Silber für erneut chancenlosen Evenepoel

Pogacar mit 75 Kilometer Anlauf zum EM-Titel

Von Guido Scholl

Foto zu dem Text "Pogacar mit 75 Kilometer Anlauf zum EM-Titel"
Tadej Pogacar bei seinem Solo zum EM-Titel | Foto: Cor Vos

05.10.2025  |  (rsn) - Mit einem weiteren furiosen Solo hat Weltmeister Tadej Pogacar für Slowenien den ersten Europameistertitel im Straßenrennen eingefahren. Diesmal fuhr der Überflieger der vergangenen beiden Jahre der Konkurrenz 75 Kilometer vor dem Ziel davon. Auf dem 202 Kilometer langen, bergigen Parcours rund um Guilherand-Granges sicherte sich Remco Evenepoel (Belgien) mit 27 Sekunden Rückstand die Silbermedaille. Paul Seixas (+3:41 Minuten) bescherte dem Gastgeberland in der Ardèche Bronze.

Auf dem Weg dorthin hatte der erst 19-jährige Franzose am letzten Anstieg zunächst Juan Ayuso (Spanien) und Christian Scaroni (Italien) distanziert. Scaroni kam mit 4:04 Minuten Rückstand als Vierter ins Ziel. Ayuso (+4:21) musste auf den letzten 300 Metern noch den von hinten herangeeilten Toms Skujins (Lettland, +4:16) passieren lassen. Mattias Skjelmose (Dänemark) wurde 5:01 Minuten hinter dem Sieger Siebter. Mit Pavel Sivakov (+5:55) als Achtem und Romain Grégoire (+6:52) als Zehntem platzierten sich zwei weitere Franzosen in den Top 10. Dazwischen reihte sich mit Gianmarco Garofoli (+5:59) der zweite Italiener ein.

Pogacar hatte an der dritten Passage des längsten Anstiegs auf dem abwechslungsreichen Parcours – der Côte de Saint Romain de Lerps – zunächst alle Konkurrenten außer Evenepoel und dann auch den frisch gebackenen Zeitfahr-Europameister abgeschüttelt. Schon bald war klar, dass in der Adrèche ebenso kein Kraut gegen den Slowenen gewachsen war wie eine Woche zuvor bei der WM in Kigali. Zwischenzeitlich betrug sein Vorsprung zu einem Verfolger-Quartett mit Evenepoel, Ayuso, Seixas und Scaroni fast 1:20 Minuten.

Den erneuten Nachweis seiner Extraklasse spielte Pogacar nach dem Rennen etwas herunter. "Ich habe einfach versucht, meinen Vorsprung bei etwa einer Minute zu halten. Es war komfortabel, aber nie richtig dominant, da Remco richtig gut drauf war und mich gejagt hat“, sagte der gerade 27 Jahre alt gewordene Slowene. Er sei von einer frühen Offensive des belgischen Teams überrascht gewesen. Weil er anschließend isoliert war, die Konkurrenz hingegen nicht, habe er sich bald zu einem eigenen Angriff entschieden.

Deutsche Fahrer spielten bei dem mit 3306 Höhenmetern gespickten Rennen zu keinem Zeitpunkt eine Rolle. Ähnliches galt für die Schweizer, von denen sich aber immerhin Jan Christen zwischenzeitlich in der knapp 30 Mann starken Spitzengruppe mit den späteren Medaillengewinnern platzieren konnte.

Als bester deutschsprachiger Fahrer erreichte Felix Großschartner aus Österreich als 15. das Ziel. Zwei Ränge dahinter landete der Luxemburger Mats Wenzel, der gleichsam der letzte Finisher war. Damit absolvierten noch einmal weniger Starter die volle Distanz als beim WM-Rennen in Kigali, wo vor Wochenfrist 30 Mann über den Zielstrich gerollt waren.

