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29.03.2017 | (rsn) - Im Interview mit radsport-news.com spricht Katusha-Alpecin-Sportdirektor Torsten Schmidt über die bis jetzt enttäuschend verlaufene Klassikersaison sowie über die Chancen seiner beiden Kapitäne Tony Martin und Alexander Kristoff bei den nun anstehenden beiden Monumenten Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix.
Herr Schmidt, wie hat Tony Martin seinen Sturz bei Gent-Wevelgem weggesteckt?
Torsten Schmidt: Schöner wäre natürlich gewesen, er wäre nicht gestürzt. Aber zum Glück hat er sich keine schweren Verletzungen zugezogen. Und Martin verkraftet Schnittwunden ja ganz ordentlich, von daher geht es ihm gut. Das waren jetzt normale Wunden, die sicherlich irgendwo behindern, aber die Jungs sind ja tough. Er kann sein Training fortsetzen und ist weiterhin motiviert.
Wie fällt Ihre Bilanz der vergangenen drei Klassiker aus? Zugegeben, bei Gent-Wevelgem war es Pech, bei den anderen Rennen wurde dagegen jeweils der entscheidende Postabgang verpasst…
Schmidt: Bei Wevelgem war es wirklich viel Pech. Das soll jetzt aber auch keine Entschuldigung sein. Beim E3 hätten wir gerne Kristoff vorne mit dabei gehabt, zusammen mit Martin wäre es sogar unser absolutes Traumszenario gewesen. Leider waren an diesem Tag die Beine von Kristoff nicht so, dass er mit den Favoriten am Kwaremont hätte mitgehen können. Martin kann man da keinen Vorwurf machen. Er hat es probiert, auch mit einer Attacke alleine, die wir auch vom Auto aus angesagt hatten. Aber es war einfach zu viel Rückenwind und die entsprechende Gruppenkonstellation war ebenfalls nicht gegeben. Bei Vlaanderen waren wir mit unseren jüngeren Fahrern unterwegs, die vordergründig Erfahrungen sammeln sollten, darunter ein Mads Würtz Schmidt oder Marco Mathis. Das war quasi das Projekt Zukunft und da ist es ganz normal, dass die nach langer Renndistanz keine Attacken mehr von Philippe Gilbert mitgehen können. Aber sicherlich haben wir uns die Rennen insgesamt ein wenig erfolgreicher vorgestellt. Wir haben hart für die Klassikersaison gearbeitet und die Jungs bringen auch die Qualität mit – das haben sie in den vergangenen Jahren bewiesen. Nur, jetzt haben wir ein Jahr, wo es nicht ganz so rund läuft. Das müssen wir so weit abhaken und nach vorne schauen.
Kristoff wurde auf der 1. Etappe bei den Drei Tagen von de Panne bei der entscheidenden Attacke allerdings schon wieder abgehängt (Das Interview fand vor der von Kristoff gewonnenen 2. Etappe statt, d. Red.). Fehlt ihm da augenblicklich der letzte Punch?
Schmidt: Ja, das kann sein. Die Mannschaft ist da, hat ihn im entscheidenden Moment nach vorne gefahren und dann muss man einfach als Ex-Flandern-Rundfahrt-Sieger seinen Mann stehen und mit der Realität konfrontiert werden.
Daher auch der Start für Kristoff bei den Drei Tagen von De Panne?
Schmidt: De Panne ist eine gute Sache. Das hat in den vergangenen Jahren für ihn immer sehr gut funktioniert und war die richtige Vorbereitung. Ich hoffe, er hat bei der Flandern-Rundfahrt einen guten Tag und kann den entscheidenden Attacken folgen. Er arbeitet hart dafür und ist keiner, der sich irgendwo ausruht.
Wie sieht die Taktik für Flandern aus?
Schmidt: Bei diesen Rennen ist die Taktik, sich vom ersten Kilometer an irgendwie aus den Stürzen herauszuhalten und Kraft zu sparen. Dafür braucht man eine Mannschaft, die funktioniert, vorne fährt und sich aufopfert. Im Grunde verlaufen die Rennen immer gleich: Es wird ziemlich früh aktiv gefahren und attackiert, wodurch das Rennen schwer wird. Man kann die Leader nur so lange unterstützen, bis die großen Namen gehen. Und da muss man dabei sein. Ich würde mir wünschen, Tony erwischt eine Gruppe, die irgendwann vor dem Finale geht und in der Schlussphase noch vorne dabei ist. Kristoff muss sich dann zu den letzten Rennen etwas steigern und mitgehen können – sonst bringt die beste Taktik nichts.
Kann man sagen, dass Kristoff Ihr primärer Kapitän für Flandern ist und Martin eine Woche später für Roubaix?
Schmidt: Martin wird auch bei Flandern seine Freiheiten haben. Sollte er kurz vor dem Ziel beispielsweise in einer Gruppe mit Sagan, Van Avermaet und Gilbert vorne liegen, dann hat er freie Fahrt und muss nicht auf Kristoff warten – außer, der liegt nur wenige Sekunden zurück. So ein Szenario wäre natürlich umso besser: Wir könnten Angriffe kontern und wären noch mit einem wahnsinnig schnellen Mann vorne vertreten. Beide gehen aber mit gleichen Möglichkeiten ins Rennen. Bei Roubaix hat Martin die Kapitänsrolle. Er geht sehr fokussiert in dieses Rennen und es ist für ihn etwas ganz besonderes. Martin hat bei der Tour de France schon gezeigt, wie stark er in diesen Rennen ist. Das liegt ihm. Ich hoffe, er wird in keinen Sturz verwickelt, und dann würde ich ihn gerne im Finale sehen mit seiner Power, mit seinem Trainingsfleiß und seiner großen Klasse.
Wie sieht eigentlich die Vorbereitung für einen Sportlichen Leiter auf die Klassiker aus?
Schmidt: Im Grunde genommen beginnen die Vorbereitungen ja schon am Ende der vergangenen Klassikersaison, wo das Abschneiden zusammengefasst und analysiert wird. Bei uns im Team haben die Klassiker natürlich auch eine sehr hohe Priorität – anders als beispielsweise bei anderen Teams, die dann die Tour de France im Fokus haben. Da ist schon sehr viel Arbeit mit verbunden: mit den Sponsoren, mit der Ausstattung der Räder und den Änderungen daran, verschiedene Reifen, Felgen, dann auch so etwas wie Hotels, das muss alles gemanagt werden. Die Klassiker sind rundum von hell bis dunkel ein kompletter Job.
Wann beginnt für Sie die entscheidende Phase?
Schmidt: Im Winter bekommt man die Strecken, guckt sich die dann am Computer an und achtet auf Änderungen. Wenn man die Flandern-Rundfahrt aber jahrelang macht, dann hat man seine Kenntnisse und weiß einfach, da geht es gleich links herum, da wird es immer etwas eng und gefährlich und da gab es vergangenes Jahr einen großen Sturz. Kuurne-Brussel-Kuurne und Omloop Het Nieuwsblad sind dann die ersten Tests, ob das Material passt. Nach diesen Rennen habe ich immer noch ein wenig Zeit, bereite dann Hotels und Anreise vor, sprechen noch einmal mit den Herstellern und dem Chefmechaniker das Material durch und bin dann auch in Belgien eine gewisse Zeit und fahre die Strecken noch einmal ab. Und wenn die Klassiker laufen, dann ist es wirklich so, dass ich abends um zwölf Uhr mein Handy auch einfach dann mal auf Nachtmodus stellen muss, weil es ansonsten rund um die Uhr so weitergehen würde.
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