24 h solo in und um die Donau-Stadt - Rennbericht

24-Stunden-Rennen Kelheim: Einmal im Leben…

Von Oliver Knott

Foto zu dem Text "24-Stunden-Rennen Kelheim: Einmal im Leben…"
| Foto: Oliver Knott

17.07.2019  |  Einmal im Leben - so titelte die Januar-Ausgabe des Rennrad-Magazins Tour. Im Heft Vorschläge für „30 Rennrad-Träume“; einiges davon habe ich schon erlebt, anderes fand ich für mich persönlich weniger reizvoll. Der unter Nummer zwei genannte Vorschlag, ein 24-Stunden-Rennen, weckte mein Interesse - zumal Deutschlands ältestes Rennen dieser Art nicht allzu weit von mir entfernt in Kelheim stattfindet.

Unter meinen Freunden fand ich bald Unterstützer, und mit dem Flughafen
München konnte ich sogar einen Sponsor gewinnen, der mein Engagement mit einer finanziellen Unterstützung für die Jugendarbeit in unserem Radsport-Verein würdigte - und sich bereit erklärte, die Patenschaft für einen weiteren Starter zu übernehmen.

Eines meiner sportlichen Hauptziele für 2019 stand somit schon im Winter fest. Vorbereitung ist alles - zumindest kann man ja mal so ein 24-Stunden-Rennen vor dem geistigen Auge ablaufen lassen... So richtig darauf hin trainieren konnte ich nicht, da fehlte mir jegliche Vorstellung, was mich erwartet.

Ich hatte zwar die Erfahrung von zwei Non-Stop-Fahrten
an den Gardasee, mit je 400 Kilometern (meine bisher weiteste Strecke), und einem "Everesting", also 8848 Höhenmeter am Stück. Aber einmal rund um die Uhr fahren ist dann doch noch einmal eine andere Hausnummer. Also gab es nur den Plan, möglichst nicht zu schlafen, die ersten sechs bis sieben Stunden ohne Stop zu fahren, und dann alle sechs Stunden eine Verpflegungspause einzulegen.

Mit diesem Plan stand ich dann am vergangenen Samstag um 14 Uhr am Start in Kelheim. Ach ja, und noch ein ganz wichtiger Vorsatz: Nicht von der Stimmung mitreißen lassen, schön gleichmäßig mein Tempo fahren...

Vorab ein paar Worte zur Strecke in Kelheim:
Vom Start geht es einen angenehm zu fahrenden, zweigeteilten Anstieg mit insgesamt ca. 160 Höhenmeter bergauf. Es folgt eine Abfahrt, bevor es auf einem etwa 6,5 Kilometer langen Flachstück zurück nach Kelheim geht. Die Runde hat 16,5 Kilometer und etwa 180 Höhenmeter. In Kelheim ist auf dem Marktplatz ein Bierzelt aufgebaut, durch das die Strecke verläuft. Dahinter findet sich die Wechselzone für die Team-Fahrer, und der Wendepunkt für die Einzelfahrer.

Beim ersten Überfahren des Stausacker Bergs konnte ich das erleben, wovon ich im Vorfeld schon einiges gehört hatte: Auf dem letzten Kilometer bis zum Scheitelpunkt hatten Fans Musikanlagen aufgebaut und feierten lautstark und feuchtfröhlich sich und jeden einzelnen Teilnehmer. Nicht nur in der ersten Runde, nein - während der gesamten 24 Stunden...

Am Ende der Runde geht es durch
ein schmales Stadttor in die Kelheimer Altstadt, auf Kopfsteinpflaster, durchgeschüttelt, von den Massen bejubelt, durchs Bierzelt, um die Mariensäule, den Wendepunkt, herum und mit Vollgas in die andere Richtung durch das Bierzelt hinaus auf die nächste Runde.

So drehte ich Runde für Runde, Fahrzeit jeweils so um die 30 Minuten. Gels und Riegel hatte ich ausreichend eingepackt, dass diese für die ersten drei Stunden reichen sollten. Flaschen wurden mir vom Support-Team  - im Lauf der letzten Monate waren wir auf sechs Einzelstarter und vier Unterstützer angewachsen - bei Bedarf gereicht.

Der Wetterbericht hatte dann doch recht
– leider. Am Start war es noch trocken, doch schon nach etwa drei Runden war es partiell regnerisch, bevor es auf der gesamten Strecke nass wurde. Und es sollte auch bis weit in die Nacht hinein nicht mehr abtrocknen. So machte ich mir bald ernsthaft Gedanken, ob ich nach dem Ausziehen der Schuhe neu gewachsene Schwimmhäute zwischen meinen Zehen entdecken würde.

Bald war es dann Zeit für die erste Pause und ein erstes Resüme. Der erste Teil meines Plans, die ersten sehcs bis sieben Stunden ohne Stop zu fahren, ging voll auf. Nur die Durchschnittsgeschwindigkeit nach gut sechs Stunden von etwa 32 km/h machte mir etwas Sorge. Das war nicht das, was ich über einen Zeitraum von 24 Stunden zu leisten im Stande bin. Also wollte ich nach der Pause etwas langsamer zu fahren und Kräfte zu sparen.

