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09.03.2023 | (rsn) - Mark Cavendish versucht, beim Tirreno-Adriatico zurück in die Siegerspur zu kommen. Aber sein Sprintzug löste sich noch vor dem Finale der 3. Etappe in seine Einzelzteile auf. Und er selbst ist auch nicht in allerbester Verfassung. “Das ist hier mein erstes Rennen in Europa. Wir müssen uns erst finden“, bat Cavendish um Verständnis. “Ich bin auch erst seit ein paar Tagen ohne Antibiotika“, teilte er radsport-news.com in der Mixed Zone mit.
Und so verwundert es nicht, dass im Muskelspiel der Sprintzüge im Finale die azurfarbenen Trikots des Teams Astana nicht sonderlich zahlreich vertreten sind.
___STEADY_PAYWALL___Es verwundert ebensowenig, dass Cavendish bei den bisherigen beiden Massensprints der Fernfahrt nicht einmal in den Top 20 war. “Wir müssen Geduld haben. Unser erstes wichtiges Ziel ist Mailand-Sanremo“, machte auch sein Sportlicher Leiter Alexander Shefer gegenüber radsport-news.com ganz auf Ruhe und Gelassenheit. Bei der “Primavera“ soll Cavendish, der das Rennen bereits 2009 gewann, glänzen.
Auch wenn er in den bisherigen Massensprints von Tirreno-Adriatico noch keine Rolle gespielt hat, ist Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) zu beachten. | Foto: Cor Vos
Die optimalsten Bedingungen dafür hat der Brite aber nicht. Es mangelt nicht nur am Fein-, sondern sogar am Grobtuning seines Sprintzugs. Zwar hat sich Astana Quazqstan für die Sprints signifikant verstärkt. “Wir haben Männer mit schnellen Beinen geholt, Martin Laas, Cees Bol und Gleb Syritsa. Und auch (Yevgeniy) Fedorov, immerhin U23-Weltmeister, kann eine gute Hilfe im Sprintzug sein“, betonte Shefer. Aber von den vieren sind nur zwei Mann hier. Bol ist bei Paris-Nizza am Start. Laas fuhr mit Cavendish zwar schon bei dessen erstem Auftritt für Astana im Oman. Bei der UAE Tour, wo Cavendish immerhin einen Podestplatz holte, fehlte der Este allerdings.
“Wir hatten nur eine Trainingsfahrt überhaupt mit Mark, dann begann schon Oman“, blickte Laas auf die gar nicht optimalen Anfänge zurück. Sprintzüge aufzubauen, braucht schließlich Zeit. Genau die Zeit hat Astana aber nicht, weil eben schon wichtige Rennen anstehen. Cavendishs Erkältung sorgte zusätzlich für Verzögerung.
Wie schnell lernt der Astana-Sprintzug?
Die Flinte ins Korn wirft der wohl beste Sprinter in der Geschichte des Straßenradsports aber nicht. “Wir müssen lernen, klar. Das Gute aber ist, dass die Jungs schnell lernen“, meinte Cavendish zu radsport-news.com. Als Blitzlerner hob er vor allem die Jungen hervor, also Syritsa und Fedorov. Und auch die Sportlichen Leiter selbst lernen von Cavendish. “Er hat so viel Erfahrung, weiß so viel über Sprintzüge und wie man Rennen gewinnt. Das ist einfach wertvoll. Und wir profitieren davon“, sagte Shefer.
Nicht nur die Kollegen halten in sportlicher Hinsicht noch viel vom Briten, auch bei den Fans ist Cavendish nach wie vor eine große Nummer. | Foto: Cor Vos
Als Sprintprofessor, der am Tablet doziert, muss man sich Cavendish aber nicht vorstellen. “Das ist nicht wie in der Schule. Wir lernen durchs Machen. Und dann gebe ich noch ein paar Tipps und Tricks“, verriet er radsport-news.com. Der früher oft nervös wirkende Cavendish macht jetzt, im Alter von immerhin 37 Jahren, einen gelasseneren Eindruck.