So lief das EM-Straßenrennen der Männer:

Eine neun Fahrer umfassende Spitzengruppe hatte sich in der Anfangsphase abgesetzt. Große Namen waren nicht dabei, das änderte sich, als 103 Kilometer vor dem Ziel Pavel Sivakov (Frankreich) attackierte. Ihm folgte zunächst Evenepoel, dann gingen auch Pogacar und weitere Favoriten mit. Die belgische Equipe versuchte in dieser Phase, Druck auf die Konkurrenz auszuüben. So wuchs die Kopfgruppe auf rund 30 Fahrer an.

Während Pogacar vorn isoliert war, hatte Evenepoel mit Tiesj Benoot, Louis Vervaeke und Steff Cras drei Helfer dabei. Vervaeke hatte zur ursprünglichen Ausreißerformation gehört. Im dritten und letzten Anstieg zur Côte de Saint Romain de Lerps griff der Weltmeister früh an und schüttelte alle Begleiter ab. Am längsten blieb Evenepoel an seinem Hinterrad – allerdings konnte der Belgier nur wenige Hundert Meter folgen.

Das Streckenprofil der Straßen-EM der Männer | Foto: Veranstalter

Am Ende des Anstiegs hatte Pogacar bereits gut 30 Sekunden Vorsprung. Hinter ihm bildete sich ein Quartett mit Evenepoel, Seixas, Scaroni und Ayuso. Obwohl die Verfolger gut harmonierten,blieb der Vorsprung zunächst konstant. Der Däne Jonas Vingegaard hatte das Rennen kurz vor dieser vorentscheidenden Phase aufgegeben.

Anschließend kamen die vier Verfolger zwar etwas näher an den enteilten Slowenen heran, der konnte aber an den folgenden Anstiegen stets wieder etwas Zeit herausfahren. An der viertletzten Zielpassage – 52 Kilometer vor dem Ende – hatte der Weltmeister und Tour-Sieger bereits 40 Sekunden Vorsprung. Auch weil sich die Verfolger bald nicht mehr ganz einig waren, wurden daraus 40 Kilometer vor dem Ziel schon 1:15 Minuten.

Obwohl Evenepoel den stärksten Eindruck machte, gelang es ihm zunächst auch an den Anstiegen nicht, seine Begleiter abzuschütteln. An einer Rampe kurz nach der Kuppe des Val d’Enfer war der Belgier dann erfolgreich und setzte 38 Kilometer vor dem Ziel zu einer Solofahrt in Richtung Silber an. Denn Ayuso, Seixas und Scaroni büßten schnell Zeit auf ihn ein. Als es erneut zum Val d’Enfer hinauf ging, betrug ihr Rückstand zum Belgier bereits 1:20 Minuten, während Pogacar noch immer gut eine Minute Vorsprung auf Evenepoel hatte.

Bei der vorletzten Zielpassage hatte sich am Abstand zwischen den erste beiden Rennfahrern nicht nennenswert verändert, während das Trio dahinter schon um mehr als drei Minuten distanziert war. In dieser Phase flog eine zuvor noch rund 15 Fahrer umfassende Verfolgergruppe mit Felix Großschartner (Österreich) auseinander. Als die stärksten Fahrer dieser Formation erwiesen sich Mattias Skjelmose (Dänemark) und Toms Skuijns (Lettland). Doch in den Kampf um die Medaillen konnte dieses Duo nicht mehr eingreifen.

Am letzten Anstieg des Tages musste Ayuso seine beiden Begleiter ziehen lassen. Seixas attackierte anschließend Scaroni und hatte beim zweiten Mal Erfolg. Da war Pogacar schon fast am letzten Kilometer angekommen. Die letzten 1000 Meter seiner Gold-Fahrt genoss der Slowene dann, sodass Evenepoel mit nur noch 27 Sekunden Rückstand als Zweiter ins Ziel rollte – anders als beim WM-Straßenrennen tat er das diesmal mit einem Lächeln. Ausgelassen jubelnd feierte wiederum Seixas die Bronzemedaille.

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