Lampaert kommen nach Auftaktsieg die Tränen

Ein Bauernjunge aus Belgien holt sich das Gelbe Trikot der Tour

Von Peter Maurer

Foto zu dem Text "Ein Bauernjunge aus Belgien holt sich das Gelbe Trikot der Tour"
Yves Lampaert, der erste Träger des Maillot Jaune 2022 | Foto: A.S.O./Pauline Ballet

01.07.2022  |  (rsn) – Regen und Begeisterung kennzeichneten den Auftakt der 109. Tour de France in Kopenhagen. Und Yves Lampaert (Quick-Step – Alpha Vinyl) passte als erster Träger des Maillot Jaune bestens in das Bild. Von Tränen übermannt, streifte er sich als erster Belgier seit 2018 das Gelbe Trikot über. Ziemlich überraschend hatte der 31-Jährige auf dem 13,2 Kilometer langen Parcours durch die dänische Hauptstadt alle Favoriten düpiert.

"Mein Kopf explodiert gerade. Ich hatte erwartet, in die Top Ten zu fahren. Das wäre großartig gewesen", berichtete Lampaert mit feuchten Augen im ersten Zielinterview. Der starke Zeitfahrer, zuletzt Zweiter der Nationalen Meisterschaften hinter seinem Teamkollegen und Wunderkind Remco Evenepoel, war fünf Sekunden schneller als sein Landsmann Wout Van Aert (Jumbo – Visma) und deren sieben als der Titelverteidiger Tadej Pogacar (UAE Team Emirates).

"Ich bin doch nur ein kleiner Bauernjunge aus Belgien", beschrieb sich der Mann aus Ingelmunster in Westflandern. Aus einfachen Verhältnissen kommend, hat Lampaert sich in die Weltspitze des Radsports vorgefahren. "Nun habe ich alle geschlagen, die Besten der Welt. Das hätte ich nie erwartet", schossen die Emotionen aus ihm heraus. Zweimal gewann Lampaert den Klassiker Dwars door Vlaanderen schon, einmal Brugge-De Panne. Doch der aktuelle Erfolg stellt eine völlig neue Kategorie dar.

Der Kurs in Kopenhagen lag dem Belgier perfekt

"Ich wusste, dass ich gut drauf bin, aber gleich am ersten Tag eine Tour-Etappe zu gewinnen, davon hätte ich nicht einmal geträumt", so der Sieger weiter und fügte an: "Aber ich habe es geschafft." Seit 2015 gehört er dem Quick-Step-Kader an, ist meist treuer Helfer für seine Kapitäne, aber mittlerweile auch eine Erfolgkonstante. Zweimal wurde Lampaert schon Weltmeister im Mannschaftszeitfahren, holte Silber bei den Europameisterschaften 2019 im Straßenrennen und gewann auch schon eine Vuelta-Etappe. Doch im Konzert der Weltbesten war der Auftritt von Kopenhagen sein Durchbruch.

"Es ist ein Zeitfahren und natürlich kann da jeder so schnell draufdrücken wie er will, aber Van Aert, Van der Poel oder Ganna zu schlagen ist unglaublich", sagte Lampaert, dem der Regen und die dadurch herausfordernde Straßenbeschaffenheit offenbar nichts ausmachten: "Die Bedingungen waren schwierig, die Straßen waren nass und die Löcher mit Wasser gefüllt." Doch immer wieder sprach sich Lampaert selbst Mut zu, für ein gutes Ergebnis alles zu riskieren und zu probieren.

"In den Kurven habe ich mir gesagt 'Yves fahr schneller, habe Vertrauen in dein Material'. Und am Ende war ich fünf Sekunden schneller als Van Aert", erinnerte er sich und sein Sportlicher Leiter Tom Steels, selbst Etappensieger bei der Tour erklärte: "Alles zwischen zehn und 15 Kilometern ist ihm auf den Leib geschneidert und er hat keinen einzigen Fehler gemacht. Aus technischer Sicht war er perfekt."

"Realisieren werde ich das frühestens nach der Tour"

Für sein Team beginnt am Samstag allerdings nicht die Verteidigung des Gelben Trikots, sondern die Mission, den starken Sprinter Fabio Jakobsen ins Finale zu bringen, damit der Niederländer weitere Etappensiege einfahren kann. Dabei könnte man das Maillot Jaune sogar in einer Helferrolle sehen. Außerdem sitzt Lampaert mit Wout Van Aert (Jumbo – Visma) ein starker Sprinter im Nacken, der für die bittere Auftakt-Niederlage auf Revanche sinnt.

