27. bis 29. September - Valdobbiadene/ Treviso - Rennbericht

Journalisten-WM 2019: Zwei Deutsche werden Doppel-Weltmeister

Von Holger Koopmann und Timo Schoch

Foto zu dem Text "Journalisten-WM 2019: Zwei Deutsche werden Doppel-Weltmeister"
Timo Schoch, Karl Rupp, Holger Koopmann (v.l.) | Foto: Holger Koopmann

01.10.2019  |  Die World Press Cycling Championships (WPCC) sind ein Stelldichein der schnellsten Journalisten der Welt. Am vergangenen Wochenende räumten im Valdobbiadene in Norditalien unter 15 teilnehmenden Nationen die beiden Deutschen Holger Koopmann und Timo Schoch doppelt ab: Sie gewannen in ihren Altersklassen (Schoch M1/ Koopmann M2) sowohl im Zeitfahren als auch beim Straßenrennen. Im Sprintrennen belegten beide zudem jeweils den 3. Platz. Hier ihr gemeinsam verfasster Rennbericht.

Tag 1: Zeitfahren 8,5 km
Aufgrund der Kürze der Strecke mussten wir hier direkt von Anfang an in den tiefroten Bereich gehen. Der Kurs war recht einfach, bis auf vier spitze Kehren, die aber problemlos zu fahren waren. Die Besonderheit bei der Journalisten-WM ist, dass das Zeitfahren mit dem normalen Rennrad gefahren werden muss, ohne Vorbau, ohne spezielle Laufräder und ohne Zeitfahrhelm.

Der Grund ist einfach: Da die teilnehmenden Journalisten aus der ganzen Welt anreisen, sollen sie nicht zwei Räder mitbringen müssen, also ein Rennrad und ein Zeitfahrrad. Somit soll für mehr Chancengleichheit gesorgt werden.

Timo Schoch hatte sich in diesem Jahr viel
vorgenommen und in den letzten Monaten sein Training komplett umgestellt. Das sollte sich nun auszahlen, denn mit dem Wissen um eine Steigerung seiner Leistungswerte in allen Trainingsbereichen ging er das Rennen mit dem nötigen Selbstbewusstsein schnell an und konnte diese Leistung bis zum Zielstrich nach 11 min 24 sec durchziehen.

Holger Koopmann setzte noch einen drauf: Der Zeitfahr-Spezialist vom Team Strassacker, dieses Jahr schon Gesamt-Sechster beim Zeitfahr-Klassiker King of the Lake und Gesamtsieger beim Zeitfahren des Radweltpokals, war nochmals sechs Sekunden schneller. Aber Koopmann startete in der Klasse M2 (Männer 46 - 60).

Somit baumelten die erhofften Goldmedaillen
schon nach dem ersten Wettbewerb um den Hals der beiden deutschen Journalisten. Dazu gab es noch das begehrte Regenbogen-Journalisten-WM-Trikot. Auch der dritte Deutsche im Bunde, Karl Rupp, mit seinen 72 Jahren einer der ältesten Teilnehmer in der Klasse M3 (über 60 Jahre), erreichte im Zeitfahren einen sehr guten vierten Platz.

Tag 2: Sprintrennen 250 m
Mit dem positiven Gefühl der ersten Goldmedaille ging es dann in den (sportlich nicht sonderlich ernstzunehmenden) Sprint-Wettbewerb am Samstag: 250 Meter mitten durch Treviso standen auf dem Programm. Auch hier waren Koopmann und Schoch im Gleichschritt unterwegs und landeten beide auf Platz drei ihrer Altersklassen, mussten sich nur den italienischen Sprint-Spezialisten geschlagen geben.

Doch für beide, die wahrlich keine Sprinter sind, lag der Fokus beim Straßenrennen, das in die in Italien bekannte Radveranstaltung Prosecco Cycling eingebunden war. Start und Ziel war natürlich Valdobbiadene, der Ort, wo eines der wohl bekanntesten alkoholischen Brausegetränke der Welt hergestellt wird. Doch nicht nur deshalb ist das Prosecco-Gebiet eine Reise wert, auch landschaftlich ist es wunderschön gelegen. So führt das Prosecco Cycling mitten durch die Weinanbaugebiete eines Unesco-Weltkulturerbes.

Tag 3: Straßenrennen 98 km
98 Kilometer, verteilt auf über 1600 Höhenmeter, standen auf dem Programm. Und der Kurs bot einige Hürden: eine schwierige Streckenführung, mit heiklen Abfahrten, schmalen Straßen, engen Kurven, Schotterpassagen, knackigen Rampen bis knapp 20 Prozent Steigung - und 2000 anderen Teilnehmern, die das Prosecco Cycling als eine Art RTF nahmen, weil bei ihnen lediglich vier von insgesamt elf harten Anstiegen zeitlich gewertet wurden.

