Brite erlebte nach Rekordsieg einen schwierigen Tag

Cavendish: “Bisschen, wie wenn man ein PlayStation-Spiel durch hat“

Von Felix Mattis

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Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) vor dem Start der 6. Etappe in Macon. | Foto: Cor Vos

05.07.2024  |  (rsn) – Am Tag nach seinem viel umjubelten Rekord-Triumph in Saint-Vulbas hatte Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) im Massensprint von Dijon auf der 6. Etappe der Tour de France nichts mit dem Sieg zu tun. Auch wenn seine Mannschaft den ganzen Tag sehr aufmerksam gefahren ist und sich bis ins Finale herein immer wieder vorne zeigte, um den 39-Jährigen gut zu positionieren, sprang am Ende nicht mehr als der 19. Platz heraus. Cavendish war gar nicht mitgesprintet, rollte auf den letzten 200 Metern nur noch aus.

"Wir waren ein bisschen in der Mitte gefangen auf den letzten Kilometern, was nicht wirklich der Ort ist, wo man vor dem letzten Kreisverkehr sein wollte", erklärte er anschließend vor den TV-Kameras mit Blick auf den zweiten der beiden noralgischen Punkte in der Sprint-Anfahrt, einen großen, breiten Kreisel 700 Meter vor Schluss.

"Wenn man aber doch dort ist, dann muss man etwas rausnehmen und verliert das Momentum. Das habe ich gemacht und konnte dann sehen, dass ich vielleicht hätte Richtung der Banden gehen können, um noch zu sprinten. Aber von so weit hinten war es mir das Risiko nicht wert."

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Zwar sei der Etappenausgang enttäuschend, aber es kämen ja noch einige andere Tage für die Sprinter, meinte Cavendish völlig entspannt. "Es ist nur schade für die Jungs, denn die haben einen wirklich guten Job gemacht. Das Selbstvertrauen und der Biss, den sie den ganzen Tag gezeigt haben, war Klasse."

"Gestern Abend war etwas komisch, ehrlich gesagt…"

Dass Cavendish am Ende ob der schlechten Ausgangsposition nicht mehr voll reinhielt, war 24 Stunden nach dem 35. Tour-Etappensieg seiner Karriere vielleicht auch verständlich. Schließlich fiel in Saint-Vulbas riesiger Druck ab.

"Gestern Abend war etwas komisch, ehrlich gesagt. Ich stand etwas unter Schock. Natürlich haben wir uns sehr gefreut, aber es hat sich irgendwie angefühlt, wie…", erzählte er am Mikrofon von ITV Sport, wo sein guter Bekannter Daniel Friebe, der auch schon Ghostwriter seiner Biografie war, die Interviews führt und wo Cavendish dadurch oft offener ist, als mit ihm unbekannteren Journalisten, und überlegte, wie er es erklären sollte:

"Erinnerst Du Dich an die originale PlayStation? Final Fantasy hatte sechs Discs – ich glaube es war Final Fantasy XI und ich habe es nächtelang gespielt. Es war ein bisschen der Sinn des Lebens für mich und dann hatte man es plötzlich durchgespielt – gestern das war ein ähnliches Gefühl."

Biss und Motivation fehlen keineswegs

Es wäre aber wohl falsch, zu glauben dass Cavendish nun satt und motivationslos ist. Auch nach den gemischten Gefühlen zwischen Freude und Leere am Ende eines PlayStation-Spiels wird schließlich schnell die Lust auf den nächsten Teil geweckt. Und so ist es auch beim 'Manx Missile', der Sprint-Rakete von der Isle of Man. "Geraint Thomas kam heute zu mir und fragte: 'Warum stehst Du heute überhaupt am Start?!' Aber wir sind ein Team und sind hier um zu gewinnen Die 35 ist ja nur eine Zahl, aber wir wollen gewinnen, was immer wir können. Es ist meine 15. Tour de France und ich respektiere sie sehr", so Cavendish.

Dass dem Rekord-Etappensieger der Biss nun fehlen würde, war im Verlauf der 6. Etappe zwischen Macon und Dijon auch wirklich nicht zu vermuten. Im Gegenteil: Nachdem etwas mehr als 80 Kilometer vor dem Ziel seine Kette hängenblieb und er stoppen musste, jagte Cavendish dem sich just in diesem Moment teilenden Feld hinter dem Teamfahrzeug hinterher und plötzlich sah man ihn in Diskussionen mit einer Motorrad-Kommissarin, anschließend zur TV-Kamera herüberschimpfend und dann nochmal in Diskussionen mit dem Jury-Präsidenten. 'Cav' wie ihn seine Fans kennen und lieben gelernt haben – immer zwischen großem Sprint-Triumph und hitziger Debatte.

Auf die Gespräche mit der Jury ging der 39-Jährige nach der Etappe nicht näher ein, aber eine Message wollte er rüberbringen. Er sei nach dem Defekt eigentlich nicht besonders nervös gewesen, aber: "Panik bekam ich, als die TV-Kamera kam. Diese Kameramotorräder sind dann in der Mitte der Straße und halten den Konvoi auf, die Autos die von hinten vorbei wollen. TV-Kameras sollen Bilder aufnehmen und nicht das Rennen beeinflussen", meinte er.

Cavendish ärgert sich über TV-Motorrad im Fahrzeugkonvoi

"Das war jetzt das zweite Mal, dass genau dieses Motorrad das gemacht hat. Deshalb habe ich Panik bekommen. Wenn jemand Außenstehendes das Rennen beeinflusst, darauf kannst Du Dich nicht vorbereiten."

Schon am Auftakt-Wochenende, als Cavendish sowohl am Samstag als auch am Sonntag weit hinter dem Peloton unterwegs war, hatte er die TV-Kamera, die hinter dem Feld Aufnahmen macht, schon gestenreich weggeschickt. In für ihn schwierigen Situationen mag der 39-Jährige es eben einfach nicht, wenn man ihn beobachtet. Cavendish und die Medien – eine Hassliebe vom Beginn bis zum Ende seiner Karriere.

Die UCI-Jury bestrafte den Briten für zu langes Windschattenfahren hinter dem Teamfahrzeug übrigens mit dem Abzug von zehn Zählern in der Punktewertung und einer Zeitstrafe von 40 Sekunden in der Gesamtwertung. Beides dürfte ihn kaum interessieren. Aber es hat einen schönen Nebeneffekt: Dadurch ist Cavendish jetzt die rote Laterne dieser Tour und wird das Einzelzeitfahren am Freitag um 13:05 Uhr eröffnen.

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