Ab 21 Uhr ist dann Licht am Rad Pflicht,
ebenso eine Warnweste. Der Stop wurde gleichzeitig zum Reinigen und Nachschmieren der Kette und zur Verpflegung genutzt: Nudeln mit Soße und Milchreis standen auf dem Speiseplan. Mein Sorgenkind zu diesem Zeitpunkt war mein Magen. Offensichtlich hatte ich ihn zu Beginn des Rennens mit einem Gel pro Runde etwas überfordert. Die seit ein paar Stunden andauernde, latente Übelkeit sollte sich auch bis kurz vor Rennende nicht mehr legen.

Irgendwann muss ich feststellen, dass ich ganz groß im Brechen von Vorsätzen bin: Bergauf konnte ich mich noch zügeln, aber sobald es flach wurde und eine Gruppe mit einer einigermaßen vertretbaren Geschwindigkeit an mir vorbeizog, war ich sofort wieder dabei. Bis um ein Uhr nachts der Mann mit dem Hammer kam, drehte ich noch sechs Runden.

Die Motivation schwand jedoch von Runde zu Runde.
Die Füße waren nass und kalt, die Muskulatur fing an zu Schmerzen - bis es so weit war, dass ich nicht mehr im Wiegetritt fahren konnte, da es mir kaum mehr möglich, war das linke Bein voll durchzustrecken – Zwangspause...

Auf Platz neun liegend, ging es ins Bett: Vorher schnell was Essen, raus aus den nassen Klamotten, und ab auf die Luftmatratze. Es war 1:58 Uhr, den Wecker auf 2:50 Uhr gestellt, ein knappes Stündchen Schlaf sollte reichen. Das Handy verrichtet zuverlässig seinen Weckdienst - doch ich kann nicht zurück auf die Strecke. Die Gedanken kreisen, was schlimm daran ist, jetzt weiterzuschlafen, und erst zum Ende noch ein paar Runden zu drehen.

Über diesen Gedanken muss ich wohl noch einmal
eingenickt sein. Als ich das nächste Mal aufs Telefon schaue, ist es drei Uhr irgendwas - die genaue Erinnerung fehlt mir. Um kurz vor vier nehme ich, zurückgespült auf Platz 22, die nächste, meine 21. Runde in Angriff.

Diese und die beiden folgenden haben etwas Spezielles: Eine im Dunkeln, die nächste in der Dämmerung und die dritte dann schon im Hellen, dazu beginnendes Vogelgezwitscher. Ach ja: Ich habe mir ein paar trockene Socken und Schuhe gegönnt, endlich wieder warme Füße, keine Schwimmhäute und keine nennenswerten Schmerzen mehr im linken Oberschenkel.

So absolvierte ich nun Runde um Runde,
nicht mehr in Höchstgeschwindigkeit, aber in einem angemessenen Tempo, hielt noch für eine Frühstückspause, und um wieder von Brille auf Kontaktlinsen zu wechseln. Bis zur letzten Runde war mir allerdings nicht so ganz klar, wann und wie das Rennen beendet sein wird.

Um kurz vor eins wurde ich dann mit „Auf geht's! Letzte Runde!“ am Stausacker Berg angefeuert. Bei der nächste Bierzelt-Durchfahrt fiel es mir beim Blick auf die rückwärts laufende Digitaluhr dann wie Schuppen von den Augen: Man musste einfach die Runde beendet haben, bevor die Uhr auf 00:00:00 stand. Dafür hatte ich nun noch 42 Minuten Zeit.

Sollte eigentlich klappen, auch wenn ich
keinen Mitstreiter mehr finden würde. Nach 23 Stunden und 51 Minuten beendete ich meine 36. und letzte Runde. Glücklich, zufrieden, erschöpft - und doch ein klein wenig stolz auf das Erreichte...

Ein Fazit fällt mir nicht schwer: Unbedingt machen! Jedem, der eine echte Herausforderung sucht, im Wettstreit mit sich - und anderen - zu bestehen, egal ob mit großen Ambitionen, oder einfach, um das persönlich machbare auszutesten, empfehle ich diese Veranstaltung. Trotz aller Strapazen bleiben zwischendurch immer wieder Momente, sich mit anderen Fahrern zu unterhalten, Allianzen zu schmieden, gemeinsam  zu fahren - und die wahnsinnige Stimmung aufzusaugen.

Nicht zuletzt ein großer Dank an unser Helfer-Team:
Michi, Stephan, Emily und Lukas - ohne euch wäre ich wahrscheinlich auf der Luftmatratze liegen geblieben und hätte das Ende des Rennens schlafend erlebt…

Nachtrag: Wenn dir 48 Stunden nach dem Rennen die Oberschenkel noch immer brennen, dann weißt du: Du hast ein 24-Stunden-Rennen absolviert!

In diesem Sinn!
Bis demnächst,
Euer Oliver

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