscht“, betonte Vingegaard mehrfach gegenüber Reportern in der Mixed Zone. “Ich bin deshalb nicht enttäuscht, weil ich alles gegeben habe“, begründete er seine Haltung und ergänzte: “Ich habe heute eine der besten Leistungen meines Lebens gezeigt.“

Dieser Superlativ reichte aber nicht aus, um Zeit auf seinen ärgsten Rivalen zurückgewinnen. “Das war der Plan heute. Wir wollten Zeit gut machen und wir waren auch guten Mutes, dass das gelingen kann“, blickte Vingegaard auf die mit 5.000 Höhenmetern gespickte Etappe zurück, auf der sein Team alles versuchte.

___STEADY_PAYWALL___

Zwar kam der Bus von Visma – Lease a Bike wegen eines Verkehrsstaus recht spät am Startort Loudenvielle an. Dann aber griff das Vorbereitungsprotokoll. Eiswesten wurden an die Fahrer ausgegeben, die Roller aufgebaut, um sich warm zu fahren. “Die Beine muss man warm fahren, damit die Muskulatur aufgeht. Die Etappe beginnt gleich sehr hart, mit dem Anstieg zum Col de Peyresourde“, erklärte der Sportliche Leiter Arthur von Dongen gegenüber RSN. Die allgemeine Körpertemperatur hingegen muss eher unten bleiben. Nur so kann die maximale Leistung abgerufen werden.

Bereits gut zehn Kilometer vor dem Ziel am Plateau de Beille attackierte Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) – doch Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) folgte mühelos. | Foto: Cor Vos

Wout van Aert, einer der wichtigsten Helfer von Vingegaard, wandelte das Warmfahr-Protokoll auf herkömmliche Art ab: Er fuhr sich auf dem Presseparkplatz warm, drehte dort einige Runden, schon voll im Konzentrationstunnel für seine Aufgaben.

Der Belgier legte auf den Flachstücken dieser Etappe an der Spitze des Pelotons auch ein derartiges Tempo vor, dass die Fluchtgruppe niemals außer Reichweite geriet. Dort kurbelten zunächst die Männer mit den größeren Muskelpaketen, um ihre kletterfesten Teamkollegen, die ebenfalls in der Gruppe vertreten waren, zu entlasten. Sie sollten mit Vorsprung und relativ frischen Beinen in die letzten Anstiege gehen. Diesen Fluchtplan machte van Aert fast ganz allein zunichte.

Später sorgte Wilco Kelderman für hohes Team in den Anstiegen. Und am Aufstieg zum Plateau de Beille war es schließlich Matteo Jorgenson, der die Favoritengruppe Pedalumdrehung für Pedalumdrehung ausdünnte. Auch Pogacars Helfer waren davon betroffen und mussten ausscheren, seien es Marc Soler, Simon Yates oder Joao Almeida. “Unser Plan war gut. Und zwei Jahre lang sind unsere Pläne bei der Tour ja auch sehr gut aufgegangen. Deshalb hatte ich auch heute Vertrauen zu unserem Plan“, sagte Vingegaard im Ziel.

Dem Angriff des Slowenen fünf Kilometer vor dem Ziel hatte Vingegaard nichts entgegenzusetzen. | Foto: Cor Vos

Die letzte Stufe des Plans sah einen Antritt von ihm vor. Und der 27-Jährige lieferte auch. 10,5 Kilometer vor dem Ziel trat er an. Seine Attacke war zu heftig für Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) und den Rest der kleinen Gruppe. Pogacar aber heftete sich leichten Tritts ans Hinterrad des Mannes, der für ihn stellvertretend das Trikot des Bergkönigs trug. “Ich habe mich nach meinem Antritt nicht mehr umgeblickt, sondern die Werte getreten, zu denen ich in der Lage war“, sagte Vingegaard.

Die Werte reichten, um sich mit Pogacar vom Rest des Feldes abzusetzen. Sie reichten aber nicht, um dem Slowenen irgendwelche Probleme zu bereiten. Gut fünf Kilometer vor dem Ziel trat der Mann in Gelb an. Und der Abstand zwischen ihm und dem Mann im Gepunkteten Trikot wurde größer und größer. “Ich muss mich mit meiner Leistung nicht verstecken. Sie war, wie gesagt, eine der besten meiner Karriere. Ich bin stolz darauf und auch stolz auf die Leistung meines Teams. Aber Tadej war heute noch viel besser“, konstatierte Vingegaard, der sich aktuell mit Platz zwei zu arrangieren scheint. “Wenn Pogacar so stark bleibt, sind die Chancen gering, an ihm vorbeizukommen“, schätzte Vingegaard ganz realistisch ein.