Doch an die 2. Etappe wollte der Quick-Step-Profi noch keine Gedanken verschwenden. Überhaupt hatte er seinen Triumph noch gar nicht verarbeitet: "Ich denke, realisieren werde ich das frühestens nach der Tour, vielleicht aber schon am Ruhetag, wenn ich meine Freundin wiedersehe und meinem Sohn." Dem kann er dann stolz sein Gelbes Trikot präsentieren, das er nun zumindest für einen Tag auf seinen Schultern tragen kann.

Und in der Stunde seines größten Erfolges dachte Lampaert auch an einen Teamkollegen, einen, der wie der aktuelle Gesamtführende auch ein fleißiger Helfer seiner Mannschaft ist. Tim Declercq war für den Tourkader der belgischen Mannschaft vorgesehen, doch ein positiver Covid-Test führte dazu, dass er noch vor dem Auftakt die Heimreise antreten musste: "Er ist mein bester Freund, der Sieg ist auch für ihn. Ich hätte ihn gerne mit ihm hier gefeiert."

Mehr Informationen zu diesem Thema

07.07.2023Pech mit der Kette bringt Cavendish um den Rekordsieg

(rsn) – Es hat nicht viel gefehlt, um das Märchen perfekt zu machen. Am 7. Juli 2007 gab Mark Cavendish, damals noch im Trikot von T-Mobile, sein Debüt der Tour de France. Den Prolog in London bee

12.06.2023Van Aert kritisiert Netflix-Serie: “Zielt auf Aufreger ab“

(rsn) – Am vergangenen Donnerstag ist die von vielen Fans lange erwartete Netflix-Serie ´Tour de France: Unchained´ veröffentlicht worden, die hinter die Kulissen der Frankreich-Rundfahrt 2022 bl

02.03.2023Trailer zur Netflix-Serie über die Tour de France veröffentlicht

(rsn) – Den Titel, “Tour de France: Unchained“, hatte Netflix bereits vor einigen Tagen veröffentlicht. Jetzt folgte auch der erste Trailer zu der Doku-Serie, die aus acht Teilen bestehen und v

16.12.2022Sagan hat van Aert noch nicht vergeben

(rsn) – In einem Gespräch mit der italienischen Sportzeitung Gazzetto dello Sport hat Peter Sagan (TotalEnergies) deutlich gemacht, dass er Wout van Aert (Jumbo – Visma) noch nicht für dessen ve

23.11.2022Aktivisten der “Letzten Generation“ bekommen 500-Euro-Strafe

(rsn) – Dreimal kam das Peloton bei der Tour de France 2022 aufgrund von Protesten durch Klima-Aktivisten und Klima-Aktivistinnen kurz zum Stillstand: Zunächst auf der 10. Etappe auf dem Weg nach M

17.11.2022Pogacar: “Evenepoel ist vielleicht sogar stärker als ich“

(rsn) – Mit nicht weniger als 16 Siegen war Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) auch im Jahr 2022 eine der dominierenden Figuren des Radsports. Der 24-jährige Slowene gewann bedeutende Eintagesrennen

03.11.2022CAS bestätigt Quintanas Tour-Disqualifikation

(rsn) - Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat die Entscheidung des  Radsportweltverbands UCI bestätigt, der Nairo Quintana (Arkea – Samsic) nachträglich von der Tour de France 2022 disquali

29.08.2022Geschke: “Jedes Bergtrikot am Straßenrand motivierte mich“

(rsn) - Ganz allein erreichte Simon Geschke, der Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft, das Ziel der finalen 4. Etappe in Stuttgart. Der Freiburger kam 7:07 Minuten nach Tagessieger Pello Bilbao (

13.08.2022Von Corona genesen: Froome und Woods starten bei Vuelta

(rsn) – Sowohl Chris Froome als auch Teamkollege Michael Woods haben sich von ihrer Corona-Infektion erholt, die sie sich bei der Tour de France zugezogen hatten. Die beiden Fahrer von Israel - Prem

05.08.2022Zwei Wochen vor Vuelta-Start: Roglic trainiert wieder

(rsn) – Zwei Wochen vor dem Start der Vuelta a Espana hat Primoz Roglic wieder das Straßentraining aufgenommen. Der dreimalige Gesamtsieger der Spanien-Rundfahrt war auf der 5. Etappe der Tour de

31.07.2022Van Vleuten auf völlig anderem Level - wie geht das?

