RSNplusPortugiese in Italien wieder im Rampenlicht

Almeida: “Ich glaube, ich kann den Giro gewinnen“

Von Tom Mustroph vom Monte Bondone

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Joao Almeida (UAE Team Emirates) hat am Monte Bondone die 16. Etappe des Giro d´Italia gewonnen. | Foto: Cor Vos

23.05.2023  |  (rsn) - Der Mann hat Temperament. Joao Almeida war bislang bei diesem Giro d'Italia derjenige unter den Klassementfahrern, der das meiste Rennfahrerblut zeigte. Das war nicht schwer. Die eigentlichen großen Jungs, Primoz Roglic und Geraint Thomas vor allem, fuhren eher wie Aufsichtsratsvorsitzende großer Unternehmen: Ein undurchdringliches Gesicht machen, sich so wenig wie möglich bewegen, bloß keine Fehler machen.

Joao Almeida fährt anders. Der Portugiese warf bereits auf der Bergamo-Etappe den Fehdehandschuh auf die Straße. Die Aktion teilte die Favoritengruppe in die, die wirklich Favoriten sind, und die anderen, die ihr Heil im Hinterherfahren suchen mussten.

Auch auf der 16. Etappe am Dienstag, der ersten nach dem Ruhetag, zeigte Almeida noch die meisten Lebensgeister in der eher matten Favoritengruppe. "Ich habe gemerkt, dass die Anderen auf meine Attacke warteten, weil meine Teamkollegen Tempo machten. Naja, und dann habe ich eben angetreten, denn ich habe mich gut gefühlt", sagte Almeida nach seinem Coup.

___STEADY_PAYWALL___ Er brachte ihm den ersten Etappensieg bei einer Grand Tour, und auch gleich die Herausfordererrolle bei diesem Giro. 18 Sekunden nur liegt er nun hinter Geraint Thomas auf Platz zwei, elf Sekunden vor Roglic. Der Vierte, Damiano Caruso, hat mit knapp drei Minuten Rückstand auf Thomas mit dem Podium vermutlich nicht mehr viel zu tun.

Gemeinsam mit Geraint Thomas (Ineos Grenadiers, vorne) distanzierte Joao Almeida (UAE Team Emirates, zweite Position) am Monte Bondone Primoz Roglic (Jumbo - Visma, hinten) um 25 Sekunden. | Foto: Cor Vos

Ein Podestplatz ist dem Portugiesen also ziemlich sicher, aber auch das ganz große Ding ist drin. "Almeida ist gut, er kann eines Tages eine Grand Tour gewinnen", sagte Ineos-Manager Rod Ellingworth noch vor Beginn der 16. Etappe zu radsport-news.com. Der Brite hatte dabei aber eher irgendeine Grand Tour in näherer oder fernerer Zukunft im Sinn, und nicht schon diesen Giro, den er ja mit seinem alten Fahrensmann Geraint Thomas gewinnen will.

Seit 2020 immer einer der Stärksten beim Giro

Almeida kürzt Entwicklungswege ab, zumindest aus der Perspektive der direkten Konkurrenz. Er war allerdings schon stark beim Giro 2020, als er einige Tage im Rosa Tikot fuhr, dann aber dem Ansturm der anderen Youngster Jai Hindley und Tao Geoghegan Hart nicht gewachsen war. Die Beiden haben den Giro mittlerweile gewonnen. Im Wettbewerb der Jungspunde muss er also nachlegen.

2021 war ihm Remco Evenepoel als Kapitän im Weg. Almeida war besser in Form, hatte aber erst das Quick-Step-Team zu seiner Unterstützung, nachdem Evenepoel aufgab. Im letzten Jahr rangierte er auf Rang vier, als ihn ein positiver Coronatest aus dem Rennen nahm. Obgleich erst 24 Jahre alt, hat er doch schon eine Giro-Karriere wie ein Veteran.

