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10.07.2015 | (rsn) – In den ersten sechs Tagen dieser Tour de France stand Zdenek Stybar wie fast alle anderen Fahrer des Etixx-Quick-Step-Teams auch im Schatten seines Teamkollegen Tony Martin. Zunächst war die Jagd nach Gelb das bestimmende Thema, und nachdem der Deutsche mit seinem fulminanten Sieg in Cambrai endlich seinen großen Traum wahr gemacht hatte, musste auch der Tscheche seinen Teil dazu beitragen, das Gelbe Trikot zu verteidigen.
Am gestrigen Donnerstag nun schlug aber Stybars große Stunde, als er im ansteigenden Finale in Le Havre auf dem Schlusskilometer von der Spitze weg attackierte und damit zu seinem bisher größten Erfolg auf der Straße fuhr. Doch selbst im Ziel war nicht der Coup des dreimaligen Crossweltmeisters das Gesprächsthema – sondern eben Martins Sturz, der sich einige Positionen hinter Stybar ereignete.
Und auch der Sieger selber konnte sich nicht uneingeschränkt über seinen Sieg - und den zweiten des Etixx-Teams bei dieser Tour – freuen. „Meine Gefühle sind nach dieser Etappe ziemlich gemischt. Natürlich bin ich glücklich, eine Etappe der Tour de France gewonnen zu haben. Das ist unglaublich“, sagte der 29-Jährige einerseits.
Dann aber dachte Stybar sofort an den dreimaligen Zeitfahrweltmeister, der sich bei dem unglücklichen Sturz – Martin hatte das Hinterrad eines vor ihm nach links ziehenden Europcar-Fahrers touchiert und die Kontrolle über sein Rad verloren – das Schlüsselbein gebrochen hatte: „Es tut mir leid für Tony Martin, der eine so bewegte Tour erlebt hat. Er hat erst das Gelbe Trikot beim Zeitfahren am ersten Tag verpasst; dann war er ganz nah dran, um es dann zu erobern, als er es am wenigsten erwartet hatte. Und jetzt dieser Sturz“, schien der Etappengewinner die Ereignisse des Tages selber noch nicht wirklich verarbeitet zu haben.
Doch dann war es doch an der Zeit, über seinen Coup von Le Havre– „für mich ist der genauso wichtig wie mein erster Sieg bei der Cyclo-Cross-WM (2010 in seiner Heimat, d. Red.)" – zu sprechen. Den nämlich hatte er sich mit einer clever gesetzten Attacke redlich verdient. „Am Ende habe ich gesehen, dass Kristoff und Sagan Probleme hatten. Und da habe ich gedacht, jetzt ist der richtige Moment zum Angriff. Und das hat geklappt“, sagte Stybar. Es klappte auch deshalb, weil sich, wie so oft in solchen Situationen, die Verfolger anschauten und sich gegenseitig die Verantwortung zuschoben.
Diese kurze Phase des Zögerns reichte Stybar, um sich auf dem zum Ziel hin abflachenden Schlussanstieg den nötigen Vorsprung zu verschaffen und einen auch für ihn selbst überraschenden Sieg einzufahren. „Das war mein großer Traum“, sagte er. Allerdings wurde der mit zweitägiger Verspätung wahr, hatte sich der Paris-Roubaix-Zweite – im April nur von John Degenkolb geschlagen – doch das vierte Teilstück für sich herausgepickt. Da aber stellte er seine eigenen Ambitionen zugunsten von Martin zurück. „Ich dachte, ich hätte auf der Kopfsteinpflasteretappe eine gute Chance, aber ich hab's nun heute gepackt, deshalb bin ich sehr glücklich“, meinte Stybar.
Und auch Martin konnte sich bei aller Enttäuschung mit seinem „Freund Zdenek“ freuen, hatte aber auf der Pressekonferenz am Donnerstagabend fast sogar ein schlechtes Gewissen, dass nicht Stybar im Fokus der allermeisten Journalisten stand, sondern sein Sturz. „Es tut mir leid, dass Zdeneks Etappensieg hier jetzt etwas untergeht. Aber nichtsdestotrotz habe ich durch ihn auch etwas Freude, die mich den Kopf noch oben richten lässt“, sagte der Deutsche, der die kommenden Etappen im Fernsehen verfolgen dürfte.
Und vielleicht kann Martin sich dann sogar nochmals über Stybar freuen – denn der Etappenplan dieser Tour hält durchaus noch den einen oder anderen Abschnitt bereit, der den Fähigkeiten des Strade Bianche-Gewinners entgegen kommt.
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