Vorschau GP Quebec & GP Montreal

Wenig Prestige, aber diesmal von riesiger Bedeutung

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Wenig Prestige, aber diesmal von riesiger Bedeutung"
Gewann die letzten zwei Ausgaben des GP Quebec im Jahr 2018 und 2019: Michael Matthews, damals noch für Sunweb. | Foto: Cor Vos

11.09.2022  |  (rsn) – Das WorldTour-Peloton ist nach zwei Jahren Corona-Pause zurück in Kanada – und so wichtig wie diesmal waren die beiden an diesem Wochenende stattfindenden Eintagesrennen GP Quebec und GP Montreal seit ihren Debüts  vor zwölf Jahren selten. Das sieht man auch an der beeindruckenden Besetzung, denn die Startlisten werden angeführt von Namen wie Wout Van Aert (Jumbo – Visma) und Tadej Pogacar (UAE Team Emirates).

Seit ihrer Einführung im Jahr 2010 waren die beiden kanadischen Rennen immer interessante Optionen für die WM-Favoriten, um sich rund zwei Wochen vor den Titelkämpfen nochmal den letzten Schliff im Renntempo zu verpassen.

Bei etwas über 200 Kilometern Renndistanz an beiden Tagen und auf hügeligen Rundkursen mit knackigen, kurzen Rampen passen die Rennen in Quebec und Montreal meist sehr gut zu den Anforderungen, die es für die WM-Strecken braucht. So ist das auch dieses Jahr wieder – und zusätzlich liegt Kanada für Europäer ohnehin fast auf dem Weg, wenn es einmal rund um den Globus zur WM nach Australien geht.

Top besetzt – gerade bei Teams im Abstiegskampf

Doch beim Blick auf die Startlisten fällt auch auf, dass vor allem die Teams besonders stark aufgestellt nach Kanada gereist sind, die im Dreijahresranking der UCI, das am Saisonende über die WorldTour-Lizenzen ab 2023 entscheidet, gerade um den Klassenerhalt kämpfen:

BikeExchange – Jayco hat Kanada-Spezialist Michael Matthews als Kapitän dabei, der bei seiner ersten Teilnahme am GP Quebec 2012 ausschied, seitdem aber immer in den Top 5 landete: Zweiter, Fünfter, Dritter, Erster, Erster – beeindruckend. Und auch in Montreal hat er 2018 bereits gewonnen.

Movistar hat mit Alex Aranburu und Ivan Garcia Cortina seine beiden schnellsten Männer für hügelige Rennen dabei, EF Education – EasyPost kommt mit Magnus Cort, Alberto Bettiol sowie Ruben Guerreiro und Israel – Premier Tech schickt neben Giacomo Nizzolo auch Guillaume Boivin sowie den eher kletterstarken dänischen WM-Kapitän Jakob Fuglsang ins Rennen. Von den fünf größten WorldTour-Wackelkandidaten ist nur Lotto Soudal nicht bestbesetzt in Kanada.

Auf einer Stufe mit den Monumenten

Vom Prestige und der Radsport-Historie her werden der GP Quebec und der GP Montreal nicht extrem hoch eingeschätzt und viele tun sie als Retorten-Rennen ab. Gerade in Sachen Weltrangliste aber sind sie sehr, sehr wertvoll. Schließlich werden beide Rennen exakt genauso bepunktet wie etwa die fünf Monumente des Radsports - Mailand-Sanremo, Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne-Lüttich und Il Lombardia.

Top-Ergebnisse und Top-Leistungen sind in Quebec (Freitag) und Montreal (Sonntag) somit auf mehreren Ebenen wertvoll: durch die Punkte für die Teams und als Zeichen eines guten Formstandes vor der WM für die Fahrer. Doch auch die Rennen an sich haben das Potenzial, interessant zu verlaufen. Denn selbst wenn es vor allem in Quebec meist zum Bergaufsprint eines recht großen Feldes kommt, so sind beide Rennen ziemlich offen und können auch an Solisten gehen.

Die Strecken: Ähnlich und doch anders

Seit 2011 wurden die Strecken in Quebec und Montreal nicht mehr geändert. In beiden Metropolen geht es über hügelige Rundkurse auf größtenteils sehr breiten Straßen, weshalb auch die zahlreichen Kurven weit weniger ins Gewicht fallen, als es auf einem auf der Landkarte ähnlich aussehendem Rennen in Belgien der Fall wäre.

Die Runde in Quebec am Freitag – beide Rennen enden um etwa 22:15 Uhr deutscher Zeit – ist 12,6 Kilometer lang und muss 16 Mal absolviert werden. Insgesamt kommen dabei 2.976 Höhenmeter zusammen, die größtenteils im letzten Drittel jeder Runde gesammelt werden. Die letzten 1,3 Kilometer steigen hinauf zur Grande Allée Ouest und dem Parc de la Francophonie stetig mit knapp fünf Prozent an und überbrücken rund 50 Höhenmeter.

Die Anfahrt zur ansteigenden Zielgeraden ist kurvenreich und steigt kurz vor der 2-Kilometer-Marke für knapp 400 Meter bereits einmal etwas steiler an, so dass  Flachland-Sprinter am Ende chancenlos sind und der Sieg zwischen Hügelsprintern wie Matthews und dem diesjährigen Top-Favoriten Van Aert ausgefahren werden dürfte. Dass hier eine kleine Ausreißergruppe durchkommt, ist in den letzten zehn Jahren nur einmal passiert: 2013, als Robert Gesink gewann, Fabian Wegmann Vierter und Simon Geschke Neunter wurde.

