Interview mit Bjarne Riis

CSC will den Giro gewinnen

Von Matthias Seng

25.01.2005  |  2005 soll ein CSC-Jahr werden. Das hat sich zumindest die Teamleitung vorgenommen, an der Spitze Bjarne Riis, Tour-Sieger von 1996. Bei der Teampräsentation in einer Villa in der Nähe von Florenz sprach Bjarne Riis über die Ziele für die neue Saison, über den „neuen Ivan Basso“ sowie über die ungewöhnlichen Trainingsmethoden und die Teamphilosophie des dänischen Rennstalls.

Frage: Bjarne Riss, wie sehen die Saisonziele für das Team CSC in diesem Jahr aus?

Riis: Wir wollen uns die gesamte Saison über zeigen. Wir wollen bei den Frühjahrsklassikern eine gute Vorstellung abgeben, den Giro gewinnen und bei der Tour mit unserer stärksten Mannschaft an den Start gehen, um dort möglichst gut abzuschneiden. Möglicherweise werden wir die Tour nicht gewinnen, aber wir werden zumindest ganz vorne dabei sein.

Frage: Glauben Sie auch, dass es beim Giro zum Duell Basso-Cunego kommt?

Riis: Darum geht es doch beim Giro gar nicht! Jeder macht ein Riesending daraus, aber das ist das schlechteste, was man machen kann. Ich habe Ivan (Basso) gesagt, dass wir uns auf den Giro konzentrieren, ganz gleich, ob Cunego dabei ist oder nicht oder ob Lance (Armstrong) dabei ist oder nicht. Wir bereiten uns so gut wie möglich auf den Giro vor, weil wir ihn gewinnen wollen, und wenn man ihn gewinnen will, muss man jeden schlagen, gleichgültig, um gegen wen man antritt.“

Frage: Sie haben in den letzten Jahren eine sehr erfolgreiche Art entwickelt, ihr Team in den Medien zu präsentieren. Was sind die Grundlagen für diesen Erfolg?

Riis Das Schlüsselwort für mich lautet “Bewusstsein”. Man muss sich immer darüber bewusst sein, was man macht. Dann kann man seine Fahrer motivieren und erfolgreich trainieren. Ich habe eine genaue Vorstellung davon, auf welche Weise ich das Team führen möchte. Wir haben eine Teamphilosophie, bestimmte Werte als Grundlage für unser Auftreten. Ich glaube, wir sind das einzige Team im Weltradsport, das mit solchen Werten arbeitet. Und unsere Fahrer haben diese Werte verinnerlicht.

Frage: Welche Werte sind das?

Riis An aller erster Stelle steht Teamwork. Wenn Teamwork funktionieren soll, braucht man Loyalität, Respekt, Kommunikation, und man muss bereit sein, bestimmte Pflichten und Verantwortung zu übernehmen. All das zusammen ergibt Teamwork. Damit können wir bei CSC unsere Teamphilosophie umsetzen. Daran arbeiten wir hier, opfern Zeit dafür. Es geht auch nicht nur darum, Teamwork zu betreiben, sondern es in der richtigen Weise umzusetzen. Das zeichnet ein echtes Team aus.

Frage: Deshalb auch die berühmten Überlebenscamps?

Riis Bei unserem gemeinsamen Aufenthalt in diesem Camp wollen wir feststellen, wie die Fahrer unter Druck reagieren, was in ihnen steckt. Wer positiv reagiert, wer negativ, wer Verantwortung übernimmt und wer nicht. Das ist eine ganz ähnliche Situation wie in einem Rennen. Wir möchten den Fahrern dabei helfen, auf Stress und Druck richtig zu reagieren. Das ist sehr wichtig. Wir wollen aber auch, dass die Fahrer offen und kommunikativ sind, etwa mit der Teamleitung sprechen, wenn sie Probleme haben. Wenn sie mir gegenüber nicht ehrlich sind, kann ich keine erfolgreiche Strategie für die Rennen entwickeln, weil ich dann nicht weiß, welche Faktoren ich in meine Planungen miteinbeziehen muss. Meine Fahrer sollen bei mir etwas lernen, was sie auch nach ihrer Karriere nutzen können.

Frage: Ivan Basso hat im letzten Jahr einen großen Sprung in seiner Entwicklung als Radprofi gemacht. Was war Ihre Rolle dabei?

Riis: Ich analysiere immer, wie ein Team funktionieren muss, damit ein Fahrer besser werden kann. Es sind immer die kleinen Dinge, die den Unterschied ausmachen. Natürlich hat Ivan alle physischen Voraussetzungen eines Topfahrers. Darum geht es aber nicht. Worauf es ankommt, sind die Mentalität und die Disziplin. Die hat er auch. Er scheut sich nicht davor, neue Wege einzuschlagen, Neues auszuprobieren. Und er schaut genauso auf die Kleinigkeiten, um sich Stückchen für Stückchen noch zu verbessern. Vor einigen Jahren war das anders. Da war Ivan noch schüchterner, vorsichtiger, fuhr in einem Team, dass noch mit den alten Methoden arbeitete. Aber besonders seit der letzten Tour erleben wir einen neuen Ivan Basso. Er übernimmt viel mehr Verantwortung für das Team und auch für sich selbst.

Quelle: cyclingnews.com

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