Franzose wird vor dem Deutschen U23-Weltmeister

Nur Cosnefroy kann Kämna noch einfangen

Foto zu dem Text "Nur Cosnefroy kann Kämna noch einfangen"
Das Podium des WM-Straßenrennens der U23, v.l: Lennard Kämna, Benoit Cosnefroy, Michael Svendgaard | Foto: Cor Vos

22.09.2017  |  (rsn) - Viel fehlte nicht und Lennard Kämna hätte zum zweiten Mal bei der Straßen-WM in Bergen eine Goldmedaille geholt. Nachdem der 21-Jährige aus Wedel bereits am Sonntag mit seinem Sunweb-Team das Mannschaftszeitfahren gewonnen hatte, verhinderte am Freitag Nachmittag der Franzose Benoit Cosnefroy einen zweiten WM-Triumph. Der knapp ein Jahr ältere Cosnefroy verwies Kämna im Sprintduell nach 191 Kilometern (zehn Runden) auf den zweiten Platz und trat damit in die Fußstapfen von Arnaud Démare (2011) und Kevin Ledanois (2015), die vor ihm bereits U23-Weltmeister geworden waren.

„Ich bin sehr glücklich über diesen Sieg Wir hatten ein starkes Team, wir waren alle in der Lage zu gewinnen. Wir haben gut zusammengearbeitet, für das bestmögliche Ergebnis! Ich weiß, dass ich das Regenbogentrikot nicht tragen kann, es ist wirklich schade, dass wir es bei den Profis nicht tragen dürfen“, kommentierte Cosnefroy, der seit Anfang August in der WorldTour für Ag2r fährt, den bisher bedeutendsten Erfolg seiner Karriere.

Kämna musste sich zwar mit Silber begnügen, hatte aber keinen Grund, darüber enttäuscht zu sein. Nicht nur, dass er dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) am drittletzten Tag der Titelkämpfe in Norwegen die erste Medaille beschert hatte. Der Mannschaftsweltmeister hatte zudem allen Grund, mit seiner Vorstellung zufrieden zu sein, da Cosnefroy, der zuletzt mit seinem Sieg beim Grand Prix d'Isbergues - Pas de Calais (1.1) seine Top-Form bereits unter Beweis gestellt hatte, als der deutlich sprintstärkere Fahrer gilt. Im Sprint des stark geschrumpften Feldes, das nur noch bis auf drei Sekunden an das Spitzenduo herankam, sicherte sich der Däne Michael Carbel Svendgaard vor dem Briten Oliver Wood und dem Italiener Vincenzo Albanese die Bronzemedaille. Max Kanter wurde als zweibester deutscher Fahrer noch Siebter.

„Es ist eine nahezu perfekte WM für mich, mit Gold heute wäre sie perfekt gewesen. Im Sprint war ich klar unterlegen, deshalb kann ich mir da keine Vorwürfe machen. Ein zweiter Platz ist super, ich habe alles gegeben. Der Franzose war auf den letzten drei Kilometern einfach stärker als ich“, lobte Kämna den neuen U23-Weltmeister, der erst sechs Kilometer vor dem Ziel mit einem wahren Kraftakt zu ihm aufgeschlossen hatte. Mit gemeinsamen Kräften hielt sich das Duo dann im Finale die Verfolger vom Leib, um den Sieg unter sich auszumachen. Auch wenn es nicht zum Regenbogentrikot reichte, so imponierte Kämna doch mit einem brillanten Finale. Zunächst griff er aus dem Feld heraus auf der Schlussrunde an und schloss in Windeseile 14 Kilometer vor dem Ziel zur noch fünfköpfigen Ausreißergruppe auf, nur um seine Konkurrenten kurz darauf am Fuß des Salmon Hill mit einem trockenen Antritt stehenzulassen.

An der Kuppe des 1,4 Kilometer langen und im Schnitt mehr als sechs Prozent steilen Anstiegs betrug sein Vorsprung auf die nächsten Verfolger bereits rund zehn Sekunden, die er auch in der folgenden Abfahrt zunächst behaupten konnte. Hinter dem Deutschen fiel die Verfolgergruppe auseinander, während das Feld durch die Attacke eines Kolumbianers endgültig gesprengt wurde.

Doch es war Ag2R-Profi Cosnefroy, der kurz darauf zum Solisten an der Spitze aufschloss - und das erwies sich zunächst sogar als Glücksfall für Kämna, denn die beiden hielten nicht nur den noch stark aufkommenden Spanier Ivan Garcia, sondern auch das Feld auf Distanz. Auch wenn es letztlich nur um eine Handvoll Sekunden ging, so war eingangs der Zielgeraden am Hafen von Bergen klar, dass die beiden Ausreißer um die Goldmedaille sprinten würden.