Bedauern, an diesem Tag vielleicht den falschen Ansatz gewählt zu haben, hatte er nicht. “Man muss es probieren, ihn unter Druck zu setzen. Wenn man es nicht probiert, wird man nie wissen, was möglich war“, sagte er. Und sein Kämpferherz zeigte er dann auch: “Ich bin nicht zur Tour gekommen, um hier nichts zu versuchen“, meinte er.

Das Bild trügt: Vingegaard ließ nach der 15. Tour-Etappe seinen Kopf nicht hängen, sondern war stolz auf seine Leistung. | Foto: Cor Vos

Das zeichnet den zweimaligen Tour-Sieger aus. Allerdings wirkte Vingegaard auch ratlos. Denn er wusste, der Parcours auf dieser wohl schwersten Etappe der Tour de France lag ihm besser als der des ersten Pyrenäentags. Es war seine große Chance, zurückzukommen im Kampf um Gelb. Pogacar allerdings wehrte den Konter souverän ab.

Und Vingegaard ist das so sehr bewusst wie keinem anderen. “Jetzt habe ich nichts mehr zu verlieren“, sagte er noch. Das lässt auf so heroische wie verzweifelte Aktionen in der dritten Woche schließen. Klar ist auch, mit dem bisherigen, klassischen Grand-Tour-Ansatz ist dieser Tadej Pogacar nicht zu bezwingen. Vingegaard, der Musterschüler der kollektiven Überwältigungstaktiken, muss kreativ werden und sich etwas ganz Schräges einfallen lassen.

Zum ersten Mal in seiner Karriere ist der Däne richtig herausgefordert. Das ist der einzige Spannungsmoment im Kampf um Gelb in der dritten Woche dieser Tour France.

Mehr Informationen zu diesem Thema

10.11.2024Cavendish gewinnt in Singapur den letzten Sprint seiner Karriere

(rsn) – Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) hat das letzte Rennen seiner Karriere standesgemäß beendet. Der 39-jährige Brite ließ in Singapur beim von der ASO organisierten Prudential Critérium i

24.07.2024Geschke würde “gerne nochmal zur WM fahren“

(rsn) – Simon Geschke hat seine letzte Tour de France beendet. Bei zwölf Teilnahmen gelang ihm 2015 in Pra-Loup einer seiner drei Profisiege der Karriere, die zum im Oktober ihr Ende finden wird. V

24.07.2024Wirbelfraktur bei Roglic

(rsn) – Die 12. Etappe der Tour de France 2024 wird Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) noch länger in Erinnerung bleiben. Nicht nur, dass sein Sturz weniger Kilometer vor dem Ziel in V

23.07.2024Nach Tour-Aus noch Fragezeichen hinter Roglics Vuelta-Start

(rsn) – Nachdem er die Tour de France in Folge von zwei Stürzen binnen 24 Stunden vorzeitig verlassen musste, befindet sich Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) noch in der Erholungsphas

23.07.2024Tour-Dritter Evenepoel: “Noch etwas größer als der Vuelta-Sieg“

(rsn) – Nach seinem erfolgreichen Tour-de-France-Debüt blickt Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) zuversichtlich nach vorn. “Ich denke, dieser Podestplatz bedeutet für meine Zukunftspläne,

22.07.2024Titelverteidiger bezwungen, zwei Topteams gehen leer aus

(rsn) – In Nizza endete am Sonntag die 111. Austragung der Tour de France. Das Rennen rund um Frankreich, welches heuer erstmals in Italien begann, sorgte für viel Action, Dramatik, Freude und Trä

22.07.2024Pogacar: “Superdumm, etwas zu nehmen, was Dich gefährdet“

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat nicht nur den Giro d’Italia, sondern auch die Tour de France fast nach Belieben dominiert. Der Slowene gewann beide Rundfahrten dank jeweils sechs Et

22.07.2024Pogacar und UAE auch im Preisgeld-Ranking der Tour Nummer 1

(rsn) – UAE Team Emirates hat bei der 111. Tour de France dank Tadej Pogacar auch beim Preisgeld groß abgesahnt. Dagegen ist das deutsche Team Red Bull – Bora – hansgrohe das Schlusslicht des

22.07.2024Pogacar kehrt auf den Thron zurück, Girmay Afrikas Radsportheld

(rsn) – Drei Wochen Tour de France sind am Sonntagabend in Nizza zu Ende gegangen. Erstmals fand das Finale des größten Radrennens der Welt nicht in der französischen Hauptstadt Paris statt, son

