Eine neue Chance unter der Regie von RCS

Vorschau auf den 35. Giro d´Italia der Frauen

Von Felix Mattis

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2023 gewann Annemiek van Vleuten (Movistar) den Giro d´Italia der Frauen vor Juliette Labous (links) und Gaia Realini (rechts), die in diesem Jahr beide das Rosa Trikot wollen. | Foto: Cor Vos

06.07.2024  |  (rsn) – Wen am Sonntag in Brescia der 35. Giro d'Italia der Frauen beginnt, bricht eine neue Ära an. Erstmals wird die einst wichtigste Rundfahrt im Frauen-Radsport von RCS veranstaltet, dem großen italienischen Rennveranstalter, der auch den Giro der Frauen, Mailand-Sanremo, Il Lombardia, Strade Bianche und Tirreno-Adriatico ausrichtet. Es ist der nächste große Schritt für das weibliche Peloton auf dem Weg zur Gleichberechtigung, endlich auch in Italien.

Nachdem Flanders Classics bei den belgischen Eintagesrennen zum Vorreiter wurde und die ASO mit den Ardennen-Klassikern sowie vor zwei Jahren endlich ihrer ersten Tour de France Femmes nachgezogen ist, wird nun auch RCS zum großen Player im Frauen-Radsport. Bislang veranstaltete man nur Strade Bianche und die UAE Tour für beide Geschlechter.

Obwohl Italien hinter der Niederlande seit 2018 konstant die zweite Kraft im Frauen-Radsport ist, was die von seinen Fahrerinnen errungenen UCI-Punkte betrifft, verlor die Italien-Rundfahrt seit Einführung der Women's WorldTour kontinuierlich an Stellenwert. Vor zehn Jahren noch war sie die wichtigste Rundfahrt des Jahres, doch die Infrastruktur des Rennens stagnierte.

Giro verlor in den letzten zehn Jahren an Stellenwert

Abgesehen vom rein sportlichen Stellenwert, der rein aus historischem Prestige stets hoch blieb, rutschte das Rennen in der Gunst der Szene immer weiter ab, weil andere Rundfahrten organisatorisch vorbeizogen – allen voran ab 2014 die Women's Tour in Großbritannien, bald aber auch die Ladies Tour of Norway oder die spanischen Etappenrennen in Burgos und dem Baskenland sowie das Frauenrennen der Vuelta a Espana.

2021 gehörte der Giro, weil man 2020 die Pflicht zur Produktion einer Live-TV-Übertragung nicht erfüllt hatte, noch nicht einmal mehr zur WorldTour. Als 2022 dann die ASO erstmals die Tour de France Femmes ausrichtete, war endgültig besiegelt: Auch sportlich ist der Giro nicht mehr die Nummer 1.

RCS verspricht neuen Aufschwung bei der Italien-Rundfahrt

Dieses Standing wird man in Italien sicher auch mit Hilfe von RCS so schnell nicht wiedererlangen. Zu groß und zu wichtig ist die Tour. Doch 2023 hat, was die Besetzung betrifft, auch die Vuelta der Italien-Rundfahrt den Rang abgelaufen. So kommt der Einstieg des größten italienischen Veranstalters jetzt vielleicht gerade noch rechtzeitig für das achttägige Etappenrennen und 2024 hilft möglicherweise zusätzlich auch der Rennkalender, dem Giro einen qualitativen Neustart zu verpassen.

Luce Infinita, unendliches Licht, heißt die neue Trophäe für die Gesamtsiegerin des Giro d'Italia Women. | Foto: LaPresse / RCS

Denn nicht nur sind alle neugierig darauf, wie sich das Rennen dank RCS verbessert, auch in der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele wird die kommende Woche für viele Starterinnen ein Schlüsselevent sein. Wenn der Giro am 14. Juli in L'Aquila endet, sind es nur noch 13 Tage bis zum Olympia-Zeitfahren in Paris und 21 bis zum Straßenrennen. Die Startliste jedenfalls kann sich wieder sehen lassen:

Gute Besetzung, harte Strecke

Sechs Fahrerinnen aus den aktuellen Top 10 der Weltrangliste werden in Brescia ins 15,7 Kilometer lange Auftaktzeitfahren starten. Und auch wenn mit Demi Vollering die beste Rundfahrerin sowie mit Lorena Wiebes (beide SD Worx – Protime) die beste Sprinterin nicht mit von der Partie sein werden, dürfen sich die Tifosi auf eine sehr interessante Woche freuen. Dabei werden vor allem die Bergfahrerinnen auf einem schweren Parcours zum Zug kommen:

Die Wertungstrikots beim Frauen-Giro: Rosa für die Gesamtführende, Rot für die Punktbeste, Blau für die Bergwertung und Weiß für die beste Nachwuchsfahrerin. | Grafik: LaPresse / RCS