Montreal: Insgesamt schwerer, trotz leichterem Finish

Beim GP Montreal am Sonntag dagegen sind erst dreimal mehr als 20 Mann mit der Siegerzeit gewertet worden: 2014, 2016 und 2018. Ansonsten setzten sich beim mit 221,4 Kilometern etwa 20 Kilometer längeren Rennen immer Kleingruppen im Finale ab und machten den Sieg in der Avenue du Parc am Parc Jeanne-Hance unter sich aus – dabei ist die Zielgerade hier eigentlich viel eher wie die einer Sprintankunft, nämlich flacher.

Doch die 12,3 Kilometer lange Runde von Montreal, die 18 Mal gefahren werden muss, ist vorher schwerer als die in Quebec. 269 Höhenmeter pro Umlauf sind zu bewältigen, über die Gesamtdistanz also 4.842 Meter und somit mehr als ein Drittel mehr als in Quebec. Gleich nach dem Start geht es durch den Parc du Mont-Royal auf den gleichnamigen Berg inmitten der Stadt hinauf – eine 1,8 Kilometer lange Steigung bei acht Prozent Durchschnittssteigung. Auf eine langgezogene Abfahrt folgen im weiteren Rundenverlauf dann zwei weitere 500-Meter-Rampen zurück in Richtung Zielgerade, die hier nur auf den letzten 500 Metern nochmal mit vier Prozent ansteigt.

Riesiger Kreis an Siegkandidaten

Die Favoritenlisten werden trotz der unterschiedlichen Strecken an beiden Tagen von denselben Namen angeführt: Van Aert, Matthews und Biniam Girmay (Intermarché – Wanty – Gobert). Doch der Kreis der möglichen Siegkandidaten ist insgesamt riesig. Um nur ein paar weitere interessante Namen für das Szenario Gruppensprint zu nennen: Christophe Laporte (Jumbo – Visma), Matej Mohoric (Bahrain Victorious), Giacomo Nizzolo (Israel – Premier Tech), Alex Aranburu (Movistar), Jasper Stuyven (Trek – Segafredo), Magnus Cort, Alberto Bettiol (beide EF Education – EasyPost) und Peter Sagan (TotalEnergies) stehen am Start.

Spannend wird aber, was die Kletterer gerade in Montreal ausrichten können. Denn Fahrer wie Tadej Pogacar (UAE Team Emirates), Geraint Thomas, Daniel Martinez (beide Ineos Grenadiers), Jakob Fuglsang (Israel – Premier Tech) und auch Romain Bardet (Team DSM) sind sicher nicht zum Däumchen drehen über den Atlantik geflogen.

Weitere Radsportnachrichten

25.12.2024Kräftezehrendes Jahr mit zwei Grand Tours

(rsn) – Die Ambitionen von Felix Gall (Decathlon – AG2R La Mondiale) waren vor dem Jahr 2024 berechtigter Weise groß. Denn der Österreicher konnte auf eine erfolgreichste Saison zurückblicken,

25.12.2024Alles offen nach einer erfolgreichen Saison

(rsn) - Das Resümee ihrer ersten vollständigen Profi-Saison dürfte durchweg positiv für die Schweizerin Elena Hartmann vom Team Roland ausgefallen sein. Erst vor zwei Jahren gelang der inzwischen

25.12.2024Traum erfüllt und doch unzufrieden

(rsn) – Es gibt durchaus einfachere Aufgaben als die Saison 2024 von Pascal Ackermann zu bewerten. Auch er selbst ist da ein wenig zwiegespalten. Schließlich hat er es mit dreißigeinhalb Jahren en

25.12.2024Meistertitel das Highlight im insgesamt bislang besten Jahr

(rsn) - Die abgelaufene Saison wird Franziska Koch vom Team dsm-firmenich - PostNL wohl noch länger in Erinnerung bleiben - war es doch mit Abstand ihre erfolgreichste, seit sie im Jahr 2019 beim Tea

25.12.2024Auch Colombo und vier Kollegen verlassen Q36.5

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

25.12.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

25.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2024

(rsn) - Wie bei den Männern so blicken wir traditionell am Jahresende auch auf die Saison der Frauen zurück und stellen die besten 15 Fahrerinnen unserer Jahresrangliste vor. Wir haben alle UCI-Ren

25.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

24.12.2024Der größte Sieg war jener über Long-Covid

(rsn) – Es war eine Saison voller Höhen und Tiefen für Marlen Reusser (SD Worx – Protime), wobei vor allem in der zweiten Saisonhälfte die Tiefe übernahm – und zwar komplett. Denn die Schwe

24.12.2024Top-Sprinter mit starkem Sinn für Realismus

(rsn) - Mit zwei Siegen und insgesamt 21 Top-Ten-Resultaten bei UCI-Rennen zeigte Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) auch 2024, dass er zu den schnellsten Männern im Feld zählt. Mit seiner Saison w

24.12.2024Mit 36 Jahren noch immer einer der Besten

(rsn) – Seit vielen Jahren gehört Riccardo Zoidl (Felt – Felbermayr) zu den absolut besten Fahrern Österreichs. 2013 erlebte er seinen absoluten Durchbruch, wo er sich mit zahlreichen Rundfahrts

24.12.2024Hamilton bricht sich das Schlüsselbein bei Trainings-Crash

(rsn) – Chris Hamilton, Tim Naberman und Oscar Onley sind am letzten Tag des Dezember-Trainingslagers des Teams dsm-firmenich – PostNL, das ab Januar Picnic – PostNL heißen wird, gestürzt. Wä

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine