Giro: Kämna macht eine Sekunde auf Lopez gut

Démare schlägt Ewan und zieht an Anquetil und Hinault vorbei

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Arnaud Démare (Groupama – FDJ, li.) hat auch die 6. Etappe des 105. Giro d’Italia gewonnen. | Foto: Cor Vos

12.05.2022  |  (rsn) - Nur wenige Millimeter entschieden den Zielsprint der 6. Etappe des Giro d’Italia zugunsten von Arnaud Démare (Groupama – FDJ). Der Franzose sicherte sich nach 192 Kilometern von Palmi nach Scalea vor dem Australier Caleb Ewan (Lotto – Soudal) seinen zweiten Sieg in Folge. Das Podium wurde vom Briten Mark Cavendish (Quick – Step Alpha Vinyl) komplettiert. Der Kölner Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) wurde erneut Sechster. Das Gesamtklassement der 105. Italien-Rundfahrt wird weiterhin von Juan Pedro Lopez (Trek – Segafredo) angeführt.

Mit nunmehr sieben Giro-Etappensiegen stieg Démare vor Jaques Anquetil und Bernard Hinault zum französischen Rekordhalter auf. “Auf der Linie habe ich gefühlt, dass ich vorne war. Aber wir mussten auf das Foto-Finish warten. Ich bin sehr zufrieden, das war ein heißes Finish“, gab Démare glücklich zu Protokoll. Und die Art und Weise seines Erfolges lässt vermuten, dass es nicht sein letzter Coup bei dieser Rundfahrt sein könnte.

Denn Démare befreite sich erst 100 Meter vor dem Ziel von der Bande und überholte Cavendish und Ewan mit großer Geschwindigkeit. “Ich habe gemerkt, dass Cavendish stark losgefahren ist. Aber da hatte ich meinen Sprint noch nicht gestartet. Ich musste eine Öffnung finden. Cavendish ist nach links gezogen. Also musste ich neu anfangen und aufholen. Es war ein kurzer Sprint. Ich war am Limit und habe einen Tigersprung gemacht. Das war der Unterschied“, beschreibt der 30-Jährige die entscheidenden Szenen.

Abermals hob Démare die Arbeit seines Sprintzuges heraus. Ramon Sinkeldam und Jacopo Guarnieri übernahmen auf den letzten 500 Metern die Kontrolle und zwangen den schlecht platzierten Cavendish und dessen Anfahrer Michel Morkov, ihren Sprint früh zu starten. “Die Mannschaft hat eine enorme Arbeit geleistet. Man hat am Bildschirm gesehen, dass wir an jedem Kreisverkehr gut platziert waren. Das war ein kollektiver Erfolg“, lobte der Sieger seine Teamkameraden.

Duellieren sich Démare und Girmay um das Maglia Ciclamino?

Im Sprintklassement besitzt Démare nun einen komfortablen Vorsprung auf den Eritreer Binaim Girmay (Intermarché – Wanty – Gobert), der im Laufe der Rundfahrt wohl versuchen wird, auf hügeligen Gelände zu punkten. Es zeichnet sich ab, dass der Kampf um das Maglia Ciclamino Trikot zu einem Duell dieser beiden Fahrer wird.

Der Sprint war zwar aufregend, die vorangegangenen 192 Kilometer wurden jedoch im Bummeltempo absolviert. “Ich habe den Tag genossen. Ich weiß nicht, warum wir so langsam unterwegs waren. Vielleicht weil alle wussten, dass es ein Sprint wird und die Sprinterteams alles unter Kontrolle hatten“, versuchte der Gesamtführende Lopez zu erklären.

Der Spanier wird sich morgen wohl Kämnas Angriffen erwehren müssen. Der Bremer reduzierte bereits heute beim Bonussprint seinen Rückstand um eine Sekunde und deutete so seine Ambitionen auf das Maglia Rosa an. “Morgen wird ein harter Tag. Aber wir sind bereit“, gab sich Lopez optimistisch. Sowohl Lopez als auch Kämna verteidigten ihre Führungen im Nachwuchs- beziehungsweise im Bergklassement, Bora – hansgrohe bleibt bestes Team.

So lief das Rennen:

Bei erneut perfekten äußeren Bedingungen schien keinem der noch 172 Profis im Giro-Feld der Sinn nach einem Ausreißversuch zu stehen, bis sich dann der Italiener Diego Rosa (Eolo – Kometa) erbarmte und nach 25 gefahrenen Kilometern am einzigen Berg des Tages in die Offensive ging. Wohl auch zu seiner eigenen Überraschung erhielt er jedoch keine Begleitung, stattdessen nahm das Feld geschlossen die Beine hoch und gewährte Rosa schnell einen Maximalvorsprung von 5:15 Minuten.

Am Flughafen L. Razza sicherte sich der ehemalige Astana- und Sky-Profi den Bergpreis und die damit verbundenen drei Punkte sowie kurz darauf den ersten der beiden Zwischensprints. Aus dem Feld heraus sammelte Kämna im Kampf um das Maglia Azzura kampflos zwei weitere Zähler. Da eine Konterattacke des Drone-Hopper-Trios Filippo Tagliani, Eduardo Sepulveda und Simone Ravanelli nach dem Zwischensprint, an dem sich Tagliani als Zweiter noch acht Punkte holte, vereitelt wurde, musste sich Rosa weiterhin als Solist durchkämpfen.

Das von Lotto Soudal, Groupama – FDJ und Quick-Step angeführte Feld hatte es auf flachem Terrain nicht eilig und hielt den Rückstand in der Folge bei sehr kontrolliertem Tempo konstant zwischen drei und vier Minuten. Was phasenweise nach einer lockeren Trainingseinheit aussah, begann sich erst am zweiten Zwischensprint 45 Kilometer vor dem Ziel allmählich zu ändern. Da lag der 33-jährige Rosa noch rund 1:30 Minuten vor den Verfolgern.

Bis ins Finale hinein eine lockere Trainingseinheit

Aus dem Feld heraus sprinteten Tagliani und Kämna um die restlichen Punkte und Bonussekunden, wobei der Italiener sich wie schon am ersten Zwischensprint gegen den Träger des Bergtrikots durchsetzte. Kämna machte zumindest eine Sekunde in der Gesamtwertung gut. Kurz darauf schien die Flucht des 33-jährigen Rosa beendet, doch dann ließ das Feld die Zügel nochmals etwas lockerer, so dass der zweite der Lombardei-Rundfahrt von 2016 seinen Vorsprung nochmals auf rund eine Minute ausbauen konnte.

28 Kilometer vor dem Ziel war es dann doch soweit und Rosa verschwand nach einer Solofahrt von rund 140 Kilometern wieder im Feld, wo sich Lotto Soudal in voller Mannschaftsstärke an der Spitze versammelt hatte. Nach einem letzten Kreisverkehr bog das Feld geschlossen auf die mit rund drei Kilometern längste Zielgerade des diesjährigen Giro ein, wo die Sprintzüge versuchten, ihre Kapitäne in Position zu bringen.

Auf den letzten Kilometern zerfiel Ewans Helferriege kurzzeitig, während Teams wie Quick-Step, Israel – Premier Tech oder auch Intermarché – Wanty – Gobert die Spitze des Feldes bildeten. Nizzolos Helfer versuchten, ihren Kapitän auf dem letzten Kilometer zu lancieren, doch dann eröffnete Groupama – FDJ mit gleich zwei Fahrern den Sprint. Von etwas weiter hinten zog Michael Morkov mit Cavendish im Schlepptau auf gleiche Höhe, wobei Demares Anfahrer Jacopo unbeabsichtigt noch fast seinen Kapitän zu Fall brachte, als der an der Streckenbegrenzung antrat, um an Cavendish vorbeizuziehen.

Freie Fahrt hatte in zentraler Position dagegen Ewan, der sich schließlich ein packendes Duell mit Démare liefert, das erst durch das Zielfoto entschieden wurde. Während der Groupama-Kapitän seinen zweiten Coup in Folge landete, muss Ewan weiter auf sein erstes Erfolgserlebnis bei diesem Giro warten. Cavendish verpasste seinen zweiten Etappensieg dieser 105. Ausgabe ebenfalls knapp und schlug beim Überqueren der Ziellinie enttäuscht auf den Lenker. Auch wenn es diesmal nicht reichte, so zeigte der 36-Jährige doch ein weiteres Mal seine Klasse.

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