RSNplusNach zwei Tour-Siegen diesmal Zweiter

Pogacar auch als Verlierer große Klasse

Von Tom Mustroph

Foto zu dem Text "Pogacar auch als Verlierer große Klasse"
Tadej Pogacar (UAE Team Emirates, li.) gratuliert Jonas Vingegaard (Jumbo - Visma) | Foto: Cor Vos

24.07.2022  |  (rsn) - Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) kann nicht nur austeilen. Er kann auch einstecken. Das zeigte er bei dieser Tour de France vortrefflich. In der ersten Woche war der 23-Jährige noch ein guter Austeiler. Er schien mit seinen Konkurrenten zu spielen wie ein Löwenjunges mit Hauskatzen.

“Ich liebe es, Rennen zu fahren. Und dabei möchte ich gern gewinnen. Und hier fahren wir ja Radrennen“, begründete Pogacar schelmisch seine diversen Beschleunigungen auf dem Kopfsteinpflaster von Arenberg und bei den kleineren Rampen in Longwy und Lausanne. Dass er an der Planche des Belles Filles dank seiner Explosivität eine Lücke zum Rest des Feldes reißen würde, war ohnehin vorher klar. “Er ist bei den kurzen Rampen einfach explosiver als ich“, schätzte etwa Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma) ganz richtig ein.

Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) fuhr nach überragendem Beginn diesmal bei der Tour de France Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma) hinterher. | Foto: Cor Vos

___STEADY_PAYWALL___ Als es in die langen Anstiege ging, fand der Slowene, der im letzten Jahr noch allen davon gefahren war, im Dänen aber seinen Meister. Anfangs hatte dies noch mit eigenen Fehlern zu tun. Am Col du Granon hatte Pogacar vergessen, sich rechtzeitig mit Nahrung zu versorgen. Was dabei genau schief lief, wollte das Team nicht aufklären. Angeblich errichte ein vollgepackter Verpflegungsbeutel den Kapitän nicht. “Es war ein Fehler von uns, und er hat sicher zum Ausgang dieser Tour beigetragen“, sagte Pogacar später.

In den langen Anstiegen hatte Pogacar das Nachsehen

Aber auch auf den anderen langen Rampen dieser Tour hatte der Titelverteidiger in diesem Jahr das Nachsehen. Gut, in l’Alpe-d’Huez gewann er noch den Bergsprint gegen Vingegaard. Der war nach seinem Supercoup am Vortag am Col du Granon aber komplett auf Verteidigung gepolt. Pogacar folgen, so lautete das Motto für ein paar Tage. Und der wurde den Mann in Gelb nicht los.

Jedenfalls nicht entscheidend. In Peyragudes schien er zwar noch einmal das Ruder des Rennens zwischen die eigenen Hände zu bekommen. Sein Miniteam zerschmetterte an diesem Tag Jumbo – Visma. Und er selbst gewann seine dritte Etappe bei dieser Tour. Aber einen Zeitabstand konnte er selbst an diesem Tag nicht auf den Spitzenreiter herausfahren.

Das war bitter für den Alleskönner. Und auf der folgenden 18. Etappe nach Hautacam konnte der Mann im Weißen Trikot nur eine Fahne mit gleicher Farbe hissen. Er versuchte zwar alles, attackierte bergauf und in der Abfahrt. Er schien sogar einen kurzen Moment, als Vingegaard sich versteuert hatte, zum Entkommen nutzen zu wollen. Kurz danach kam er aber selbst zu Fall. Und sein Gegner zeigte sich sogar noch moralisch überlegen. Er wartete auf seinen Rivalen. Und dem blieb nichts anderes übrig, als seine Hand zum Dank auszustrecken.

