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06.07.2011 | (rsn) - Jan Ullrich will beruflich wieder im Radsport Fuß fassen. Im Exklusiv-Interview mit Radsport News spricht der 37-Jährige über seine Zukunftspläne, wem er bei der Tour die Daumen drückt und über seinen Fall, der nach fünf Jahren immer noch nicht letztinstanzlich abgeschlossen ist.
Die Tour de France läuft seit wenigen Tagen. Verfolgen Sie das Rennen? Am Ende sogar noch auf dem Heimtrainer?
Ullrich (lacht): Ja ich schaue wieder die Tour de France - zumindest das Finale, die letzte halbe Stunde. Das Rennen interessiert mich wieder. Aber ich schaue es sicher nicht auf dem Heimtrainer - eher gemütlich auf der Couch mit meinem Sohn.
Wie viel Platz nimmt der Radsport denn noch in Ihrem Leben ein?
Ullrich: Einen größeren Teil als in den letzten Jahren. Ich fahre wieder mehr: Einmal um vernünftig abzutrainieren - und weil es mir einfach gut tut. Radsport ist gut für Körper und Geist und hilft mir dabei, mich wieder auf andere Aufgaben zu konzentrieren. Radfahren war mein Leben, meine Freunde stammen immer noch aus dem Radsport, viele von ihnen fahren noch Rennen - dieser Sport wird immer einen großen Platz in meinem Leben einnehmen.
Sie trainieren sicherlich aber nur noch bei schönem Wetter, oder?
Ullrich: Ich versuche wieder Gleichmäßigkeit rein zubekommen, so wie früher. Die Trainingsumfänge liegen halt weniger bei 200 Kilometern, sondern eher bei 100. Das ganze versuche ich fünfmal die Woche durchzuziehen. Natürlich muss es dabei nicht regnen (lacht), aber wenn mal eine Woche schlechtes Wetter ist, fahre ich natürlich auch.
Macht Ihnen das Fahren mehr Spaß als früher? Ohne Druck. Just for fun.
Ullrich: Auf jeden Fall. Ich merke, dass ich besser drauf bin. Ich brauche den Sport als Ausgleich. Aber heute kann ich auch mal Einkehren und einen Kaffee trinken. Wenn es mir an einem See gefällt, setze ich mich eben hin und genieße die Natur. Mir macht es mehr Spaß als früher - in diesen Situationen, in denen man die Kilometer abreißen musste, um in Form zu kommen.
Wagen Sie sich denn noch mit ihrem Kumpel Andreas Klöden auf die Straße?
Ullrich: Ja. Wir sind diesen Winter oft gemeinsam gefahren. Aber in der Saison ist das ja etwas schwierig zeitlich hinzubekommen. Aber ich fahre auch nicht das volle Pensum mit ihm. Meist nur die ersten hundert Kilometer. Andi ist dann auch immer sehr gnädig zu mir (lacht). Daher kann ich die ersten zwei Stunden immer gut mithalten. Man darf halt nicht vergessen, dass ich fünf Jahre raus aus dem Geschäft bin - vier Jahre habe ich gar nichts gemacht. Für ein dreiviertel Jahr Training ist meine Verfassung da aber schon wirklich gut. Klödi ist halt noch Berufsradfahrer...
...und fährt noch vorne mit. Wenn sie die Tour schauen und ihn ganz vorne mitfahren sehen - kommt da nicht ein wenig Wehmut auf?
Ullrich: Ich freue mich einfach, wenn ich einen Freund gut fahren sehe - nach dem Ärger, den er überstanden hat. Jetzt merkt man, dass sein Kopf frei ist. Frei für große Erfolge. Auch bei Tony Martin, der hier bei mir um die Ecke wohnt - es macht einfach Spaß den Jungs zuzusehen. Wenn der deutsche Radsport erfolgreich ist, dann freut mich das einfach.
Wie sehen Sie denn Tony Martins Entwicklung. Denken Sie sich da, dass er Ihr Nachfolger werden könnte?
Ullrich: "Nachfolgermäßig" denke ich da gar nicht. Aber ich verfolge die Karriere von Tony. Er ist ein wahnsinnig sympathischer junger Mann. Er ist erfolgreich und hat gezeigt, was er drauf hat. Seine Entwicklung ist sehr, sehr gut. Ob er allerdings die Tour de France gewinnen kann - das steht in den Sternen.
Und wer gewinnt die Tour dieses Jahr?
