Interview mit dem Gerolsteiner-Chef

Holzcer: Schumi ist kein neuer Ullrich

Von Matthias Seng

09.05.2006  |  Hans-Michael Holczer erlebte den Coup von Stefan Schumacher auf der 3. Etappe des Giro d’Italia vor dem Fernseher im heimischen Herrenberg mit. „Ich habe ihn von hier aus angefeuert“, sagte der Gerolsteiner Teamchef im Interview mit Radsport aktiv. „Für uns hat sich der Giro mit der gestrigen Etappe schon gelohnt.“

Stefan Schumacher sagte nach seinem Sieg, er könne es noch gar nicht fassen. Ist sein Teamchef ähnlich fassungslos?

Holczer: Nein. Ich habe bei Paris-Nizza schon gesehen, dass Stefan ein wahnsinniges Potenzial hat. Die Art und Weise, wie er gestern diese Etappe gewonnen hat, zeigt, wie stark er momentan ist. Stefan hatte heute natürlich das Rosa Trikot im Auge. Als er bei 1.300 Metern losstiefelte, wirkte das ganz leicht und überlegt. Ich habe mir das Finale im Fernsehen angeschaut und ihn von hier aus angefeuert. Christian Henn hat über Funk immer wieder gerufen: Fahr zu - fahr, was geht, dreh dich nicht um. Aber das sah schon sehr souverän und überlegt aus, was Stefan da gemacht hat. Ich hatte den Eindruck, dass er da noch nicht sein letztes Korn verschossen hat. Das Profil der Etappe kam ihm natürlich entgegen, das war sein Terrain und das von Davide Rebellin übrigens auch. Wir wussten schon vor der Etappe, die beiden würden was reißen können. Für uns hat sich der Giro mit der gestrigen Etappe schon gelohnt.

Sie können mit der Leistung des ganzen Team hoch zufrieden sein. Drei Fahrer unter den besten Zehn....

Holczer: ...von wegen – unter den besten Sieben. Es ist schon beruhigend zu sehen, wie gut die Jungs drauf sind. Wir genießen jetzt den Erfolg, verlieren aber bestimmt nicht den Boden unter den Füßen. Ich habe schon vor dem Giro gesagt, wir gehen illusionslos, aber nicht ziellos in die Rundfahrt hinein. Wir werden jetzt nicht auf Gesamtklassement fahren und haben da nicht die Top Ten im Visier. Kurze, giftige Anstiege wie der von heute sind etwas anderes als die überlangen Berge, die in der dritten Girowoche auf dem Programm stehen. Wir sind heute nicht räuberisch mit unseren Kräften umgegangen. Die Jungs, die beim Giro am Start sind, sind wirklich so gut, wie es nach außen wirkt.

Wann war denn zwischen Schumacher und Rebellin klar, wer von beiden „losstiefeln würde“?

Holczer: So etwas lässt sich im Finish eines schweren Rennens nicht absprechen. Die Situation war doch klar: Stefan greift an, Rebellin lässt sich von den anderen aus seiner Gruppe mitziehen. Das war eine sehr komfortable Situation für uns: Entweder kommt Stefan durch oder aber Davide lässt sich von den anderen an ihn ranziehen und gewinnt das Ding.

Wird Gerolsteiner durch den heutigen Triumph und zur Verteidigung des Rosa Trikots nicht seine Taktik nicht zwangsläufig verändern müssen?

Holczer: Natürlich werden wir das Ding verteidigen müssen und natürlich wird es eine andere Taktik geben. Die Aufgaben wandeln sich durch Schumachers Sieg, aber das Team ist stark genug und die Jungs machen das sicher gerne. Ich habe Ronny Scholz, der als Ersatz für Sven Montgomery eingesprungen ist und den Giro nur „mit Auge“ fahren wollte, aber schon letzte Woche gesagt: Pass auf, dass du dabei nicht noch mal einen richtigen Job kriegst. Jetzt hat er ihn. Ich glaube nicht, dass wir in die Lage kommen werden, das Trikot zwei Wochen lang verteidigen zu müssen. Vermutlich wird es nach dem Mannschaftszeitfahren schon wieder eine andere Situation geben.

Was kann man von Schumacher bei diesem Giro noch erwarten?

Holczer: Man muss abwarten. Ich hoffe, dass sich Stefan dort oben festbeißen kann. Er hat jetzt erst mal ein schönes Polster, aber man muss auch sagen, dass er beim Prolog und in Namur vor allem auf seinem Terrain geglänzt hat. Aber der Giro wird erst in der dritten Woche mit den ganz hohen Bergen sauschwer. Ich halte eine Platzierung zwischen zehn und 20 für möglich. Aber das Rosa Trikot zu verteidigen kostet viele Körner und ich wäre Stefan auch nicht gram, wenn er am Ende nicht so weit vorne landen würde. Ich werde ihm nicht in sein Aufgabenheft schreiben: Platzierung unter den besten 20.