Der Slowene gewann zwar drei Etappen und damit eine mehr als sein dänischer Konkurrent. Doch im Klassement war Pogacar dem Jumbo-Visma-Profi deutlich unterlegen | Foto: Cor Vos

Zwei Kontrahenten, die sich auf jedem Zentimeter der Rennstrecke bekämpften, reichten sich am letzten und entscheidenden Berg der Tour de France die Hand – das war eines der prägenden Bilder dieser Tour. Bei Pogacar war danach die Luft raus. “Der Sturz hat mich etwas verunsichert“, beschrieb er die Situation danach. Auf den letzten Kilometern schickte ihn gar ein Antritt des Mannes in Grün, der sich zu seinem Kapitän Vingegaard hatte zurückfallen lassen, in die Seile. Pogacar war geschlagen.

Faktoren gegen Pogacar: Corona, eigene Fehler, Van Aert

Er führte seine Niederlage aber nicht auf den Sturz oder andere Marginalien zurück, sondern sagte ganz klar: “Jonas war der Stärkste bei dieser Tour. Er ist der bessere Kletterer, und er hat verdient gewonnen.“

In der Analyse nannte Pogacars Teamchef Mauro Gianetti drei Gründe, die den dritten Triumph seines Schützlings verhindert hätten. “Der Unterschied zwischen Tadej und Jonas Vingegaard als Fahrer ist sehr gering. Entscheidend waren andere Faktoren: Corona hat uns stärker zugesetzt als anderen Teams. Unsere Bergfahrer waren teilweise schon weg, als es überhaupt in die Berge ging. Der zweite Faktor ist der Col du Granon. Tadej ist mit Vorsprung in die Etappe gegangen, dann änderten Fehler von uns komplett das Szenario. Und der dritte Faktor ist Wout Van Aert.“

Am letzten Faktor wird Gianetti nichts ändern können, außer er kauft den Belgier aus dem niederländischen Rennstall heraus, wie der FC Barcelona das mit Robert Lewandowski und dem FC Bayern machte. Van Aert wirkt aber glücklich im Jumbo-Wespenschwarm. Auf die Corona-Lotterie hat ein Rennstall auch wenig Einfluss. Nachschubprobleme beim Essen sollte es auf diesem Niveau aber gar nicht geben. Die Zukunft im Hause UAE sieht also nicht gleich dramatisch düster aus.

Erstmals wurden auch bei Pogacar taktische Defizite deutlich

Pogacar muss sich freilich auch Gedanken über seine Limits machen. Die wurden in diesem Jahr erstmals sichtbar. Taktische Defizite bei der Flandern-Rundfahrt etwa, als er sich als sichtlich stärkster Mann im Feld dem auf dem letzten Zylinder fahrenden Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) noch geschlagen geben und sogar zwei von hinten kommende Außenseiter an sich vorbei ziehen lassen musste.

Das Tour-Duell der kommenden Jahre? Rogar vs. Vingegaard. | Foto: Cor Vos

Physische Defizite hatte er gegenüber Vingegaard in den langen Anstiegen. Und auch im Kampf gegen die Uhr zog er in der Addition beider Tour-Zeitfahren gegen den Dänen den Kürzeren. Das legt nahe: In Zukunft kann Pogacar nicht mehr einfach mit den Gegnern spielen, sondern muss sich echte Matchpläne ausdenken. Er muss sich etwas einfallen lassen, um wieder nach vorn zu kommen.

Das weiß der zweimalige Toursieger natürlich. Und deshalb fiel seine Antwort auf die Frage, ob das Duell Vingegaard vs. Pogacar die nächsten Frankreich-Rundfahrten bestimmen würde, auch sehr nachdenklich aus. “Wir sind zwei starke Fahrer und haben sicherlich noch einige Jahre auf gutem Niveau vor uns. Es können aber auch immer neue Fahrer nachkommen, die ein ähnliches oder ein besseres Niveau haben“, sagte er.

Neue Leute, die so hoch schießen wie dieser Jonas Vingegaard, den im Juni 2021 noch niemand auf der Rechnung hatte und dem man bei dieser Tour allenfalls eine Beunruhigungsrolle für Pogacar zugetraut hatte. Nun ist es der UAE-Profi, der unruhig sein muss. So schnell können Kräfteverhältnisse im Radsport kippen.