Ullrich: Ich glaube, dass es dieses Jahr richtig spannend wird. Neben Contador gibt es so viele gute Leute. Die Schleck-Brüder und Cadel Evans. Ivan Basso steht auch auf meiner Liste. Es sind wirklich viele gute Leute. Andreas Klöden ist auch ein potenzieller Tour-Favorit. Man kann es schwer sagen.
Aber liegt Contador nicht schon zu weit zurück?
Ullrich: Bei der Tour ist alles möglich. Da stürzt einer und das Gesamtklassement wird durchgemischt. Man sieht ja im Moment, dass es wahnsinnig hektisch zugeht - da kann noch einiges passieren. Da ist noch nichts verloren.
Haben Sie die Prozess-Farce - derzeit liegt der Fall beim Internationalen Sportgerichtshof CAS - um Alberto Contador mitbekommen?
Ullrich: Nur ganz nebenbei. Bei ihm gibt es seit elf Monaten keine eindeutige Entscheidung.
Man muss dazu sagen, dass eine endgültige Entscheidung bei Ihnen ja nun auch schon fünf Jahre auf sich warten lässt...
Ullrich: ...das ist ja das traurige, was auch alle sagen. Ich glaube, dass man da ein bisschen schneller sein muss. Die Fakten stehen bei Contador ja vermutlich auch schon alle fest - zumindest denke ich das. Dass man da so lange warten muss ist schon seltsam. Man möchte ja auch irgendwann eine Entscheidung haben. Ich für meinen Teil stehe zu Alberto. Wenn er frei gesprochen wird, ist er einer der größten Radfahrer und darf überall mitfahren. Andererseits muss er natürlich gesperrt werden, wenn er schuldig
gesprochen wird. Der Fairness halber gilt für mich vor dem Urteilsspruch immer die Unschuldsvermutung. Aber so eine schleichende Entscheidung hilft niemanden. In meinem
Fall ist es anders. Ich möchte nicht mehr in den aktiven Radsport zurück. Generell ist es für alle Beteiligten immer das Beste, wenn es in einem Verfahren zu einem schnellen Abschluss kommt.
Es gibt im Moment viele junge Talente in Deutschland. John Degenkolb, Marcel Kittel und Dominik Nerz zum Beispiel. Deren Interesse zum Radsport müsste sich auch in Ihren Erfolgen ergründen. Macht Sie das stolz?
Ullrich: Das macht einen auf jeden Fall stolz. Man merkt, dass wir mit unseren Erfolgen junge Leute zum Radsport gebracht haben. Jetzt sieht man die Früchte. Das macht einen auf der einen Seite stolz, auf der anderen Seite müssen diese jungen Talente aber auch Teams haben - davon gibt es viel zu wenige in Deutschland. Ich freue mich über Leute, wie Jens Heppner, der da ein Vorreiter ist. Der hat sich was getraut und gibt mit dem Team NetApp jungen Fahren eine Chance. Die jungen Talente brauchen Teams, in denen sie gefördert werden.
Wenn man sich die Situation im deutschen Radsport ansieht, kann man einem jungen Fahrer überhaupt noch empfehlen, Profi zu werden?
Ullrich: Ich glaube, es gibt da im Moment schon einen kleinen Umschwung in Deutschland. Es war sicherlich unter aller Sau. Die Medien haben den Radsport ganz schön absinken lassen. Aber ich glaube, dass sich das langsam wieder bessert - auch wegen der jungen Talente. Es entwickeln sich auch wieder kleine Teams in Deutschland. Der Schock sitzt halt, nach wie vor, tief und Sponsoren werfen nicht mit Geld um sich - das ist klar. Aber es wird alles wieder gut, da bin ich mir sicher. Die Zeit heilt alle Wunden.
Gibt es dann vielleicht wieder ein Jan-Ullrich-Nachwuchsteam?
Ullrich: Warum nicht. Ich möchte jetzt wieder beruflich durchstarten - und das wird relativ sicher im Radsport stattfinden. Und ich kann mir gut vorstellen, dem Nachwuchs eine Chance zu ermöglichen. Aber da ist noch überhaupt nichts geplant. Ich musste jetzt auch erst einmal mit der Situation zurecht kommen. Aus der großen Liebe Radsport wurde eine Zeit lang eine Art Hass-Liebe. Aber diese großartige Sportart entwickelt sich gerade wieder zur großen Liebe.
Mit Jan Ullrich sprach Moritz Scheidl.
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