Wird Schumacher Gerolsteiners neue Hoffnung für die großen Rundfahrten?

Holczer: Auch hier sage ich: Man muss abwarten. Da, wo die großen Rundfahrten entschieden werden, in den hohen Lagen nämlich, habe ich Stefan noch nicht gesehen. Jeder, der jetzt schreibt, wir haben einen neuen Ullrich, wird Ärger mit mir kriegen. Eine solche Einschätzung wird nämlich Stefan nicht gerecht und sie verkennt auch Ullrichs einmalige Fähigkeiten.

Im vergangenen Jahr stand Schumacher wegen eines Dopingvergehens in den Schlagzeilen. Wie war die Position von Gerolsteiner in dieser Frage?

Holczer: Wir hatten eine klare Abmachung mit Stefan: Der Vertrag wird nur wirksam, wenn er freigesprochen wird. Das Team und der Sponsor haben gesagt: Wenn es auch nur eine Geldstrafe gibt, wird es nichts mit dem Vertrag. Das Ergebnis ist bekannt: Stefan ist zu 100 Prozent freigesprochen worden. Es war wohl so, dass Stefans Mutter, die Ärztin ist, ihm ein Allergiemedikament verschrieben und nicht gewusst hat, dass darin eine verbotene Substanz enthalten ist. Auf Rückfrage hat der Shimano-Teamarzt sogar von der holländischen nationalen Anti-Doping-Agentur grünes Licht bekommen. Stefan ist also ohne Absicht und ohne eigenes Verschulden in diese Situation gekommen und schließlich ohne Makel wieder aus ihr herausgekommen. Er wird damit leben müssen, dass er wohl immer wieder mal darauf angesprochen werden wird, aber ich denke nicht, das ihm daraus gravierende Probleme erwachsen werden.

Mehr Informationen zu diesem Thema

06.06.2006Simoni: Ich wollte Basso keinen Schaden zufügen

Da war wohl doch nichts: Gilberto Simoni hat seine Vorwürfe gegen Ivan Basso zurückgezogen, dieser habe ihm den Sieg auf der 20. Giro-Etappe „verkaufen“ wollen. Das meldete die „Gazzetta dello

29.05.2006Simoni muss vor's Sportgericht

(sid) - Nach den schweren Anschuldigungen gegen seinen Landsmann und Giro-Sieger Ivan Basso muss der italienische Radprofi Gilberto Simoni am 5. Juni vor dem Sportgericht des italienischen Radsport-Ve

29.05.2006Stoppt den Giro-Wahn!

Arrivederci, Giro! Nur zu gern haben die Rad-Profis die Rundfahrt beendet. Dieser Giro d’Italia war für sie eine Zumutung. In dem Wahn, die Tour de France übertreffen zu wollen, wurden Höchstschw

29.05.2006Förster: Die Schinderei hat sich gelohnt

Drei Wochen lang übernachtete Robert Förster in Hotels. Beim Aufwachen war sein erster Anblick das Gesicht eines Teamkollegen im Bett gegenüber. Heute war der erste Morgen, an dem der 28 Jährige a

29.05.2006Milram: Ohne Petacchi lief nichts

Mit Alessandro Petacchi an der Spitze des Aufgebotes hatte sich das Team Milram für den Giro einiges vorgenommen. Auf den Flachetappen sollten Siege her! Dann aber verletzte sich Petacchi auf der 3

28.05.2006Frösis geilster Tag

(sid/Ra) - Gerolsteiner-Profi Robert Förster hat mit einem Sprinterfolg auf der letzten Etappe des Giro d´Italia die starke Leistung seines Teams gekrönt. Nach 140km von Ghisallo nach Mailand siegt

28.05.2006Simoni: Basso wollte mir Etappensieg verkaufen

(sid) - Die 89. Auflage des Giro d´Italia ist für den italienischen Radprofi Gilberto Simoni noch lange nicht beendet. Der Gesamtdritte erhob nach Beendigung der dreiwöchigen Rundfahrt

28.05.2006Sprintet in Mailand ein Deutscher zum Sieg?