(rsn) – Der Solo-Coup von Annemiek van Vleuten (Movistar) auf der Königsetappe der Tour de France der Frauen hat bei den Beobachtern einmal mehr für große Augen und offene Münder gesorgt. Die 3

31.07.2022Von einem “toten Fisch“ und völlig leergefahrenen Körpern

(rsn) – Die Königsetappe der Tour de France der Frauen hat für riesige Abstände unter den Protagonistinnen gesorgt. Annemiek van Vleuten (Movistar) scheint ihren Gesamtsieg schon vorzeitig perfek

Weitere Radsportnachrichten

23.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

22.04.2024Tour of Turkiye: Taktischer Fehler kostete Dorn das Bergtrikot

(rsn) – Auch auf der 2. Etappe der Tour of Türkiye (2.Pro) haben die deutschen Kontinental-Teams Bike Aid und Rembe Sauerland das Renngeschehen geprägt. Auf dem 190 Kilometer langen Teilstück zw

22.04.2024Kanter sprintet bergauf zu seinem ersten Profisieg

(rsn) – Max Kanter (Astana Qazaqstan) hat auf der 2. Etappe der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) seinen ersten Profisieg eingefahren. Der 26-jährige Deutsche setzte sich über 190 Kilometer von Kemer

22.04.2024Wiebes wie Kopecky bis Ende 2028 bei SD Worx – Protime

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

22.04.2024SD Worx - Protime: Sponsoren bleiben an Bord

(rsn) – Bei den Ardennenklassikern blieb das erfolgsverwöhnte Team SD Worx – Protime ohne Sieg. Dafür allerdings konnte der niederländische Frauen-Rennstall am Tag nach Lüttich-Bastogne-Lütti

22.04.2024Van der Poel: “Auch in Top-Form kann ich Tadej nicht folgen“

(rsn) – Auch wenn es nicht zum dritten Sieg bei einem Monument in dieser Saison reichte, gehörte Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) zu den Gewinnern des 110. Lüttich-Bastogne-Lüttich.

22.04.2024Bernal auf allerbestem Weg zurück in die Weltspitze

(rsn) – Am Ende stand für Egan Bernal (Ineos Grenadiers) in Lüttich der 21. Platz auf der Ergebnisliste. Doch das Resultat an sich spiegelte kaum wider, wie stark der Kolumbianer bei seinem Debüt

22.04.2024Tour de Romandie im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Die sechstägige Tour de Romandie (2.UWT) hält traditionell für jeden Fahrertypen etwas bereit. Ob Kletterer oder Zeitfahrspezialisten, Sprinter oder Klassikerjäger - sie alle bekommen ihr

22.04.2024Siege, Spitzenresultate und jede Menge Wertungstrikots

(rsn) - Die deutschen Kontinental-Teams konnten sich bei ihren UCI-Renneinsätzen der vergangenen Woche über zahlreiche Wertungstrikots freuen. Besonders Santic - Wibatech räumte bei der Fernfahrt

22.04.2024“Ich betreibe massiv Aufwand und andere sind hinter dem Auto“

(rsn) – Tom Pidcock (Ineos Grenadiers) konnte und wollte mit seinem Frust nicht hinter dem Berg halten. Platz zehn bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, das war eine Woche nach seinem Triumph beim Amstel

21.04.2024Trotz Patzer triumphiert Brown bei Lüttich-Bastogne-Lüttich

(rsn) – Nach zweiten Plätzen in den Jahren 2020 und 2022 hat Grace Brown (FDJ – Suez) erstmals das Lüttich-Bastogne-Lüttich der Frauen gewonnen. Die Australierin ließ nach schweren 152,9 Kilom

21.04.2024Van der Poel: “Heute das für mich bestmögliche Ergebnis“

(rsn) – Nach einer Attacke an der berühmten Redoute und einem nachfolgenden Solo hat sich Top-Favorit Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) den Sieg beim 110. Lüttich-Bastogne-Lüttich (1.UWT) geholt

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de Romandie (2.UWT, SUI)