Nach dem Einzelzeitfahren folgen nur noch zwei weitere flache Tage auf der 2. Etappe nach Volta Mantovana sowie der 5. nach Foligno – und selbst die sind beide nicht ganz unselektiv. Die Etappen 3, 4, 6, und 7 aber enden allesamt mit einem Schlussanstieg. Es geht hinauf nach Toano (12,5 km bei 4,9 %), Urbino (13,6 km bei 2,5 %), Chieti (6,5 km bei 4,2 %) und zum Blockhaus (16,5 km bei 7,9 %). Dazu kommt eine sehr schwere Schlussetappe von Pescara nach L'Aquila, die zwar nicht mit einer Bergankunft endet, insgesamt aber trotzdem brutal schwer wird und deren Schlusskilometer auch nochmal mit 7 % ansteigt.

Die Favoritinnen: Offener Kampf ums Rosa Trikot

In Abwesenheit von Vollering sind Lotte Kopecky und Marlen Reusser die Leaderinnen bei SD Worx – Protime. Beide haben ihren Fokus momentan aber auf der Olympia-Vorbereitung und dürften dabei angesichts ihrer Ziele – Kopecky beispielsweise auch auf der Bahn und Reusser vor allem im Einzelzeitfahren – momentan nicht besonders an ihren Kletterfähigkeiten arbeiten. Das niederländische Team kündigte am Freitag an, eher auf Etappenjagd gehen zu wollen. Allerdings ist Reusser natürlich Top-Favoritin für das Auftaktzeitfahren und damit das erste 'Maglia Rosa'.

Herausgefordert wird SD Worx, das für die Berge vor allem Niamh Fisher-Black aus Neuseeland dabei hat, unter anderem von dem italienischen Lidl-Trek-Duo Elisa Longo Borghini und Gaia Realini, der Französin Juliette Labous (dsm-firmenich – PostNL) und der Australierin Neve Bradbury (Canyon – SRAM), die Elise Chabbey und Antonia Niedermaier an ihrer Seite hat, sowie von Cecilie Uttrup Ludwig (FDJ – Suez) aus Dänemark und der Spanierin Mavi Garcia (Liv – AlUla – Jayco).

Dazu kommen die Italienerinnen Erica Magnaldi und Silvia Persico vom UAE Team ADQ sowie die Neuseeländerin Kim Cadzow (EF Education – Cannondale). Außerdem werden auch Liane Lippert (Movistar) und die frischgebackene Thüringen-Rundfahrt-Siegerin Ruth Edwards (Human Powered Health) sowie die Französin Cédrine Kerbaol (Ceratizit – WNT) am Start stehen.

Sieben Deutsche, vier Schweizerinnen und eine Österreicherin

In den voraussichtlich zwei Sprint-Ankünften trifft Kopecky unter anderem auf Chiara Consonni (UAE Team ADQ), Elisa Balsamo (Lidl – Trek), Vittoria Guazzini (FDJ – Suez) und Lipperts kubanische Teamkollegin Arlenis Sierra.

Neben Lippert und Niedermaier halten Hannah Ludwig (Cofidis), Clara Koppenburg (EF Education – Cannondale), Romy Kasper (Human Powered Health), Aileen Schweikart (Laboral Kutxa – Fundacion Euskadi) und die Deutsche Meisterin Franziska Koch (dsm-firmenich – PostNL) die deutsche Fahne bei der zweiten Grand Tour des Jahres hoch. Die Schweiz vertreten neben Chabbey und Reusser noch Elena Hartmann (Roland) und Linda Zanetti (Human Powered Health). Einzige Österreicherin beim Giro ist Kathrin Schweinberger (Ceratizit – WNT).

Die Etappen des Giro d'Italia Women 2024:

1. Etappe, 7. Juli: Brescia – Brescia (15,7 km / 100 hm / EZF)
2. Etappe, 8. Juli: Sirmione – Volta Mantovana (110 km / 450 hm)
3. Etappe, 9. Juli: Sabbioneta – Toano (113 km / 1.100 hm)
4. Etappe, 10. Juli: Imola – Urbino (134 km / 1.500 hm)
5. Etappe, 11. Juli: Frontone – Foligno (108 km / 700 hm)
6. Etappe, 12. Juli: San Benedetto del Tronto – Chieti (159 km / 2.000 hm)
7. Etappe, 13. Juli: Lanciano – Blockhaus (120 km / 3.600 hm)
8. Etappe, 14. Juli: Pescara – L'Aquila (117 km / 2.500 hm)

Alle Etappen starten vormittags, werden auf Discovery+ jeweils ab 12:50 Uhr live zu sehen sein und gegen 14:30 Uhr enden.

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