Den Rest konnten sie locker fahren, die herrliche Landschaft genießen und Prosecco trinken: Den gab es nicht nur im Ziel, sondern auch an den Verpflegungsstationen.

Bei den Teilnehmern der Journalisten-WM
allerdings wurde die gesamte Strecke gestoppt. Und das war der Knackpunkt: zwei unterschiedliche Wertungen innerhalb eines Rennens. Aber nicht die Journalisten durften vornewegs stürmen, sondern die RTF-Fahrer wurden zuerst auf die Reise geschickt – ein echtes Problem, wie sich herausstellen sollte...

(Timo Schoch) Mit vier Minuten Rückstand auf die letzten Starter des Prosecco Cycling gingen dann die Journalisten über die Startlinie. Nun kann man sich natürlich vorstellen, dass es schnell zu einem Gedränge kommt, wenn die gemütlich dahinstrampelnden Prosecco-Fahrer von den um Sekunden kämpfenden Journalisten eingeholt werden.

Zuerst war allerdings über den ersten Anstieg
freie Fahrt angesagt. Holger Koopmann nutzte das, um das Feld gleich am ersten Anstieg zu verkleinern: Sieben Journalisten blieben nach den ersten Attacken noch übrig. Schon am Anfang merkte ich, dass meine Beine nicht die besten waren heute, es zog bereits leicht. Vermutlich die Nachwirkungen vom Zeitfahren oder dem Sprintrennen am Tag zuvor. Aber so leicht ließ ich mich nicht abschütteln...

Dann ging es in die erste Abfahrt, immer wieder eingebremst von den Prosecco-Fahrern. Wir blieben wir zusammen. Das änderte sich am dritten Anstieg. Holger attackierte erneut, rund 500 Meter unterhalb der Kuppe, kurz vor einer Verpflegungsstation. Der Niederländer Jesse Reith, der Pole Volodymyr Klekotsiuk und der Italiener Fossato folgten.

Ich war zum Zeitpunkt der Attacke
an letzter Stelle der Gruppe – ein Fehler: An der Verpflegungsstation war jede Menge los, ich wurde dort kurz ausgebremst und kam nicht durch. Schnell bildete sich eine Lücke von rund 50 bis 70 Metern. Mit einem Sprint zog ich hinterher. Der Italiener ließ ebenfalls schon langsam abreißen, mit letzter Kraft schloss ich die Lücke, bevor es in die Abfahrt ging.

Die war allerdings kurvenreich, der Asphalt noch teilweise feucht. In einer scharfen, zuziehenden Kurve kam Jesse zu Fall, Volodymyr stürzte ebenfalls, ich kam gerade noch so vorbei. Reines Glück. Somit waren Holger und ich vorne. Im folgenden Schotterabschnitt konnte der Italiener aber wieder aufschließen, weil wir auch da nicht schnell genug an den Prosecco-Radlern vorbeikamen.

Dann passierte es erneut.
Trotz lauter Rufe wichen einige nicht aus, ich blieb im Verkehr stecken. Holger und der Italiener kamen an der Seite vorbei. Ich stand erstmal, musste auf die Wiese ausweichen und verlor deshalb wieder den Anschluss. Von hinten schloss der gestürzte Pole wieder auf, überholte mich und führte uns in den nächsten Anstieg, wo er mich gleich distanzierte.

Meine Beine fühlten sich zu dem Zeitpunkt wie Blei an, da half auch kein gutes Zureden mehr. Ich hatte mich da schon abgefunden, dass ich von hinten gleich wieder überholt werden würde. Vorne attackierte Holger erneut kurz vor der Kuppe und distanzierte Fossato, während ich Volodymyr nach dem Anstieg noch in Sichtweite hatte.

Deshalb versuchte ich auf der folgenden Abfahrt,
ihn wieder einzuholen. Dabei hatte ich erneut zweimal riesiges Glück: In einer Haarnadelkurve war ich viel zu schnell und räumte fast zwei Italiener ab, die mich daraufhin – zurecht – wild beschimpften. „Madonna“, „impossibile“, war noch das Harmloseste, was ich zu hören bekam.