Mehr Informationen zu diesem Thema

07.07.2023Pech mit der Kette bringt Cavendish um den Rekordsieg

(rsn) – Es hat nicht viel gefehlt, um das Märchen perfekt zu machen. Am 7. Juli 2007 gab Mark Cavendish, damals noch im Trikot von T-Mobile, sein Debüt der Tour de France. Den Prolog in London bee

12.06.2023Van Aert kritisiert Netflix-Serie: “Zielt auf Aufreger ab“

(rsn) – Am vergangenen Donnerstag ist die von vielen Fans lange erwartete Netflix-Serie ´Tour de France: Unchained´ veröffentlicht worden, die hinter die Kulissen der Frankreich-Rundfahrt 2022 bl

02.03.2023Trailer zur Netflix-Serie über die Tour de France veröffentlicht

(rsn) – Den Titel, “Tour de France: Unchained“, hatte Netflix bereits vor einigen Tagen veröffentlicht. Jetzt folgte auch der erste Trailer zu der Doku-Serie, die aus acht Teilen bestehen und v

16.12.2022Sagan hat van Aert noch nicht vergeben

(rsn) – In einem Gespräch mit der italienischen Sportzeitung Gazzetto dello Sport hat Peter Sagan (TotalEnergies) deutlich gemacht, dass er Wout van Aert (Jumbo – Visma) noch nicht für dessen ve

23.11.2022Aktivisten der “Letzten Generation“ bekommen 500-Euro-Strafe

(rsn) – Dreimal kam das Peloton bei der Tour de France 2022 aufgrund von Protesten durch Klima-Aktivisten und Klima-Aktivistinnen kurz zum Stillstand: Zunächst auf der 10. Etappe auf dem Weg nach M

17.11.2022Pogacar: “Evenepoel ist vielleicht sogar stärker als ich“

(rsn) – Mit nicht weniger als 16 Siegen war Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) auch im Jahr 2022 eine der dominierenden Figuren des Radsports. Der 24-jährige Slowene gewann bedeutende Eintagesrennen

03.11.2022CAS bestätigt Quintanas Tour-Disqualifikation

(rsn) - Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat die Entscheidung des  Radsportweltverbands UCI bestätigt, der Nairo Quintana (Arkea – Samsic) nachträglich von der Tour de France 2022 disquali

29.08.2022Geschke: “Jedes Bergtrikot am Straßenrand motivierte mich“

(rsn) - Ganz allein erreichte Simon Geschke, der Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft, das Ziel der finalen 4. Etappe in Stuttgart. Der Freiburger kam 7:07 Minuten nach Tagessieger Pello Bilbao (

13.08.2022Von Corona genesen: Froome und Woods starten bei Vuelta

(rsn) – Sowohl Chris Froome als auch Teamkollege Michael Woods haben sich von ihrer Corona-Infektion erholt, die sie sich bei der Tour de France zugezogen hatten. Die beiden Fahrer von Israel - Prem

05.08.2022Zwei Wochen vor Vuelta-Start: Roglic trainiert wieder

(rsn) – Zwei Wochen vor dem Start der Vuelta a Espana hat Primoz Roglic wieder das Straßentraining aufgenommen. Der dreimalige Gesamtsieger der Spanien-Rundfahrt war auf der 5. Etappe der Tour de

31.07.2022Van Vleuten auf völlig anderem Level - wie geht das?

(rsn) – Der Solo-Coup von Annemiek van Vleuten (Movistar) auf der Königsetappe der Tour de France der Frauen hat bei den Beobachtern einmal mehr für große Augen und offene Münder gesorgt. Die 3

31.07.2022Von einem “toten Fisch“ und völlig leergefahrenen Körpern

(rsn) – Die Königsetappe der Tour de France der Frauen hat für riesige Abstände unter den Protagonistinnen gesorgt. Annemiek van Vleuten (Movistar) scheint ihren Gesamtsieg schon vorzeitig perfek