21.07.2024Auch ohne Etappensieg eine Tour-Bilanz mit Erfolgen

(rsn) – Acht deutsche Fahrer starteten vor drei Wochen in Florenz in die 111. Tour de France und sieben davon erreichten das Ziel in Nizza. Zwar müssen die deutschen Fans weiter auf den ersten Eta

21.07.2024Tadej, der Gnadenlose: Pogacar unterwirft sich die Tour

(rsn) - Die Geschichte kennt Iwan, den Schrecklichen, Vlad, den Pfähler und Eddy, den Kannibalen. Mit ersterem ist nicht der frühere Giro-Sieger Ivan Basso gemeint, sondern der grausame Zar, der sei

21.07.2024Vingegaard: “Unter normalen Umständen wäre ich enttäuscht“

(rsn) - Mit seinem sechsten Etappensieg vollendete Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) nicht nur das Double aus Giro d´Italia und der Tour de France, sondern stellte auch seine Anzahl an Tageserfolgen

Weitere Radsportnachrichten

04.07.2025Geht Groenewegen zu Unibet - Tietema Rockets?

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

04.07.2025Statt dem Duell gegen Vingegaard erneut eine Pogacar-Show?

(rsn) – Im Grunde ist die Geschichte schnell erzählt: Seit 2021, also seit Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) und Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) gemeinsam die Tour de France bestri

04.07.2025Bauhaus will im ´Freestyle´ an die richtigen Hinterräder

(rsn) – Fünf Top-5-Platzierungen hat Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) bei seinen zwei Tour-de-France-Teilnahmen bislang ersprintet – drei 2023, zwei 2024. Im dritten Anlauf sollen noch ein paar

04.07.2025Teams packen zur Tour wieder Sondertrikots aus

(rsn) – Es ist inzwischen ein jährlich wiederkehrendes Ritual: Kurz vor der Tour de France präsentieren einige Mannschaften Sondertrikots für die drei Wochen in Frankreich. Weil zum Saison-Highli

04.07.2025Brilliert Milan bei seiner Premiere?

(rsn) – Der diesjährige Grand Départ bietet erstmals seit 2020 wieder den Sprintern die Chance, das Gelbe Trikot zu erobern, denn gleich in Lille stehen die Zeichen am Ende der 1. Etappe auf Masse

04.07.2025Die Aufgebote für den 36. Giro d´Italia Women

(rsn) – Mit dem Giro d’Italia Women (6. – 13. Juli / 2.WWT) steht einen Tag nach dem Start der Tour de France der Männer die zweite Grand Tour der Frauen an. Die 36. Ausgabe der Italien-Rundfa

03.07.2025“Misserfolge schärfen dich“: Roglic lacht seine Dämonen an

(rsn) – Zum siebten Mal in seiner beeindruckenden Karriere geht Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) bei der Tour de France an den Start. Die einzige deutsche Équipe im Peloton will von

03.07.2025Van der Poel sieht Chancen für eine erfolgreiche Tour

(rsn) – Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) gehört einmal mehr zu den Top-Stars, die bei der Tour de France an den Start gehen. Wirklich in Erscheinung treten konnte er in den letzten dre

03.07.2025Arndt hofft nach Wirbelbruch auf Comeback noch 2025

(rsn) – Nikias Arndt (Bahrain Victorious) wird am Samstag in Lille zwar nicht am Start der Tour de France stehen, doch einige Tage vor der Frankreich-Rundfahrt gibt es dennoch gute Neuigkeiten vom 3

03.07.2025Auch bei der 112. Tour wird die 3-Kilometer-Regel ausgeweitet

(rsn) - Die ASO wird auch bei der kommenden Tour de France die 3-Kilometer-Regel auf weitere ausgewählte Etappen ausdehnen. Dann werden die Fahrer bereits vier oder sogar fünf Kilometer vor dem Ziel

03.07.2025Neue GPS-Technologie wird auch bei Rad-WM in Ruanda eingesetzt

(rsn) – Nachdem sich erst wieder kürzlich einige Radprofis zu mangelnden Sicherheitsvorkehrungen beim erstmals ausgetragenen Copenhagen Sprint (1.UWT/1.WWT) kritisch geäußert hatten, dürfte eine

03.07.2025Tudor erweitert Partner-Portfolio prominent

(rsn) - Mit der Kreuzfahrtreederei MSC Cruises, einem der weltweit größten Anbieter für Vergnügungsreisen auf dem Meer, steigt kurz vor dem Start der Tour de France ein weiterer potenter Geldgeber

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Course de Solidarnosc (2.2, POL)
  • Sibiu Tour (2.1, ROU)