Nach dem Ausstieg von Volker Ordowski auf der gestrigen 20. Giro-Etappe geht Team Gerolsteiner nur noch zu sechst auf das abschließende Teilstück von Museo del Ghisallo, nach Mailand, wo die Italien

27.05.2006Deutsche glänzen, aber platzieren sich nicht

(sid) - Von den ursprünglich 14 gestarteten deutschen Fahrern konnte sich keiner unter den besten 30 platzieren. T-Mobile-Kapitän Jan Ullrich war am Freitag 10 km vor Ende der 19. Etappe vorzeitig a

27.05.2006Basso gewinnt für seinen Sohn

Aprica (dpa) - Mit einem Bild seines am Vortag geborenen Sohnes in der Hand ist Ivan Basso bei seinem vierten Etappenerfolg über die Ziellinie gefahren und hat seinen ersten Giro-Gesamtsieg praktisch

27.05.2006Ullrich zieht positive Giro-Bilanz

Falcade (dpa) - Nach seinem vorzeitigen Giro-Ausstieg hat Jan Ullrich eine positive Bilanz seines fast dreiwöchigen Italien-Aufenthalts gezogen. Außerdem wies der 32-jährige T-Mobile- Kapitän noch

27.05.2006Voigt schenkt Garate den Sieg

Eine Geste, die anrührt! 300 Meter vor dem Ziel klopfte Jens Voigt seinem Begleiter Manuel Garate auf den Rücken. „Fahr“, gab der Berliner dem Spanier damit zu verstehen. Garate trat an und gewa

Weitere Radsportnachrichten

13.08.2025Vliegen beendet Karriere, Vermaerke zu UAE

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

13.08.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

12.08.2025Uijtdebroeks will es langsam angehen lassen und “lernen zu gewinnen“

(rsn) – Cian Uijtdebroeks hat sich bei der Tour de l`Ain zurückgemeldet. Mit seinem Erfolg bei der schweren Rundfahrt durch Frankreich, die ihm seine ersten beiden Profisiege bescherte, hat sich de

12.08.2025Pedersen krönt sich zum König von Bornholm

(rsn) – Das Resultat kommt nicht unbedingt überraschend, der Etappenverlauf schon eher. Mads Pedersen (Lidl – Trek) ist mit einem Sieg in die Dänemark-Rundfahrt (2.Pro) gestartet. Dabei pokerte

12.08.2025Consonni gewinnt Auftakt der Polen-Rundfahrt

(rsn) – Chiara Consonni (Canyon – Sram – zondacrypto) hat den Auftakt der Polen-Rundfahrt der Frauen (2.1) gewonnen. Rund um Zamosc nahe der Grenze zur Ukraine gewann die Italienerin den Massens

12.08.2025Kitzki zieht die Handbremse: Wenn die Angst mitfährt

(rsn) – Mit nur 21 Jahren hat Louis Kitzki seine Karriere beendet. Am Montag verkündete das deutsche Nachwuchstalent in den Sozialen Medien seinen Rücktritt – und ließ dabei tief blicken. "Ohne

12.08.2025Hamburger Cyclassics im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(ran) - Die Cyclassics in Hamburg sind seit Jahren fester Bestandteil des WorldTour-Rennkalenders. Das meistens Ende August ausgetragene Rennen kommt den Sprintern entgegen, auch wenn im Finale mehrm

12.08.2025Fürsprecher Hushovd: Trondheim für Start der Tour de France 2030 im Gespräch

(rsn) – So langsam kommen sie alle aus der Deckung. Nachdem sich Dresden und Mitteldeutschland als Kandidat für den Grand Départ 2030 zuletzt nochmal etwas lauter ins Spiel gebracht haben, wird nu

11.08.2025McNulty widmet Sieg in Polen verletztem Teammitglied

(rsn) – Brandon McNulty (UAE – Emirates – XRG) feierte mit dem Gesamtsieg bei der Tour de Pologne (2. UWT) seinen ersten Rundfahrten-Sieg bei einem WorldTour-Rennen. Im Augenblick des Triumphs

11.08.2025Tour de Romandie Féminin im Rückblick: Die ersten drei Jahre

(ran) - Während die Tour de Romandie der Männer seit Jahren fester Bestandteil des Kalenders ist, existiert die Tour de Romandie Féminin erst seit 2022. Radsport-news.com blickt auf die ersten Aus

11.08.2025“Zeit für etwas Neues“ – Evenepoel über Red-Bull-Wechsel

(rsn) – Remco Evenepoel hat sich bislang noch nicht ausführlich zu seinem Wechsel von Soudal – Quick-Step zu Red Bull-Bora-hansgrohe geäußert. Der Doppel-Olympiasieger ging nach Abschluss des

11.08.2025Gianetti: “Pogacar zu sein ist schön, aber nicht einfach“

(rsn) – Mauro Gianetti, der Teamchef von UAE – Emirates – XRG hat sich zum kommenden Rennkalender und zum Vuelta-Verzicht von Tadej Pogacar geäußert. Am Ende der Tour de Pologne sagte er gege

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Maurice (2.2, 000)
  • Tour of Szeklerland (2.2, ROU)
  • PostNord Tour of Denmark (2.Pro, DEN)