Weitere Radsportnachrichten

28.05.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die w

28.05.2025Highlight-Video der 17. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) - Isaac Del Toro (UAE – Team Emirates – XRG) hat sich von seiner gestrigen Niederlage beim Giro d’Italia gut erholt gezeigt. Der 21-jährige Mexikaner gewann die 17. Etappe über 155 Kilom

28.05.2025Entspanntem Steinhauser fehlte im Finale ein bisschen

(rsn) – Nachdem Richard Carapaz (EF Education – EasyPost) am Dienstag den besten Eindruck der Anwärter auf den Gesamtsieg beim 108. Giro d’Italia gemacht und seinen Rückstand auf den Leader Is

28.05.2025“Bin nicht superspeziell“: Del Toro spielt Fähigkeiten herunter

(rsn) - Große Champions zeichnet aus, nach Niederlagen wieder zurückzukommen. Isaac Del Toro (UAE – Team Emirates – XRG) ist noch kein solcher, aber er hat den Charakter, einer zu werden. Nach d

28.05.2025In der Lombardei ein Tag für die schnellen Männer

(rsn / ProCycling) – Nach der gestrigen Bergetappe steht heute wieder ein Tag für die Sprinter im Giro-Programm. Die 18. Etappe führt über 144 Kilometer von Morbegno nach Cesano Maderno bei Maila

28.05.2025Bardet: “Del Toro ist gefahren wie ein Wahnsinniger“

(rsn) – Isaac Del Toro (UAE – Team Emirates – XRG) meldete sich auf der 17. Etappe des Giro d’Italia eindrucksvoll zurück. Der 21-jährige Mexikaner gewann die 155 Kilometer lange Bergetappe

28.05.2025Tiberi und Storer im Giro-Klassement die Verlierer des Tages

(rsn) – Nachdem er am Dienstag viel Zeit auf seine direkten Konkurrenten eingebüßt hatte, revanchierte sich Isaac Del Toro (UAE – Emirates – XRG) auf der 17. Etappe des Giro d’Italia. Zwar h

28.05.2025Del Toro schlägt zurück und baut Giro-Führung wieder aus

(rsn) – Nachdem er gestern das Rosa Trikot fast eingebüßt hatte, hat Isaac Del Toro (UAE – Team Emirates – XRG) auf der 17. Etappe des Giro d`Italia zurückgeschlagen und über 155 Kilometer v

28.05.202577. Critérium du Dauphiné mit dem Tour-Podium 2024

(rsn) – Ab dem 8. Juni trifft in Südfrankreich erstmals in dieser Saison das Podium der letztjährigen Tour de France aufeinander. Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG), Jonas Vingegaard (Visma

28.05.2025Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 17. Etappe

(rsn) - 184 Profis aus 23 Teams sind am 9. Mai im albanischen Durres zum 108. Giro d‘Italia (2.UWT) angetreten, darunter zehn Deutsche, zwei Luxemburger sowie je ein Österreicher und Schweizer.

28.05.2025Etappensieger Plapp gibt beim Giro auf

(rsn) – Lukas Plapp, Gewinner der 8. Etappe, hat den 108. Giro d’Italia auf der 17. Etappe aufgeben. Wie sein Team Jayco – AlUla in den Sozialen Medien mitteilte, habe sich Plapp bereits am Morg

28.05.2025Roglic-Coach Lamberts bleibt für die Tour optimistisch

(rsn) – Als Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) 95 Kilometer vor dem Ziel der 16. Etappe des Giro d’Italia vom Rad stieg, kam das für seinen Coach Marc Lamberts nicht überraschend. W

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d`Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Oberösterreich Rundfahrt (2.2, AUT)
  • Tour of Norway (2.Pro, NOR)
  • Cycling Tour of Albania (2.2, ALB)
  • Alpes Isere Tour (2.2, FRA)
  • Fleche du Sud (2.2, LUX)
  • Circuit de Wallonie (1.1, BEL)
  • Tour of Estonia (2.1, EST)
  • Course de la Paix Grand Prix (2.Ncup, CZE)
  • Boucles de la Mayenne - (2.Pro, FRA)