2020 verlor Almeida das Rosa Trikot auf der 18. Etappe über das Stilfserjoch. | Foto: Cor Vos

In diese Italien-Rundfahrt ging er trotzdem nur als Geheimtipp. Viel hat er ja auch nicht gewonnen, vor allem nicht im Vergleich mit seinen Konkurrenten hier, dem früheren Tour-Sieger Geraint Thomas und dem Vuelta-Triple-Tribun Roglic. Im Rennen aber zählen nicht Meriten, sondern Beine, Kopf und Selbstbewusstsein. Und davon hat der Portugiese reichlich.

"Joao ist gewachsen in den letzten Monaten, auf vielen Ebenen, physisch, psychisch, auch in seiner Leaderrolle", lobte ihn sein Sportlicher Leiter Fabrizio Guidi gegenüber radsport-news.com. Seine Charakteristiken hat er dabei nicht aufgegeben. Er ist kein explosiver Beschleuniger. Aber er kann lange ausdauernd treten und immer wieder zurückkommen, selbst wenn die Anderen ihn schon abgeschrieben haben. Wenn jemand Nehmerqualitäten wie Rocky hat im Peloton, dann ist das weniger Roglic, sondern eher Almeida.

"Dieser Giro ist härter, als im Vorjahr"

Inzwischen hat er aber an Leistungsvermögen zugelegt. Er muss sich nicht mehr im Hinterherfahren und Gerade noch Aufschließen erschöpfen, sondern er fährt vorneweg. Ob dies mehr mit eigener Stärke oder eher mit der Schwäche der Konkurrenz zu tun hat, kann er nur mit einem Blick auf seinen Wattmesser feststellen. Zu dem Thema sagt er zumindest: "Dieser Giro ist härter als der im Vorjahr." Er schränkt aber auch ein, dass die Witterungsbedingungen ein verschärfender Faktor sind.

Davide Formolo (rechts) und Jay Vine machten am Monte Bondone einen großartigen Job für Almeida. | Foto: Cor Vos

Seinen Etappensieg ordnet Almeida selbst als geplante Teamleistung ein. "Wir hatten ohnehin vor, in die Offensive zu gehen. Als Jumbo aufhörte, übernahmen wir. Vor allem Jay Vine hat da Nummern getreten, die einfach enorm sind", lobte er seinen australischen Teamgefährten, der ursprünglich selbst zum Favoritenkreis zählte, dann aber früh viel Zeit verlor.

Pommes mit viel Ketchup auf der Pressekonferenz

Dass er auch einen Sprint gewinnen kann, wie am Dienstag gegen Thomas, ist eine eher neue Qualität. Almeida ist sich dessen bewusst. Auf der Pressekonferenz große Mengen Ketchup auf seinen Pommes verteilend – "mein Regenerationsmahl", sagte er – blickte Almeida auch sehr selbstbewusst in die Zukunft: "Ja, ich denke, ich kann den Giro gewinnen", sagte er auf Nachfrage von radsport-news.com. "Es wird zwar schwer gegen Thomas und Roglic, aber es ist möglich", bekräftigte er.

Ganz besondere Unterstützung hat er dabei auch. "Vor ein paar Tagen habe ich mit Tadej getextet. Er sagte mir: Gewinn einfach die Etappe und hol dir das Trikot", erzählte Almeida. Teil 1 des Auftrags vom derzeit besten Radsportler der Welt hat er erfüllt. Den zweiten Teil kann er auch noch erledigen. Für den Sommer allerdings hat er andere Pläne. "Da setze ich mich dann auf die Coach und schaue Tadej zu", meinte Almeida grinsend.

Auch auf dem Zeitfahrrad macht Joao Almeida keine schlechte Figut. | Foto: Cor Vos

Team UAE könnte bald den Luxus haben, zwei ziemlich junge Grand-Tour-Sieger im Kader zu haben. Die Altherrenriege Thomas und Roglic ist massiv gefordert. Denn auch in Sachen Zeitfahren schlägt sich der Portugiese nicht schlecht. Gegenüber Thomas liegt das Verhältnis bei 4:3 für Almeida, gegenüber Roglic liegt er 2:4 zurück. Das heißt aber auch: Er kann den Olympisieger in dessen Spezialdisziplin durchaus bezwingen. Dank Almeida wird dieser Giro nun endlich wieder etwas abwechslungsreicher.

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