Zwar hatte Kämna ausgangs der letzten Kurve die bessere Position an Cosnefroys Hinterrad, doch als der schon früh antrat, hatte der Sunweb-Profi nichts mehr entgegenzusetzen. „Ich kam nicht mehr aus seinem Windschatten heraus, ich hatte letztlich nichts mehr übrig“, gestand Kämna ein. „Ich hatte gehofft, dass ich vorbeikomme, aber es ging einfach nicht. Ich habe schon verschwommen gesehen, so kaputt war ich.“

Bundestrainer Ralf Grabsch war aber nicht nur mit der Leistung seines Kapitäns zufrieden, sondern auch mit der seines Teams, das die Marschroute perfekt umgesetzt hatte und den Großteil des Rennens die Konkurrenten hatte arbeiten lassen. „Wir haben uns versteckt, uns sollte keiner wahrnehmen bis zum letzten Anstieg. Lennard sollte beschützt werden, die Mannschaft hat das super umgesetzt“, sagte Grabsch in Ziel zu radsport-news.com. „Wir haben gestern gesagt: Wir setzen alles auf eine Karte, lassen die Norweger sich kaputt arbeiten und nutzen dann unsere Chance. Das hat alles gepasst. Lennard hat im richtigen Moment attackiert. Max war der Joker, wenn das mit der Attacke nicht klappen sollte“, so der ehemalige Profi, der aber wie Kämna keinen Zweifel daran ließ, dass Cosnefroy sich das Regenbogentrikot redlich verdient hatte. „Wenn dann jemand auf diesem Niveau zu ihm hinfahren und gewinnen kann, dann ist das so. Natürlich ist man im ersten Moment erst mal enttäuscht, aber im Nachhinein können wir mit der Medaille mehr als zufrieden sein.“

Tatsächlich war vom deutschen Team bis zur letzten der zehn Runden bei meist regnerischem Wetter nichts zu sehen gewesen. Stattdessen sorgten vor allem die Mannschaften aus Norwegen, Dänemark und Spanien dafür, dass eine erste Ausreißergruppe einen nur kleinen Vorsprung zugestanden bekam und dann wieder eingefangen wurde. Gut 60 Kilometer vor dem Ziel leiteten Rasmus Fossum Tiller (Norwegen), Pavel Sivakov (Russland), Patrick Müller (Schweiz), Brandon McNulty (USA), Vincenzo Albanese (Italien), Jai Hindley (Australien) und Yevgeniy Gidich (Kasachstan) mit ihrer Attacke dann das Finale ein und hielten sich bis zur Schlussrunden mit knappem Vorsprung an der Spitze, ehe Kämna Ernst machte und den Plan der Deutschen in die Tat umsetzte.

Mehr Informationen zu diesem Thema

01.10.2017Straßen-WM in Bergen war ein finanzielles Fiasko

Bergen (dpa) - Eine Woche nach dem Finale der Straßen-WM von Bergen zeichnet sich ein finanzielles Fiasko ab. "Wir kommen definitiv in den Roten Bereich", sagte der zuständige Event-Manager H

30.09.2017Nibali lobt Ex-Teamkollegen: "Sagan bestmöglicher Weltmeister"

(rsn) - Peter Sagans dritter WM-Sieg in Folge hat unter den nicht mehr aktiven Stars wie Mario Cipollini oder Oscar Freire Diskussionen über das allgemeine Niveau im Feld ausgelöst. Vincenzo Nibali

29.09.2017Norwegische Bevölkerung hilft WM-Veranstaltern mit Spenden

(rsn) - Norwegen hat die Straßen-Weltmeisterschaften in Bergen gefeiert. Vor Ort wurde das Event zum Volksfest und das norwegische Fernsehen hat mit Studio-Sendungen bis in die Abendstunden berichte

29.09.2017"Sagans Ãœberlegenheit zeigt, dass das Level nicht hoch ist"

(rsn) - Peter Sagan dominiert den Straßen-Radsport und hat am vergangenen Sonntag zum dritten Mal in Folge das Regenbogentrikot des Weltmeisters erobert. Dafür feiern ihn viele, doch ein Ex-Kollege

28.09.2017Cavendish: "Frauenrennen war das aufregendste der WM"

(rsn) - Mark Cavendish hat die Weltmeisterschaften von Bergen von Zuhause verfolgen müssen. Doch anstatt dem Event, bei dem er gerne selbst gestartet wäre, aus dem Weg zu gehen, schaute sich der Bri

26.09.2017Doumoulin: "Ich habe zu früh attackiert"

(rsn) - Nach zwei Goldmedaillen in den beiden Zeitfahren träumte Tom Dumoulin mit Blick auf das WM-Straßenrennen von Bergen von einem dritten Regenbogentrikot. Nach schweren 267,5 Kilometern kam der

26.09.2017Weltmeister Sagan fährt 2017 keine Rennen mehr

(rsn) - Peter Sagan (Bora-hansgrohe), der am Sonntag im norwegischen Bergen seinen dritten Weltmeistertitel in Folge einfuhr und damit Radsportgeschichte schrieb, wird dieser Saison keine Rennen mehr