Irgendwie war ich durch den Zwischenfall noch voller Adrenalin und verbremste ich mich zwei Kurven weiter wieder völlig. Mit rutschendem Hinterrad fuhr ich in den „Notausgang“, einem Schotterweg geradeaus. Stieg vom Rad, drehte es und fuhr weiter. Und natürlich waren da wieder die Italiener von vorhin da. Wasser auf ihre Mühlen, so dass sie mich erneut beschimpften. Und sie hatten ja auch Recht...

Also besann ich mich - verlor in der Hektik
zwar noch meine Radbrille, aber umkehren? So lange es noch eine Chance auf eine Medaille gab? Nein! Rund einen Kilometer weiter stand der Italiener Fossato am Streckenrand. Auch er war gestürzt. Wie ich später im Ziel erfuhr, war er allerdings schwer verletzt, kam später mit dem Krankenwagen ins Hospital, mit Verdacht auf Oberschenkelbruch. Alles Gute von dieser Stelle!

Als die Abfahrt auf eine längere Gerade führte, sah ich am Ende den Polen. Ich war also noch in Schlag-Distanz, wollte aber kein unnötiges Risiko mehr eingehen. Plötzlich sehe ich rechts einen langsamen Fahrer im türkis-weißen Trikot. Strassacker?! Ich schaute genauer hin. Es war tatsächlich Holger, Blut lief an seinem linken Arm hinunter, an den Beinen und Kratzer im Gesicht. Er war ebenfalls gestürzt.

„Alles okay?“, rief ich ihm zu.
„Fahr weiter, ich komme mit“, antwortete er. Wir wechselten noch ein paar Worte während der Fahrt. „Hinterrad weggerutscht“, „Rad okay“, „Bin voller Adrenalin, gerade keine Schmerzen“, „Wer ist vor uns?“. Jetzt also nur noch der Pole. „Und der Italiener?“ - „Gestürzt“. „Okay, lass uns den Polen jetzt holen.“

So arbeiteten wir zusammen, und nach einigen Kilometern waren wir dann zu dritt an der Spitze. Der nächste Anstieg hatte es in sich: Muro di Ca‘ del Poggio hörte sich schon respekteinflößend an, und diese Mauer, die auch schon beim Giro d’Italia gefahren wurde, hat dann auch auf einem Kilometer insgesamt 13 Prozent durchschnittliche Steigung und 19 Prozent in der Spitze.

Meinen Beinen ging es inzwischen besser.
Dass wir Volodymyr eingeholt hatten, tat meinem Kopf gut, zwei Gels brachten dem Körper neue Kräfte. Mental und körperlich gestärkt, fuhr ich an der Spitze in den Anstieg und wollte so das Tempo kontrollieren. 200 Meter unterhalb der Kuppe sagte Holger zu mir: „Der Pole ist weg, bleib dran.“

Das war das Signal, nochmal Gas zu geben. Wir hatten mehrere Meter zwischen uns und Volodymyr gelegt, ließen in der darauffolgenden Geraden auch nicht mehr locker und wechselten uns nun in der Spitze mit gleichmäßigem Tempo ab. Rund 50 Kilometer harmonierten wir sehr gut.

Erst auf dem finalen Kilometer waren wir
uns dann sicher, dass wir beide gewinnen würden, da Holger in der Klasse M2 gewertet wurde und ich in der Kategorie M1 waren wir keine direkten Konkurrenten um den WM-Titel. Wir entschlossen uns daher nebeneinander über die Ziellinie zu rollen.

So machten wir den deutschen Doppelsieg perfekt, mit vier Minuten Vorsprung auf Volodymyr, der im Sprint vor Jesse schneller war. Am Ende hatten wir einen Schnitt von über 34 km/h gefahren. Für eine Zwei-Mann-Fluchtgruppe bei den Höhenmetern recht ordentlich.

Gezeichnet waren wir danach beide:
Holger mit Blut an seinem linken Arm, Bein und im Gesicht, ich mit Krämpfen und Rückenschmerzen. Doch die gewonnene Goldmedaille tröstete schnell darüber hinweg. Danke, Holger für das sensationelle Rennen und die Zusammenarbeit. Glücklicher als über Gold war ich allerdings, dass ich unverletzt geblieben war, bei diesem harten und teilweise auch sehr gefährlichen Rennen.

Starten würde ich gern nochmal in Valdobbiadene – aber dann als RTF-Fahrer, mit Prosecco-Stop und ohne Kampf in den Abfahrten. Die Stimmung und die Landschaft sind definitiv eine Reise nach Norditalien wert...

Epilog
Den verdienten Prosecco gab es dann zusammen mit Karl Rupp, 72, der im für die M3-Klasse über 38 km gefahrenen Rennen den sechsten Platz belegte, nach dem Rennen im Zielbereich.

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