Er weiß zwar selbst, dass er nicht viel Zeit hat, den Uraltrekord von Eddy Merckx mit 34 Etappensiegen bei der Tour de France zu überbieten. Aber er geht das Unterfangen auch nicht überstürzt an. Bei Astana fühle er sich wohl, habe auch nicht den Druck, sich immer aufs Neue beweisen zu müssen wie besonders bei seiner letzten Station im Rennstall Deceuninck - Quick-Step, betonte er.
Allerdings dürfte auch Cavendish klar sein, dass das bestenfalls eine Momentaufnahme ist. Teamchef Alexander Winokurow ist nicht unbedingt für Zurückhaltung beim Setzen von Zielen bekannt. Andererseits nützt die Last Minute-Verpflichtung von Cavendish auch dem Rennstall ungemein. Nach dem Karriereende von Vincenzo Nibali klafft eine große Lücke auf der Planstelle des Frontmannes. Cavendish kann diese Lücke schon allein dank seiner Prominenz füllen.
Im Feld genießt Cavendish weiterhin hohen Respekt
Für Siege ist er auch immer noch gut. Zuletzt gewann er ausgerechnet bei den Britischen Meisterschaften und düpierte dabei im Juni 2022 die komplette Ineos-Fraktion. Allerdings war das nicht im Massensprint, sondern aus einer Fluchtgruppe heraus. Auch den Podiumsplatz bei der UAE Tour holte er beim Sprint einer Fluchtgruppe. Wird das zum neuen Cav-Modus? Auf der 3. Etappe des Tirreno blieb er den Beweis dafür allerdings schuldig. Als das Feld kurz vor dem Ziel auseinander riss, war er nicht auf den vorderen Positionen, obwohl vielen Fahrern vorher klar war, dass genau dort wegen des offenen Geländes eine potenzielle Bruchstelle lag.
Mit der Verpflichtung des 34.maligen Tour-Etappensiegers gelang Astana-Chef Alexander Winokurow ein spektakulärer Coup.. | Foto: Cor Vos
Im Feld genießt er weiterhin großen Respekt. “Es ist immer toll, ihn zu sehen bei den Rennen. Für mich ist er immer noch der größte Sprinter der Welt“, sagte Dylan Groenewegen (Jayco AlUla) zu radsport-news.com. “Für mich ist er stets der Geheimtipp. Man darf ihn nie abschreiben“, meinte Etappensieger Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) zu radsport-news.com. In die Elogen stimmte auch der Tageszweite Phil Bauhaus Bahrain Victorious ein: “Beim letzten Giro hat er auch eine Etappe gewonnen und damit gezeigt, dass man immer mit ihm rechnen muss.“
Und weil das so ist, muss selbst ein viele Jahrzehnte zuvor in den Ruhestand getretener Superstar fürchten, dass Cavendish ihm doch noch einen Rekord abnehmen wird, den der 34 Tour-Etappensiege. Und zur Tour wird Astana Cavendish garantiert mitnehmen, solange jedenfalls die Gesundheit mitspielt. Um eine andere Rekordmarke muss Merckx aber nicht bange sein. Mit seinen 275 Siegen liegt der Belgier deutlich vor Cavendish mit dessen 161 Siegen. Der hat immerhin mit seinem Britischen Meistertitel den italienischen Sprinterkönig Mario Cipollini eingeholt. Vor ihm liegt mit 162 Siegen nur noch der Belgier Rik van Looy, unter anderem zweimaliger Weltmeister und dreimaliger Roubaix-Triumphator.
Um ein paar Einträge in die Geschichtsbücher fährt Cavendish also noch. Bei der Schlussetappe des Tirreno am Sonntag steht noch ein Sprint an – die nächste Gelegenheit, sich auf eine Stufe mit van Looy zu stellen und allen zu zeigen, dass er es noch kann.
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