25.09.2017"Ich war nicht der Stärkste, weil ich nicht gewonnen habe"

(rsn) - Für Cyril Guimard war die Angelegenheit klar: Julian Alaphilippe hätte seiner Meinung nach im WM-Straßenrennen von Bergen die Goldmedaille verdient und nicht Titelverteidiger Peter Sagan. F

25.09.2017Cassani: "Ich habe Moscon ins Schlepptau genommen"

(rsn) - Davide Cassani hat die Verantwortung für die Disqualifikation von Gianni Moscon nach dem WM-Straßenrennen von Bergen auf sich genommen. Der Italienische Zeitfahrmeister war auf der vorletzte

25.09.2017Das "fehlende" Finale des WM-Straßenrennens im Video

(rsn) - Die letzten vier Kilometer des WM-Straßenrennens, die gestern wegen eines Übertragunsproblems im TV nicht zu sehen waren, aus der Helikopterperspektive: Erst 500 Meter vor dem Ziel stellt di

25.09.2017Matthews: Am Salmon Hill zuviel Energie verschwendet

(rsn) - Vor sieben Jahren wurde Michael Matthews bei der Heim-WM in Geelong U23-Weltmeister. Gestern nun holte sich der Australier im Straßenrennen von Bergen seine bereits zweite Einzelmedaille bei

25.09.2017Kwiatkowski: "Habe bis zuletzt an das Regenbogentrikot geglaubt"

Als einer der Mitfavoriten auf den Straßenweltmeistertitel gestartet, musste sich Michal Kwiatkowski im norwegischen Bergen letztendlich mit Platz elf zufrieden geben. Die Enttäuschung ließ sich im

Weitere Radsportnachrichten

15.11.2024Cavalli fährt künftig für dsm-firmenich – PostNL

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

15.11.2024Im Schatten von Behrens und Teutenberg voll überzeugt

(rsn) – Auch wenn er in seiner ersten U23-Saison im Schatten seiner Teamkollegen Niklas Behrens und Tim-Torn Teutenberg stand, die beide den Sprung zu den Profis schafften, kann Louis Leidert (Lidl

15.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

14.11.2024Bardet: “Sinnlos, an ethischen Radsport zu glauben“

(rsn) - Es war ein durchaus ungewöhnlicher Zeitpunkt, als Romain Bardet im Sommer, kurz vor der Tour de France, sein Karriereende ankündigte. Mindestens genauso ungewöhnlich ist das Rennen, das sei

14.11.2024Rhodos-Prolog-Experte mit Sturzpech im stärksten Rennen

(rsn) – Seine elfte Saison auf KT-Niveau ragt zwar nicht als seine beste heraus, dennoch zeigte Lukas Meiler (Team Vorarlberg) auch 2024, was er drauf hat. Seine beste Platzierung gelang ihm dabei

14.11.2024Schädlich übernimmt die deutschen Ausdauer-Spezialisten

(rsn) – Der Bund Deutscher Radfahrer hat einen neuen Nationaltrainer auf der Bahn für den Bereich Ausdauer. Lucas Schädlich, der seit 2019 die deutschen Juniorinnen unter seinen Fittichen hatte, Ã

14.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

14.11.2024Schär wird Schweizer Nationaltrainer

(rsn) – Marc Hirschi, Stefan Küng und Co. haben einen neuen Nationaltrainer. Michael Schär wird mit Jahresbeginn 2025 die Verantwortung für die Schweizer Männer in den Bereichen Elite und U23 ü

14.11.2024Lotto Kern - Haus wird Development-Team von Ineos Grenadiers

(rsn) – In den vergangenen beiden Jahren war das deutsche Kontinental-Team Lotto Kern - Haus PSD Bank sogenannter Development-Partner von Red Bull – Bora – hansgrohe. Ab der kommenden Saison wi

14.11.2024Meisen kündigt baldiges Karriereende an

(rsn) – “Spätestens im Januar ist Schluss“, kündigte Marcel Meisen (Stevens) gegenüber RSN an. Der 35-Jährige ist in seine letzte Cross-Saison gestartet und will diese nicht mehr ganz zu End

14.11.2024Traumszenario mit kurzem Anfangsschock

(rsn) – Unverhofft kommt oft – dieser Spruch traf in dieser Saison auch auf Meo Amann zu. Mit dem Elite-Team Embrace The World in die Saison gestartet, bewarb er sich im Sommer auf einen Platz bei

13.11.2024Auch ein kurioser erster UCI-Sieg reichte nicht zum Profivertrag

(rsn) – Auch wenn er in dieser Saison seinen ersten UCI-Sieg einfahren konnte, so gelang Roman Duckert (Storck – Metropol) am Ende seiner U23-Zeit nicht der Sprung in ein Profiteam. Deshalb wird e

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine